Eislaufen – eine holländische Leidenschaft
Nebst dem Velo sind Schlittschuhe des Holländers liebstes Fortbewegungsmittel. Schlittschuh-Rennen werden mit Spannung verfolgt, wobei die Holländer die internationale Popularität des Eislaufsports überschätzen - wie die Schweizer jene von Skirennen.
Im Gegensatz zum Schweizer, der im Winter auf die Kunsteisbahn pilgert, gibt es für den echten Holländer aber nur eins: «Natuurijs». Wenn das Gerücht aufkommt, dass irgendwo in der Nähe ein Tümpel zugefroren ist, gibt es für die Leute hier kein Halten mehr.
In alten Zeiten, als noch keiner vom Treibhauseffekt gehört hatte, froren die Amsterdamer Kanäle Winter für Winter zu, und die Holländer konnten ihrem Lieblingshobby gleich vor ihrer Haustür nachgehen. Viele Amsterdamer, die ich auf dieses Phänomen ansprach, waren sich jedoch sicher, dass dies endgültig der Vergangenheit angehörte.
Alle laufen Eis
Doch dann wurde es Anfang Jahr plötzlich klirrend kalt, und eines Morgens tummelte sich Jung und Alt auf vereisten Kanälen und Park-Teichen. Wer konnte, nahm frei und ging mit Freunden oder der Familie Schlittschuhlaufen. Selbst die holländischen Professoren an meinem Institut waren für ein paar Tage kaum noch dort anzutreffen.
Besonders amüsant waren die vielen Kleinen, die zum ersten Mal auf Schlittschuhen standen. Manche Eltern gaben ihrem Nachwuchs ganz einfach einen Stuhl mit, an dem sie sich festhalten konnten, oder setzten sie in einen Schlitten und zogen sie hinter sich her. Ich habe aber auch Leute gesehen, die – eine Art Kinderwagen mit Kufen vor sich her schiebend – übers Eis glitten.
Natureis birgt seine Gefahren
Ganz reibungslos ging das Ganze aber nicht vonstatten. Als mein Mitbewohner zur selben Zeit wegen eines kampfsportbedingten Blumenkohlohrs ein Amsterdamer Spital aufsuchte, war die Notaufnahme ob all der gebrochenen Handgelenke völlig überlastet. Man könnte fast meinen, die Holländer hätten in all den eisfreien Jahren das Schlittschuhlaufen verlernt.
Schlittschuhlaufen auf Natureis birgt allerdings noch andere Gefahren. Jedes Mal, wenn die Gewässer zufrieren, brechen ein paar Läufer durch das Eis. Die beliebteste Methode, herauszufinden ob das Eis hält, ist natürlich erst einmal abzuwarten, bis ein paar andere drauf stehen. Erfahrene Läufer hingegen schwören auf so genanntes schwarzes Eis, das durch seine Dicke eine dunkle Farbe annimmt.
Die Elfstädte-Tour
Zur Erfüllung des höchsten aller Eisläuferträume kam es allerdings auch in diesem Jahr nicht. Sobald das Thermometer für mehr als ein paar Tage unter Null fällt, macht ein Wort die Runde: «Elfstedentocht». Die Elfstädtetour ist ein 199-km-Schlittschuhrennen über gefrorene Kanäle in Friesland. Das letzte Jahr, in dem die benötigte Eisdichte von 15 cm erreicht wurde, war 1997. Und auch davor gab es schon mehr als zwanzigjährige Unterbrüche.
Nun wollen Wissenschaftler berechnet haben, dass das Rennen in Zukunft im Durchschnitt nur noch alle 18 Jahre wird stattfinden können. Trotzdem wurde der Fernsehvertrag auf unbestimmte Zeit verlängert, was für ein Ereignis, das eventuell nie mehr stattfinden wird, eher selten ist.
In jeder der elf Städte, die an der Strecke liegen, gibt es einen Verantwortlichen, der entscheiden muss, ob das Eis auf seinem Abschnitt sicher ist. Sobald die Kanäle gefroren sind, können sich diese Leute vor den Journalisten und Fernsehkameras kaum noch retten. Sobald das Rennen dann ausgerufen wird, lassen Menschen im ganzen Land ihre Arbeit liegen und reisen über Nacht nach Friesland, um im Morgengrauen am Start zu stehen.
Das Eis im Krieg
Ob die fanatischen Holländer den Schlittschuh erfunden haben, ist allerdings nicht bekannt. In der niederländischen Geschichte spielt dieses Schuhwerk allerdings eine wichtige Rolle. Friesische Soldaten sollen zum Beispiel Schlittschuhe verwendet haben, um im Winter einen Vorteil über die einfallenden Spanier zu erreichen.
Allerdings war die Kälte nicht immer ein militärischer Vorteil für die Niederländer: Als sie nämlich im selben Krieg gezielt Gebiete um Amsterdam fluteten, um die Stadt vor den Spaniern zu schützen, fror bald alles zu – und die Invasoren spazierten gemütlich übers Eis.
swissinfo, Thomas Buser, Amsterdam
Immer häufiger reisen auch Jugendliche für längere Zeit ins Ausland.
Studenten profitieren von Austauschprogrammen.
Zu ihnen gehört Thomas Buser, der in Amsterdam seine Doktorarbeit in Entwicklungsökonomie verfasst.
Von dort berichtet er für swissinfo über seine Erlebnisse.
Geboren am 18.09.1980 in Basel. Zur Schule ging er in Oberwil, Kanton Basel-Landschaft.
Er studierte an der HEC Lausanne Volkswirtschaft und schloss später an der University of Warwick in England mit Master ab.
Dazwischen arbeitete Buser mehrere Monate in Tansania und Polen.
Reisen ist eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. So war er bereits in Skandinavien, Osteuropa und Südamerika unterwegs. Auch Kochen, Jassen, Lesen und Konzertbesuche gehören zu seinen Hobbys.
Zudem produziert er mit Freunden einen Podcast «über alles, was den Rock’n’Roll nicht sterben lässt». Diesen kann man downloaden unter: http://asdfghjkl.ch/podcast/.
Neben seiner Muttersprache Deutsch spricht Buser Englisch, Französisch und Spanisch. Zur Zeit ist er daran, Niederländisch und Portugiesisch zu lernen.
Seit September 2007 lebt und studiert der 28-jährige Basler in Amsterdam.
E-Mail-Adresse Thomas Buser: thomas.buser@gmail.com
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