Empörung über Aufweichung des Bankgeheimnisses
Die Grossbank UBS muss ausser einer Zahlung von 780 Mio. Franken ihr Bankgeheimnis lüften und Kundendaten herausrücken. Diese Aufweichung sorgt in der Schweiz für grosse Empörung.
Durch ein Schuldeingeständnis der UBS ist der Vergleich mit den US-Behörden möglich geworden. Die Grossbank habe laut dem US-Justizministerium eingeräumt, amerikanischen Steuerzahlern dabei geholfen zu haben, Bankkonten vor dem Fiskus zu verstecken.
Laut der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma ist diese Auslieferung von Kundendaten eine Schutzmassnahme für die UBS und den Finanzplatz Schweiz.
Der von der UBS eingegangene Vergleich bewahre die Bank vor einer existenzbedrohenden Strafanzeige, sprich einem Entzug der Banklizenz. Die Finma war es als Aufsichtsbehörde, die die USA am Mittwoch veranlasst hatte, die vertraulichen Bankdaten weiterzuleiten.
«In die Knie gezwungen»
«Das Schweizer Bankgeheimnis ist geknackt. Erstmals gibt eine Schweizer Bank Kundendaten an eine ausländische Regierung weiter, ohne dass die Betroffenen sich rechtlich dagegen wehren können» schreibt die deutsche Nachrichtenagentur (dpa). «Die USA haben die grösste Bank der Schweiz, die UBS, aber auch die Finanzmarktaufsicht sowie die Regierung des Landes in die Knie gezwungen.»
Noch würden Politiker in Bern versuchen, die Sache so darzulegen, als gäbe man nur etwas preis, was man beim auch in der Schweiz strafbaren Steuerbetrug ohnehin getan hätte.
Die dpa vermutet, dass «die UBS die Schweiz an den Rand des Abgrunds gebracht» habe. Denn nur so könnten Regierung und Finma ihren Schritt rechtfertigen.
Die Neue Zürcher Zeitung spricht bereits von einer «Kapitulation im Steuerstreit mit den USA» und befürchtet, dass diese nun zu einem Präzedenzfall für weitere dem Bankgeheimnis feindselig gegenüberstehende Länder werden könnte.
Furcht vor Präzedenzfall
«Deutsche oder französische Steuerbehörden werden ähnliche Lösungen für sich reklamieren», so die NZZ.
Der Tages-Anzeiger spricht von einer «Weisung» der Finma: Die Kundendaten würden auf eine «rechtlich fragwürdige Weise ausgeliefert». Die Daten würden in den USA landen, bevor ein Schweizer Gericht über die Rechtmässigkeit der Auslieferung befinden könne.
Das sei, so der Tages-Anzeiger, ein «unrühmlicher Abschluss» der Steueraffäre.
Wut sogar bei Bankgeheimnis-Kritikern
Inzwischen hat sich in der Schweiz eine grosse Empörung breitgemacht – sogar bei an sich Bankgeheimnis-kritischen Akteuren. Mit Wut hat zum Beispiel Christian Levrat, Präsident der Sozialdemokratischen Partei SP, die jüngsten Entwicklungen zur Kenntnis nehmen müssen.
Wobei sich diese Wut an die USA richtet, deren Haltung Levrat in die Nähe von Erpressung positioniert. Diese Entwicklung würde auch die Ausgangslage der Schweiz im Steuerstreit mit der EU verschlechtern.
Die Schweizerische Volkspartei SVP spricht von «einer unhaltbaren Aufweichung des Bankgeheimnisses», so Parteisprecher Alain Hauert. Die SVP fordere nun weiterhin, das Bankgeheimnis, auch wenn es jetzt schon durchlöchert sei, in der Bundesverfassung festzuschreiben.
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Ärger wegen vollendeter Tatsachen
Christophe Darbellay, Präsident der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), kritisierte Finanzminister Hans-Rudolf Merz und die Finanzmarktaufsicht. Merz habe an Glaubwürdigkeit eingebüsst, sagte Darbellay gegenüber einem Westschweizer Lokalradio. Die CVP ärgert sich, vor vollendeten Tatsachen zu stehen.
Damien Cottier, Sprecher der Freisinnig-demokratischen Partei (FDP), kritisierte die Kapitulation der UBS und des Bundes ebenfalls mit harten Worten: Es sei «Macht vor Recht». Die USA hätten ihre Macht ausgespielt, um von der UBS die Kundendaten zu erhalten.
UBS-Chef verteidigt die Massnahme
Peter Kurer, Verwaltungsratspräsident der UBS, hat den Deal mit den US-Justizbehörden in der «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens verteidigt.
«Wir haben schwere Fehler gemacht. Unsere Kontrolle hat in gewissen Bereichen versagt», sagte Kurer. Gewisse UBS-Mitarbeiter hätten gewissen US-Kunden geholfen, die US-Regierung zu betrügen.
Mit dem Vergleich sei nun die Grundlage für eine definitive Lösung für die UBS im Steuerstreit mit den USA gelegt. Das Bankgeheimnis sei durch den Vergleich keineswegs durchlöchert worden, sagte Kurer.
Bei den betroffenen Fällen gehe es um «Steuerbetrug und ähnliche Sachverhalte», die nicht durch das Bankgeheimis geschützt seien.
swissinfo, Alexander Künzle und Agenturen
Die EU-Kommission fordert nach der Herausgabe von UBS-Bankkundendaten an die USA Gleichbehandlung für die EU-Staaten.
Zwar unterstrich sie, dass es sich dabei um eine bilaterale Angelegenheit zwischen den USA und der Schweiz handle.
«Freilich, wenn eine ähnliche Anfrage von einem EU-Mitgliedstaat gestellt wird, muss sie auf gleiche Art und Weise behandelt werden», fügte die Kommissionssprecherin in Brüssel an.
Im Gegensatz zum Ausland unterscheidet die Schweiz zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung.
Wird Betrug nachgewiesen, wie bei der Geldwäsche, gewährt die Schweiz Amtshilfe.
Wer hingegen Steuern auf legal verdientem Geld nicht zahlt, der hinterzieht – Amtshilfe wird in diesem Fall kaum gewährt.
Gegen diese Unterscheidung laufen sowohl die EU als auch die USA seit Jahren Sturm.
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