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Erfolgreiche Jagd nach geraubter Kunst

Bündner Polizeibeamter (r.) und italienischer Carabiniere vor dem Giacometti-Bild "Junge Frau im Garten". Keystone Archive

Die italienische Polizei hat ein im Bergell gestohlenes Bild von Giovanni Giacometti sicher gestellt und der Schweiz übergeben.

Die Schweiz gilt immer noch als internationale Drehscheibe für illegalen Kunsthandel. Das soll sich im nächsten Jahr ändern.

Das Gemälde «Junge Frau im Garten» des Bündner Malers Giovanni Giacometti (1868-1933) war im Oktober 2002 aus einem Privathaus im Bergell, Kanton Graubünden, gestohlen worden.

Gezeigt wird eine Frau, die im Hause Giacomettis als Dienstmädchen tätig war. Es handelt sich um die Mutter der Bündner Eigentümerin des Gemäldes.

Der Verlust des Bildes war somit nicht nur eine Geldfrage – der Wert wird auf 100’000 Franken beziffert – sondern auch ein ideeller.

Doch nun erhält die rechtmässige Eigentümerin ihren Schatz zurück. Vor wenigen Tagen konnten die Carabinieri das Werk in einer Villa in Cernobbio am Comer See sicher stellen.

Effiziente Datenbank

Dank der Zusammenarbeit mit der Polizei in Bergell und Lugano waren die italienischen Ermittler fündig geworden.

Die auf Kunstdiebstähle spezialisierte Einheit der Carabinieri «Tutela Patrimonio Culturale» (TPC) in Monza bei Mailand hatte in Erfahrung gebracht, dass das gestohlene Bild hätte verkauft werden sollen.

Der neue «Besitzer» wollte es über einen Zwischenhändler auf dem illegalen Kunstmark absetzen. Doch das Bild war in der TPC-Datenbank der italienischen Polizei aufgelistet.

Es handelt sich um eine weltweit einzigartige Sammlung mit rund 2 Millionen Einträgen zu geraubten Kunstwerken, die auch von ausländischen Behörden und Interpol alimentiert wird.

Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

Am Dienstag übergaben nun die italienischen Ermittler im gemeinsamen Kooperationszentrum der Schweizer und italienischen Zoll- und Polizeibehörden in Chiasso das wertvolle Stück ihren eidgenössischen Kollegen.

Dieses ist etwas ramponiert, weil die Leinwand vom Hohlrahmen getrennt und danach ganz offensichtlich gefaltet worden war. Gleichwohl waren die Ermittler auf beiden Seiten zufrieden. Denn nicht immer gelingt es, gestohlene Kunstwerke wieder aufzuspüren.

«Und es gibt viele Kulturgüter, die in der Schweiz gestohlen werden und dann nach Italien gelangen», hält Jean-Robert Gisler von der Bundeskriminalpolizei in Bern als Spezialist für Kunstwerke fest.

Internationale Drehscheibe

Der Regelfall verläuft allerdings in umgekehrter Richtung. «Die Schweiz wird oft als Drehschreibe des internationalen Handels für illegale Kulturgüter benutzt», sagt Gisler.

Gerade aus Italien gelangten viele gestohlene Bilder, aber vor allem geraubte archäologische Kunstwerke, in die Eidgenossenschaft, um von hier aus ihre Reise in Drittländer anzutreten.

Im gemeinsamen Kampf der Schweiz und Italiens gegen diese illegalen Machenschaften seien in den letzten Jahren, insbesondere durch die Einrichtung einer nationalen Koordinationsstelle in Bern, erhebliche Fortschritte erzielt worden.

Dies war dringend nötig, denn beim Kunstraub geht es um ein gigantisches Business. Gisler: «Nach dem Drogen- und Waffenhandel steht der illegale Kunsthandel wohl an dritter Stelle.»

Neue Gesetzgebung

Tatsächlich hat auch das Eidgenössische Parlament reagiert und die gesetzliche Schraube angezogen. Im neuen Gesetz über den Kulturgütertransfer, das am 1.März 2005 in Kraft tritt, wurde – gegen den Willen der Kunsthändlerlobby – vor allem die Verjährungsfrist für Kunstraub auf die international üblichen 30 Jahre angehoben.

Bislang darf ein Käufer in der Schweiz, der ein Werk in gutem Glauben erwirbt, es nach 5 Jahren definitiv behalten, auch wenn sich später herausstellen sollte, dass es illegal ausgegraben oder erworben worden war.

Damit reicht es bis anhin aus, ein gestohlenes Werk fünf Jahre in einen Safe zu stellen, um es danach dauerhaft zu legalisieren. Doch damit ist dank des neuen Gesetzes sowie dem Beitritt der Schweiz zu einer entsprechenden Unesco-Konvention bald Schluss.

Das 2003 vom Parlament beschlossene Gesetz erfolgte im übrigen ganz unter dem Eindruck der Ereignisse in Bagdad, wo das irakische Nationalmuseum geplündert worden war und daher mit einer Überschwemmung des illegalen Kunstmarktes mit Antiken gerechnet wurde.

Beispielhaftes Italien

In der Realität ist der Kunstraub und- handel momentan rückläufig, zumindest zwischen der Schweiz und Italien. «In der Lombardei sind im letzten Jahr die Fälle um 40 Prozent zurückgegangen», erklärt Andrea Ilari von der Kulturschutzstelle der Carabinieri in Monza.

Dies sei eine Folge der allgemeinen Wirtschaftskrise, die sich im Kunstmarkt widerspiegele, aber auch der verbesserten polizeilichen Ermittlungsmethoden. Italien kennt eine Zentrale in Rom gegen Kunstdiebstahl und elf regionale Aussenstellen nach dem Muster von Monza.

«Italien ist beispielhaft bei der Bekämpfung von Kunstraub», lobt Gisler von der Bundeskriminalpolizei. «Und wenn die Schweiz Schengen beitritt, werden wir den Kunstraub noch effizienter bekämpfen», ist Ilari überzeugt.

swissinfo, Gerhard Lob, Chiasso

Das Bild «Junge Frau im Garten» von Giovanni Giacometti wird 2002 im Bergell, Graubünden, gestohlen.

Am 30. November 2004 übergeben die italienischen Ermittler das Gemälde ihren Schweizer Kollegen – im Kooperationszentrum in Chiasso.

Der Bündner Maler Giovanni Giacometti lebte von 1868 – 1933.

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