Euro 08: Trotz Berner Krawallen keine Bedenken
Die Sicherheitsverantwortlichen der Euro 2008 sind trotz der Ausschreitungen vom letzten Wochenende in Bern zuversichtlich, dass es während der Fussball-EM nicht zu ähnlichen Szenen kommt.
An einer Sicherheits-Konferenz der acht Euro-Gastgeberstädte der Schweiz und Österreichs versprach der Kommandant der Berner Kantonspolizei eine gründliche Aufarbeitung der jüngsten Ereignisse.
Die Ausschreitungen von Bern im Rahmen einer SVP-Veranstaltung vom vergangenen Samstag waren an der Konferenz in Zürich zwar kein offizielles Traktandum. Dennoch gaben sie zu reden.
Die Vorkommnisse würden zwar ein nicht gerade vorteilhaftes Bild auf Bern werfen, sagte Stefan Blätter, Kommandant der Kantonspolizei Bern. «An der Fussball-EM werden aber grundsätzlich andere Voraussetzungen herrschen. Die Einsätze sind nicht miteinander vergleichbar.»
Die Berner Stadtpolizei sowie die Stadtbehörden waren in die Kritik geraten, weil sie trotz Grossaufgebot nicht verhindern konnten, dass es rund um den geplanten Marsch der SVP durch Bern zu Krawallen mit Sachbeschädigungen kam. Die Partei musste die Schlusskundebung auf dem Bundesplatz absagen, die Reden fanden beim Bärengraben statt.
Vertreter der rechtskonservativen Partei hatten danach gefordert, dass in Bern keine EM-Partien über die Bühne gehen dürfen. Auch wurde der Status als Hauptstadt des Landes in Frage gestellt.
Bern analysiert
Zudem werde die Stadtpolizei per 2008 in die Kantonspolizei integriert. Dies sowie die intensive Vorbereitung und neue Mittel wie die Hooligan-Datenbank schaffen gemäss Blätter bessere Voraussetzungen.
Er versprach eine gründliche Analyse und Aufarbeitung der Krawalle. Ergäben sich daraus Konsequenzen für die EM, werde man diese ziehen, sagte er. «Wir sind nicht blauäugig und wissen, dass es an der EM auch zu solchen Ausschreitungen kommen kann.» Man werde in Bern aber von Beginn weg klare Signale aussenden.
Im Plan
Was die generellen Sicherheitsstrategien der Austragungsstädte betrifft, herrschte bei den Verantwortlichen Optimismus. «Wir sind auf gutem Weg, die Konzepte sind aufeinander abgestimmt», sagte Philipp Hotzenköcherle, Kommandant der Stadtpolizei Zürich. Die Besucher würden in der Schweiz und in Österreich gleiche Bedingungen und Regeln antreffen.
Zuversichtlich herrscht auch beim Europäischen Fussballverband (Uefa). «Die geplanten Sicherheitsmassnahmen können einen wesentlichen Beitrag leisten, friedliche Spiele zu ermöglichen,» sagte Martin Jäggi, Uefa-Projektleiter der Euro 08 in der Schweiz.
Kein Zaudern
Mit Verweis auf die «3-D-Strategie» – die drei D stehen für Dialog, Deeskalation, Durchgreifen – sagte Jäggi, alle Anwesenden seien gewillt, gegen Gewalttäter und Delinquenten rasch und entschieden vorzugehen.
Trotz unterschiedlicher Strukturen funktioniere die Zusammenarbeit gut, sagte auch Burghard Vouk, Leiter des österreichischen Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung in Salzburg.
In ihren Ausführungen wiesen die Verantwortlichen auf die spezifischen Herausforderungen an den Austragungsorten hin, insbesondere bei den Fanzonen.
Dabei sind Sicherheits- und Rettungskräfte durch die dreiwöchige Dauer der EM ebenso gefordert wie durch die Paralleleinsätze an verschiedenen Orten.
Hochrisiko-Spiele
Die Vertreter der Host Cities wiesen nach dem Treffen auch auf die enormen Herausforderungen hin. Erst nach der Auslosung der Gruppen vom 2. Dezember können die Host Cities abschätzen, ob sie mit Hochrisiko-Spiele rechnen müssen.
«Dann müssen wir die Feinplanung der Konzepte in Angriff nehmen», sagte Martin Jäggi. Erst dann kann über die effektive Anzahl von Polizeikräften und eventuelle Zusammenzüge informiert werden.
Dezember bringt Klarheit
Ob die Schweiz – wie Österreich – mit ausländischen Beamten zusammenarbeiten wird, ist noch offen. «Gespräche mit Deutschland sind noch in Gang, mit Frankreich wurde dieser Tage ein Vertrag abgeschlossen», sagte Jäggi. Grundsätzlich wollen die Schweizer Polizeikräfte ihre Einsätze aber mit eigenen Mitteln bewältigen.
Ob man auf ausländische Unterstützung zurückgreifen wird, hängt gemäss dem Uefa-Vertreter vor allem auch davon ab, wie viele Hochrisiko-Spiele in den Schweizer Städten ausgetragen werden.
Die grösste Herausforderung dieses Sportanlasses sei wohl aber dessen Dauer, waren sich die Sicherheitsverantwortlichen der Host Cities einig. Neben der täglichen Grundversorgung müssten die Beamten im Juni 2008 drei Wochen lang mit Zehntausenden von zusätzlichen Menschen in der Stadt rechnen.
swissinfo und Agenturen
Die Fussball-Europameisterschaft 2008 findet vom 7. bis 29. Juni in der Schweiz und in Österreich statt.
Von den 31 Spielen werden 15 in der Schweiz und 16 in Österreich durchgeführt (mit Final in Wien).
Insgesamt werden 1’050’000 Tickets ausgestellt.
In der Schweiz werden bis zu 5,4 Mio. Zuschauer erwartet, darunter bis 1,4 Mio. aus dem Ausland.
2500 Journalisten werden die Spiele kommentieren, die für einige Milliarden TV-Zuschauer in 170 Ländern übertragen werden.
Die Gesamtkosten werden auf 182,1 Mio. Franken geschätzt. Der Beitrag des Bundes beläuft sich auf 82,8 Mio.
In der Hooligan-Datenbank, die im Probebetrieb läuft, sind bisher rund 210 Gewalttätige verzeichnet.
Die meisten Einträge betreffen Stadionverbote, wie Christoph Vögeli, Leiter der Schweizerischen Zentralstelle Hooliganismus (SZH) sagte. Mittlerweile sind alle Kantone angeschlossen.
In der Datenbank werden Personen mit Stadion- oder Rayonverbot, einer Ausreisebeschränkung, Meldeauflage oder einem maximal 24-stündiger Polizeigewahrsam erfasst.
Die Host Cities der Euro 08 können diese Massnahmen seit 1. Juli verhängen.
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