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Euro 2008: Presse ist sich uneins

Nicht ganz einfache Beziehung: Der scheidende Nationalcoach Köbi Kuhn gratuliert dem Torschützen Hakan Yakin. Keystone

Die Schweizer Presse ist nach dem ehrenhaften Ausscheiden der Schweizer aus der Euro 2008 nicht ganz einer Meinung: Die Breite der Kommentare reicht von "alles schiefgelaufen" bis "einmalig".

Die Schweizer Presse kommentiert am Montag mit dem Ausscheiden der Schweizer Fussballer an der Euro 2008 im eigenen Land zweierlei.

Erstens die Spielbilanz der Nationalmannschaft, und zweitens die 7-Jahres-Endbilanz von Nationaltrainer Köbi Kuhn, der am Sonntag mit einem 2:0 gegen Portugal doch noch in Ehren abgetreten ist.

«Kuhns Arbeit, Hitzfelds Bonus», schreibt die Neue Luzerner Zeitung (NLZ). «Köbi Kuhn bleibt der erfolgreichste Nationaltrainer.» Auch wenn die Schweiz an der Euro resultatmässig ihre Ziele verfehlt habe.

Kommunikativ sei er gewiss nicht ein Grosser gewesen. Seine Suspensionen habe er über die Presse oder am Telefon ausgesprochen. Dennoch habe Kuhn, mit den Worten von Alex Frei, «den Schweizer Fussball salonfähig gemacht».

«Kuhn geht zwar als der Coach in die Geschichtsbücher ein, der an drei grossen Turnieren dabei war», schreibt die Berner Zeitung (BZ). «Aber auch als Chef, dem es nicht gelungen ist, im wichtigsten Moment alles aus der Mannschaft herauszuholen. Die Euro 2008 war für die Schweizer nach 5 Tagen mehr oder weniger vorbei.»

Eine Ewigkeit

«7 Jahre – eine Ewigkeit», schreibt die Neue Zürcher Zeitung. «Mit Kuhn hatten die Schweizer 73 Spiele.» Dieser Abschnitt mit Kuhn sei bemerkenswert, weil seine knorrige, leise und teils verweigernde Art überlebt habe und – unter dem Strich – erfolgreich war.

Viel kritischer wird die Rolle Kuhns in der Südschweiz gesehen: «Die Rolle des braven Pappi, die Kuhn so gerne hatte, genügte aber nicht: Seine Mannschaft hat sich nach der Weltmeisterschaft 2006 nicht mehr weiterentwickelt», schreibt der Corriere del Ticino.

Kuhn habe nicht begriffen, dass er nach der WM in Deutschland hätte abtreten müssen. Es sei zwar begreiflich angesichts der grossen Popularität. «Der Umgang mit all der Popularität wurde schwierig für einen einfachen Mann, der es sich nicht gewöhnt war, im Lichtkegel der Scheinwerfer zu stehen.»

Konflikt Kuhn-Yakin

«Die meisten Personalentscheide erwiesen sich als richtig», schreibt demgegenüber die NZZ. Nur: «Der entscheidende Fehler der laufenden Euro 2008 war Köbi Kuhns fehlender Mut, im ersten Spiel Hakan Yakin nicht von Anfang an gebracht zu haben», schreibt die Basler Zeitung (BAZ). Der habe ja schliesslich alle Tore geschossen.

Und die Boulevard-Zeitung Blick baut ihre Euro-Berichterstattung auf dem Konflikt Kuhn-Yakin auf. «Yakin: Ehre gerettet und doch abseits.»

Offenbar sei es laut Blick noch vor dem siegreichen Spiel gegen Portugal seitens von Yakin zu einer Breitseite gegen Kuhn gekommen. Kuhn habe ihn im Regen stehen gelassen.

Was werde nun der neue Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld mit Yakin machen, fragt sich das Blatt. Schliesslich seien Hitzfeld und Kuhn seit langem befreundet.

Erster EM-Sieg

Das Ausscheiden der Schweizer aus der EM müsse man im Kontext sehen, so die BAZ. Die Euro 2008 stecke ja voller Überraschungen: «Wer hätte gedacht, dass die Italiener und Franzosen so zittern müssten, und dass sich die Holländer so unwiderstehlich präsentieren?»

Und dass die Schweiz gegen Portugal mit den zwei Treffern zum Ehrenabschluss den ersten EM-Sieg der Schweizer Fussball-Geschichte einfahren würde?

Als Grund für das Versagen der Schweizer ortet der Tages-Anzeiger ein «Fehlen an Breite in der Qualität». Die Mannschaft konnte es sich nicht leisten, zu Beginn schon auf die Ausfälle ihrer Stars wie Torjäger Alex Frei zu verzichten.

Der Tagi macht gar das Gesetz von Murphy verantwortlich: «Es lief schief, was schief laufen konnte.»

Salz des offensiven Spiels

«Neben anderen Schwächen ist es dieses Salz (des offensiven Spiels) das unserer Nationalmannschaft noch abgeht», schreibt die Westschweizer Tageszeitung Le Temps. «Erst dann lässt sich hoffen, dass sie eines Tages unter die Grossen im europäischen Fussball einsteigen wird.»

Immerhin: Kuhn habe eine neue Generation von Fussballern mit Talent, ansatzweise Frechheit und vielleicht auch Naivität geformt. Doch «es fehlt ihr an diesem unbeugsamem Instinkt, gewinnen zu wollen».

swissinfo, Alexander Künzle

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