Euro08: Zuversichtlicher Sicherheitschef
Die Fussball-WM in Deutschland ist Geschichte. Der Blick richtet sich auf die in der Schweiz und in Österreich stattfindende Europameisterschaft 2008.
Martin Jäggi, Schweizer Sicherheitsverantwortlicher der Euro08, hat die deutschen Sicherheitskräfte beobachtet. Deren Erfahrungen fliessen in sein Sicherheitskonzept ein, wie er gegenüber swissinfo erklärt.
swissinfo: Die Fussball-Weltmeisterschaft ist vorbei. Es waren friedliche Spiele, wie man sie sich für die Europameisterschaft 2008 auch wünscht. Ihr Fazit?
Martin Jäggi: In Deutschland wurden die Sicherheitsmassnahmen sehr professionell vorbereitet und durchgeführt. Wir sind dabei, die deutschen Erfahrungen auszuwerten und entscheiden dann, wie und in welcher Form wir unser Konzept anpassen müssen.
Die Grundlagen unseres Konzeptes sind Unterlagen aus Holland und Belgien von der Euro 2000 sowie aus Portugal aus dem Jahr 2004. Weiter sind auch Erfahrungen von den Olympischen Sommerspielen in Athen eingeflossen.
Bereits jetzt kann ich sagen, dass sich keine grossen Korrekturen aufdrängen. Es hat in Deutschland funktioniert, und es wird auch in der Schweiz gelingen.
swissinfo: In Deutschland war ein riesiges Aufgebot an Sicherheitskräften im Einsatz. Können die Schweiz und Österreich ein Aufgebot im gleichen Verhältnis bereitstellen?
M.J.: Wir haben in der Schweiz eine relativ geringe Polizeidichte, verglichen mit den Zahlen der umliegenden Länder. In der Zeit der Euro08 werden jedoch rund 10’000 Armeeangehörige Dienst leisten. Auch die Katastrophenhilfe-Einheit wird sich zu dieser Zeit im Wiederholungskurs befinden. So können die Polizeikräfte für die effektive Polizeiarbeit freigestellt werden.
Ob unsere Polizeikräfte ausreichen, wird sich aufgrund der Beurteilung der Lage nach der WM 06 und den gemachten eigenen Erfahrungen mit Grossleinwand-Veranstaltungen während dieser Zeit weisen. Sollten sie nicht ausreichen, können wir in Deutschland Polizisten anfordern.
Die deutschen Kollegen kennen die Schweiz und auch unsere Einsatztaktik. Zudem ist jedes Jahr eine deutsche Einheit am Weltwirtschafts-Forum (WEF) in Davos mit von der Partie. Es sind also Bekannte von uns und nicht fremde Kollegen.
swissinfo: In den beiden Austragungsländern Schweiz und Österreich gibt es unterschiedliche Gesetze und Strafnormen. Wird ein Hooligan in beiden Ländern gleich bestraft?
M.J.: Ein solcher Wunsch kann nicht in Erfüllung gehen. Selbst in der Schweiz haben wir unterschiedliche Auffassungen. Die Gerichtsbarkeit ist kantonal geregelt. Wir haben also nicht einmal hier die Gewähr, dass Hooligans überall gleich behandelt und bestraft werden.
swissinfo: Sind Sie froh, dass das Referendum gegen das Hooligan-Gesetz in der Schweiz nicht zustande kam?
M.J.: Ja. Aber auch wenn es zum Referendum gekommen wäre, bin ich sicher, dass es nicht angenommen worden wäre. Denn das Schweizer Volk ist ganz klar der Meinung, dass es ein Instrument braucht, um Störer von solchen Veranstaltungen in die Schranken zu weisen.
swissinfo: Sie werden Ihre Einsatzkräfte mit gemeinsamen Ausbildungsmodulen schulen. Was soll man sich darunter vorstellen?
M.J.: Die Polizeikräfte sind erfahren. Sie sind jedes Jahr beim WEF in Davos im Einsatz, aber auch am Nationalfeiertag, am 1. August, in der Innerschweiz. Das Handwerk braucht man denen nicht beizubringen.
Die Erfahrungen aus Deutschland zeigen uns, in welche Richtung wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter schulen müssen. Sie müssen lernen, brenzlige Situationen leichter in den Griff zu bekommen. Sie müssen deeskalierend wirken, wenn sich Fans mit zu viel Alkohol im Blut ungebührlich benehmen.
Es gibt aber auch Störer, die nach einem Spiel die Auseinandersetzung mit einem Gegner suchen, sei es mit Anhängern der Gastmannschaft oder mit der Polizei. Hier ist wichtig, Ihre Aktivitäten bereits im Keim zu ersticken.
swissinfo: Die Ausschreitungen nach dem letzten Meisterschaftsspiel Basel gegen Zürich sind in schlechter Erinnerung. Kann so etwas auch an der Euro08 passieren?
M.J.: Solche Situationen können nicht ausgeschlossen werden. Die Spiele zur Schweizer Meisterschaft sind aber nicht zu vergleichen mit Welt- oder Europameisterschafts-Spielen.
Wir sagen den potentiellen Störern bereits im Vorfeld ganz klar: Es gibt keine Hooligan-Auseinandersetzungen auf der Strasse! Die Polizei wird frühzeitig und rigoros durchgreifen.
swissinfo: In Deutschland wurden rigorose Kontrollen beim Einlass zu den Stadien vorgenommen. Wird das 2008 in der Schweiz auch so sein?
M.J.: Verschiedene Kontrollen sollen dem Fussballbegeisterten garantieren, dass er die Spiele sicher und ungestört verfolgen kann. In Deutschland wurde bei einer ersten Kontrolle ein Body-Check durchgeführt. Die zweite Kontrolle fand mit dem Billett statt.
Diese Massnahmen haben zu einem ruhigen Ablauf der Spiele beigetragen und werden auch bei uns durchgeführt, auch wenn keine totale Kontrolle möglich ist.
swissinfo-Interview: Etienne Strebel
Martin Jäggi, Jahrgang 1944, ist Kommandant der Kantonspolizei Solothurn. Im Januar wurde er von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren zum Projektleiter Sicherheit der Euro08 ernannt.
Jäggi ist noch bis im September Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz. In dieser Funktion hat er bereits seit Herbst 2004 Arbeiten im Zusammenhang mit der Sicherheit an der Euro 2008 wahrgenommen.
In den Subteams für die Sicherheit der Euro08 in der Schweiz arbeiten im Moment über 200 Spezialisten, Polizeioffiziere, Angehörige des Grenzwachtkorps, der Armee sowie vom Bundesamt für Polizei.
Das Bundesgesetz über Massnahmen gegen Gewaltpropaganda und Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen ist kein endgültiges Instrument. Es gilt bis zu den in der Schweiz stattfindenden Eishockey-Weltmeisterschaften 2009.
Laut Martin Jäggi, verantwortlich für die Sicherheit der Fussball-Europameisterschaft 2008, könnte das Gesetz auch für die Zukunft tauglich sein.
Damit es dauerhaft für die ganze Schweiz Gültigkeit erlangt, müsste jedoch eine Verfassungs-Änderung durchgeführt werden, da dieser Sicherheitsbereich grundsätzlich in die Zuständigkeit der Kantone fällt.
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