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Europa arbeitete mit US-Geheimdienst zusammen

Dick Marty stellt seinen Bericht vor. Keystone

Europaratsermittler Dick Marty schreibt in seinem Schlussbericht, 14 europäische Regierungen hätten mit dem CIA zusammengearbeitet oder illegale Aktivitäten geduldet.

Im Bericht vom Mittwoch spart der Schweizer nicht mit Kritik am eigenen Land. Das weist die Vorwürfe zurück. Gleiches tun die andern Staaten.

«Es ist jetzt klar, dass die Behörden in mehreren europäischen Ländern aktiv mit dem CIA bei diesen unrechtmässigen Aktivitäten zusammengearbeitet haben. Andere ignorierten sie wissentlich oder wollten es nicht wissen», heisst es in dem Bericht, der am Mittwoch in Paris veröffentlicht wurde.

In den Fällen Rumäniens und Polens hätten sich die Fakten «erhärtet», dass es dort geheime Gefangenenzentren gegeben habe, schreibt Europaratsermittler Dick Marty weiter.

Keine Beweise

Klare Beweise, mit denen unsaubere geheimdienstliche Tätigkeit ans Tageslicht gezerrt werden könnte, gibt es jedoch nicht.

«Auch wenn Beweise im klassischen Sinn des Begriffs noch nicht verfügbar sind, gibt es eine Zahl von schlüssigen Elementen, die darauf hinweisen, dass solche Haftzentren in Europa tatsächlich existiert haben», sagte Marty.

«Der Europarat ist kein Gericht, es ist nicht meine Aufgabe, Beweise für illegale Tätigkeiten vorzulegen.»

Wenn die parlamentarische Versammlung der Staatenorganisation mit 46 Mitgliedsländern Ende Juni über diesen Bericht berät, soll ein Nachfolge-Ausschuss die Ermittlungen weiterführen. «Ich erwarte jetzt Aufklärung von den betroffenen Regierungen».

Spekulativ

Die im Bericht schwer belasteten Länder Polen und Rumänen haben die Anschuldigungen zurückgewiesen.

In Rumänien hiess es, die Schlussfolgerungen seien spekulativ, die auf Indizien gestützten Beschuldigungen inakzeptabel.

Auch der polnische Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz hat den Bericht des Europarates zu CIA-Flügen mit Terrorverdächtigen nach Polen zurückgewiesen.

«Das sind Verallgemeinerungen, die auf keinerlei Tatsachen basieren», sagte er in Warschau.

Die deutsche Bundesregierung lehnte einen schnellen Kommentar zum Bericht des Europarates über die Verstrickungen Deutschlands in ein weltweites Netz von Gefängnissen und Häftlingstransporten des CIA ab.

Ein Regierungssprecher verwies in Berlin auf eine notwendige Prüfung.

Auch die EU-Kommission wollte Martys Aussagen im Schlussbericht zum jetzigen Zeitpunkt nicht kommentieren.

Die Regierung der USA weist den Europaratsbericht ebenfalls zurück. Der Bericht sei mangelhaft und nicht neu.

Kritik an der Schweiz

Dick Marty spart in seinem Abschlussbericht zur CIA-Affäre nicht mit Kritik an der Schweiz. Er bemängelt eine «formalistische» Haltung der Regierung und einen «sklavischen Gehorsam» gegenüber den USA.

Obwohl verdächtige Flüge den Schweizer Luftraum durchquert hätten, habe der Bundesrat den USA im Februar die weitere Benützung des hiesigen Luftraumes gestattet, schreibt Marty.

«Die Schweizer Regierung nahm eine formalistische Haltung ein und berief sich auf das Vertrauensprinzip. Sie wollte die Überfluggenehmigung der USA zweifellos erneuern ohne weitere Fragen zu stellen», hält der Tessiner FDP-Ständerat fest.

EDA: Wenn nötig, wird gehandelt

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) verwies auf die laufenden Untersuchungen der Bundesanwaltschaft (BA) und weist Martys Aussagen zurück.

Die Schweiz verhalte sich gegenüber den USA nicht «sklavisch gehorsam». Bern habe sich vielmehr «sehr klar» zu den Berichten über illegale Gefangenen-Transporte geäussert.

Falls durch Überflüge und Landungen schweizerische Souveränität verletzt worden sei, werde die Regierung handeln, sagte EDA-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat. Zurzeit gebe es aber keine Beweise.

AI: «Starkes Signal»

Die Sprecherin von Amnesty International Schweiz, Manon Schick, begrüsste den Schlussbericht dagegen als «starkes und klares Signal».

Die Organisation will die Schweizer Regierung mit Hilfe einer Petition zu mehr Engagement gegen Menschenrechts-Verletzungen durch US-Geheimdienste bewegen.

swissinfo und Agenturen

Dick Marty arbeitete von 1975 bis 1989 als Staatsanwalt.
Von 1989 bis 1995 war er Regierungsrat im Kanton Tessin.
1995 wurde er in den Ständerat gewählt, seit 1998 sitzt er im Europarat.
Im November 2005 wird Marty Sonderberichterstatter des Europarats zu den umstrittenen CIA-Gefangenentransporten.

November 2005: Der Europarat beauftragt den Schweizer Ständerat Dick Marty eine Untersuchung über geheime Gefangenenlager des CIA in Europa durchzuführen.

Dezember 2005: Die Schweiz bittet die amerikanische Botschafterin in Bern um Klärung vermuteter CIA-Transportflüge von angeblichen Terroristen über Schweizer Gebiet.

Dezember 2005: Die Geschäftsführende Kommission des Parlamentes will von der Regierung Auskunft über mutmassliche Transits von CIA-Gefangenen über die Schweiz.

Januar 2006: Die Presse behauptet, dass der Schweizer Geheimdienst ein ägyptisches Fax abgefangen habe, das CIA-Gefängnisse in Europa belegt.

Januar 2006: Dick Marty äussert sich dahingehend, dass es zwar keine unwiderlegbaren Beweise für geheime CIA-Gefängnisse in Europa gebe, jedoch Hinweise darauf.

April 2006: Das Bundesamt für Zivilluftfahrt bestätigt, dass sechs mutmassliche CIA-Flugzeuge in der Schweiz zwischengelandet seien.

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