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Ex Crossair-Spitze vor Strafgericht

Haben eine Schuld am Absturz mit 24 Toten bisher immer zurück gewiesen: André Dosé (links) und Moritz Suter. Keystone

Der Absturz eines Jumbolino in der Nähe des Flughafens Kloten im November 2001 hat strafrechtliche Konsequenzen. Die Anklage wirft der damaligen Crossair-Spitze fahrlässige Tötung und fahrlässige schwere Körperverletzung vor.

Im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen der CEO der ehemaligen Regionalfluglinie Crossair, André Dosé, und deren Gründer und Verwaltungsratspräsident Moritz Suter.

Dosé und Suter müssen sich ab dem 5. Mai zusammen mit vier weiteren Kaderangestellten der Crossair vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona verantworten. Der Prozess ist öffentlich. Die Verhandlungen sind auf zwei Wochen angesetzt.

Das Gericht wirft den Angeklagten vor, «in Missachtung diverser Vorschriften» einen Piloten beschäftigt zu haben, dessen Fehlverhalten am 24. November 2001 zum Absturz bei Bassersdorf führte.

In der Anklageschrift schreibt der zuständige Staatsanwalt des Bundes, Carlo Buletti, der Unfall sei die Folge einer «Angstkultur», die bei der Crossair zur bewussten Missachtung von Vorschriften führte.

Diese Kultur habe das interne Rapportsystem teilweise blockiert und sei von einer «internen diktatorischen Firmenhierarchie» geprägt gewesen. Diese habe jeglichen Widerspruch gegenüber Suter unterbunden.

Suter habe zudem eine aggressive Expansionspolitik gefordert und diese der Flugsicherheit übergeordnet. Dabei sei es zu unzulässigen Kosteneinsparungen gekommen. So habe die Crossair wartungsfällige Flugzeuge eingesetzt und das Personal vorschriftswidrig disponiert. Bei Verweigerung des Einsatzes trotz Überbeanspruchung sei mit der Entlassung gedroht worden.

Bereits «Nassenwil» war Pilotenfehler

Neu angestellten Copiloten soll Suter laut der Anklageschrift bei einem offiziellen Essen jeweils erklärt haben, dass ein guter Crossair-Pilot ohne Probleme unter die Mindestanflughöhe sinken könne und dies auch tue, um trotz widriger Sichtverhältnisse landen zu können.

André Dose, der zum Zeitpunkt des Unfalls Crossair-CEO war, wirft die Anklageschrift vor, die von Suter geprägte «Angstkultur» mitgetragen zu haben. Er habe es unterlassen, die ihm und der gesamten Geschäftsleitung bekannten Mängel zu beheben.

So sei die Karriere des Piloten der Unglücksmaschine von Bassersdorf mit gravierenden fliegerischen und operationellen Mängeln behaftet gewesen. Dennoch habe Dosé den Piloten nicht aus dem Flugverkehr gezogen.

Buletti erinnert auch an den Absturz einer Crossair-Maschine wegen eines Pilotenfehlers im Januar 2000 bei Nassenwil. Die von den Behörden abgegebenen Sicherheits-Empfehlungen habe Dosé nicht umgesetzt, kritisiert er.

Die Untersuchung zum Absturz von Nassenwil hat die Bundesanwaltschaft 2007 eingestellt.

Mindesthöhe nicht beachtet

Am Abend des 24. November 2001 stürzte in einem Waldstück bei Bassersdorf ein Crossair-Jumbolino im Endanflug auf den Flughafen Kloten ab. Beim Unglück kamen 24 Menschen – darunter die beiden Piloten – ums Leben, 9 wurden zum Teil schwer verletzt.

In seinem Untersuchungsbericht vom Januar 2004 kam das Büro für Flugunfalluntersuchung zum Schluss, dass der Absturz auf Fehler des Piloten zurückzuführen sei. Der Pilot sei zudem übermüdet gewesen.

Der Pilot hat laut dem Bericht die Maschine trotz denkbar schlechten Sichtverhältnissen unter die vorgeschriebene Mindestflughöhe gesteuert und dabei einen Baumwipfel touchiert. Als er den Fehler bemerkte, startete er ein erfolgloses Durchstartmanöver.

Ungenügende Leistungen

Der Bericht stellt dem Piloten kein gutes Zeugnis aus. So habe dieser mehrmals bei Sicherheitsprüfungen versagt und sei bei Umschulungskursen auf andere Flugzeugtypen wiederholt durch ungenügende Leistungen aufgefallen.

Einmal habe er auf einem Sichtflug über den Alpen versehentlich das italienische Aosta statt das 50 Kilometer nördlich gelegene Sitten angeflogen. Die Passagiere hätten im Endanflug beim Lesen der Strassenschilder gemerkt, dass sie in Italien waren. Nach einem Durchstartmanöver habe der Pilot die Maschine schliesslich nach Sitten gesteuert. Den Vorfall habe er nicht gemeldet.

André Dose hatte seinen Rücktritt als CEO der Swiss im März 2004 mit der gegen ihn laufenden Strafuntersuchung im Zusammenhang mit dem Absturz von Bassersdorf begründet.

swissinfo, Andreas Keiser

Die Gesellschaft wurde 1978 von Moritz Suter gegründet. Heimatflughafen war der Euro-Airport Basel-Mulhouse-Freiburg.

Die Airline war auf innereuropäische Flüge spezialisiert.

1988 musste die Gesellschaft 41% der Aktien an die damalige Swissair verkaufen, um wirtschaftlich überleben zu können.

1993 wurde Crossair mit der Übernahme der Aktienmehrheit zur Swissair-Tochterfirma.

Nach dem Grounding der Swissair im Oktober 2001 diente die Crossair als Grundlage für den Aufbau der Nachfolgegesellschaft Swiss.

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