Ex-Weltmeister Oscar Camenzind gedopt
Der Schweizer Rad-Profi Oscar Camenzind ist positiv auf EPO getestet worden. Er hat darauf seinen Startverzicht für das olympische Strassenrennen in Athen bekannt gegeben.
Camenzinds Arbeitgeber, die Schweizer Sportgruppe Phonak, hat den 32-Jährigen Schwyzer umgehend entlassen.
Der Schweizer Radsport muss den grössten Doping-Skandal seit 1988 vermelden: Der Radprofi Oscar Camenzind wurde am 22. Juli im Training positiv auf Erythropoietin (Epo) getestet. Dies gab Swiss Olympic, die Dachorganisation der Schweizer Sportverbände, am Montag in Athen bekannt, wo in vier Tagen die Olympischen Spiele beginnen.
«Wir haben Oscar Camenzind heute über die positive A-Probe informiert», sagte Oliver Hintz, Leiter der Geschäftsstelle für Dopingbekämpfung bei Swiss Olympic (SO), gegenüber swissino. SO vertritt als Dachorganisation der Schweizer Sportverbände eine harte Haltung gegen Doping.
Prompte Kündigung
Camenzinds Arbeitgeber Phonak hat postwendend auf den Dopingfall reagiert und den Vertrag mit dem Routinier am selben Tag aufgelöst. Der 32-jährige Gersauer hatte ursprünglich geplant, seine Karriere im nächsten Jahr mit einer zehnten Profisaison abzuschliessen.
Camenzind übernehme die volle Verantwortung für diesen Vorfall und entlaste das Team, hiess es in einer Phonak-Mitteilung vom Montag. «Das Team hat mit diesem Vorfall nichts zu tun», wird Camenzind zitiert, der im übrigen auf eine B-Probe verzichtet.
Team-Besitzer Andy Rhis zeigte sich äusserst «überrascht und enttäuscht» vom Fall Camenzind. Von Doping-Geschichten, die es um diesen Fahrer gegeben habe, habe er nie etwas gehört, sagte Rhis auf eine entsprechende Frage am Westschweizer Fernsehen.
Rücktritt nicht ausgeschlossen
Der Weltmeister von 1998 will am Dienstag an einer Medienkonferenz in Luzern die Öffentlichkeit selber informieren. Es wird allgemein davon ausgegangen, dass Camenzind dabei seinen Rücktritt vom Radsport erklärt, um einer Sperre zu entgehen.
Team-Ethik
Der Entscheid von Phonak kommt alles andere als überraschend: In der Charta des einzigen Schweizer Teams ist verankert, dass Athleten, welche mit Doping erwischt werden, mit sofortiger Wirkung entlassen werden.
«Jeder Fahrer, der im Rennen oder im rennmässigen Training positiv auf ein leistungssteigerndes Mittel getestet wird oder solche Mittel mitführt, muss mit seiner sofortigen Freistellung rechnen», so Team-Manager Urs Freuler, der diesen Vorfall aus menschlichen und sportlichen Gründen aufs tiefste bedauert.
Der Mann hinter dieser klaren Ethik ist niemand anderes als Andy Rhis, der Chef der Hörgeräte-Herstellerin. Credo des radsportbegeisterten Rhis ist es ebenso, keine Fahrer mit einer Dopingvergangenheit zu verpflichten.
Im Falle von Alex Zülle allerdings hatte er eine Ausnahme gemacht. Zülle wurde letztes Jahr engagiert, obwohl er in seiner Karriere bereits einmal wegen Dopings gesperrt worden war.
Gute Arbeit
«Im Fall Camenzind handelte es sich um eine sehr gute Arbeit seitens des Kontrolleurs», lobte Dopingbekämpfer Hintz. Dennoch macht er sich keine Illusionen: «Wir haben mit diesem Resultat einen Schuss vor den Bug gelandet. Ich hoffe, dass er etwas auslöst. Aber Abschreckung allein genügt nicht.»
In erster Linie müssten sich die Gesamtrahmenbedingungen im Spitzensport ändern, so seine Analyse. Und da seien die Verbände gefragt. «Gerade der Radsport aber ist für uns ein sehr positives Beispiel. Der Verband Swiss Cycling zieht voll mit, denn gemäss seiner Satzung kann bereits eine positive A-Probe eine Sperre nach sich ziehen.»
Aufholbedarf ortet Hintz ebenfalls bei der Meldepflicht der Athleten. Diese würde nicht immer eingehalten. Die Sportler müssten ihre Verbände jederzeit über ihren Standort informieren, um so für unangemeldete Kontrollen erreichbar zu sein.
Unter den Besten
Gemäss Hintz steht die Schweiz punkto Dopingbekämpfung international gut da. «Wir wissen aber auch, wo die Schwächen liegen», so Hintz. Ein Problem sei beispielsweise, dass (künstlich zugeführtes) EPO nur während einer sehr beschränkten Zeit im Körper nachweisbar sei. «Wir sind uns deshalb absolut bewusst, dass es sich bei den von uns durchgeführten Kontrollen nur um Stichproben handeln kann.»
Weiteres Problem: Der weltweite Kampf gegen Doping werde nicht überall gleich konsequent geführt.
Schon früherer Verdacht
Oscar Camenzind war schon 1999 unter Dopingverdacht geraten. Während der Tour de Suisse hatten Betreuer seines damaligen Teams Lampre einen Kehrichtsack mit Verpackungen von Medikamenten entsorgt, welche auf der Dopingliste standen. Darunter war auch EPO. Damals konnte den Lampre-Fahrern nichts nachgewiesen werden.
EPO: Energie ohne Ende
EPO ist ein Hormon, welches der Körper selber produziert. Wird es von aussen zugeführt, was intravenös geschieht, verbessert sich die Sauerstoff-Transportkapazität des Blutes. Das erhöht die Leistungsfähigkeit des EPO-gedopten Athleten markant.
Der letzte grosse Schweizer Dopingfall im Radsport war die Festina-Affäre an der Tour de France 1998. Damals hatten die drei Schweizer Radprofis Alex Zülle, Laurent Dufaux und Armin Meier, allesamt Mitglieder des Festina-Teams, den Missbrauchs von EPO und Wachstumshormonen gestanden.
Die Dopingsünder waren damals vom Schweizer Verband nach anfänglichem Zögern nur zu mehrmonatigen Sperren verurteilt worden, welche sie über den Winter absitzen konnten. Mit solcher Milde kann Camenzind heute nicht mehr rechnen.
swissinfo und Agenturen
Die Schweizer Fahrer im Olympischen Strassenrennen von nächstem Samstag:
Rubens Bertogliati, Fabian Cancellara, Martin Elmiger, Markus Zberg.
Zeitfahren: Fabian Cancellara und Rubens Bertogliati.
Swiss Cycling hat Gregory Rast als Ersatzfahrer für Camenzind nachnominiert.
Oscar Camenzind wurde 1971 in Schwyz geboren.
Debut als Radprofi 1996.
Teams: Panaria (1996), Mapei (1997 bis 1998), Lampre (1999 bis 2001), Phonak (seit 2002).
Palmares: Strassenweltmeister 1998 in Valkenburg (Ho), Sieger der Weltcuprennen Lombardei-Rundfahrt (1998) und Lüttich-Bastogne-Lüttich (2001) sowie Sieger der Tour de Suisse 2000.
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