Fall Moretti: historisches Urteil
Der Mafia-Anwalt ist zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Neben Geldwäscherei und Drogendelikten wurde er wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt.
Die Luganeser Richter haben damit erstmals den Gesetzes-Artikel 260ter angewendet.
Das Schwurgericht Lugano hat am Montagabend den 62-jährigen ehemaligen Tessiner Anwalt Francesco Moretti in einem der grössten Fälle von Geldwäscherei verurteilt. Moretti war im August 2000 verhaftet worden, nachdem in seiner Anwaltspraxis im Tessin 12 Mio. Franken beschlagnahmt worden waren.
Neben den 14 Jahren Zuchthaus muss er jetzt 50’000 Franken Busse bezahlen und wurde mit einem Berufsverbot von fünf Jahren belegt. Sämtliche sicher gestellten Guthaben – insgesamt 14 Mio. Franken – wurden eingezogen.
Anwalt als Mafia-Helfer
Der Tessiner Generalstaatsanwalt, Bruno Balestra, warf Moretti vor, ab 1993 bis zu seiner Verhaftung im Jahre 2000 als Geldwechsler und Berater für die italienische Mafia tätig gewesen zu sein. Hinzu kam die Finanzierung eines Kokainhandels von mehreren Tonnen.
«Das Urteil zeigt, dass wir nicht auf einer Insel leben: Es gibt bei uns (in der Schweiz) auch organisierte Kriminalität», sagte Balestra nach dem Urteil gegenüber SF DRS.
«Verwerflich und skrupellos»
Mit dem gefällten Verdikt folgte das Gericht weitgehend seinen Argumenten. Gerichtspräsidentin Agnese Balestra-Bianchi bezeichnete das Verhalten Morettis in der Urteilsbegründung als verwerflich und skrupellos.
Als Anwalt hätte er sich vom organisierten Verbrechen fernhalten müssen, mehr noch als ein einfacher Bürger, sagte sie. Die Beweise für seine Schuld seien mehr als genügend.
Artikel 260ter StGB
Zur Beteiligung an einer kriminellen Organisation – die laut Artikel 260ter des Strafgesetzbuches (StGB) bestraft wird – sagte Balestra-Bianchi, bereits die von ihm finanzierten 5,4 Tonnen Kokain wären bereits ausreichend gewesen, um ihn mit der dafür vorgesehenen Höchststrafe zu bestrafen.
Moretti habe die Gewissheit gehabt, dass es sich dabei um Drogenlieferungen der Mafia aus Venezuela handelte. Sobald das Geld
aus der Schweiz überwiesen wurde, sei in Venezuela das Schiff mit
dem Kokain losgefahren.
Moretti hatte während des zweiwöchigen Prozesses stets bestritten, 1993 in die Finanzierung dieses Transportes involviert gewesen zu sein. Weil er seit seiner Verhaftung im Jahre 2000 in Untersuchungshaft gesessen hat, muss er noch für gut ein Jahrzehnt hinter Gitter.
Historische Anwendung von Bertossas Erbe
Mit Moretti ist erstmals in der Schweiz ein Mafiahelfer wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation gemäss Artikel 260ter verurteilt worden. Dieser trat 1994 in Kraft und ist somit noch nicht zehn Jahre alt.
Eingeführt worden war er in Folge von Geldwäscherei- und Drogenhandel-Skandalen wie der «Pizza Connection», um im Kampf gegen das organisierte Verbrechen bessere Instrumente in der Hand zu haben
1998 hatte der Genfer Staatsanwalt Bernard Bertossa den gleichen Straftatbestand, auf den bis fünf Jahre Zuchthaus stehen, gegen den Russen Sergej Michailow ins Feld geführt. Michailow wurde allerdings frei gesprochen, und der Kanton Genf musste ihm über 800’000 Franken Genugtuung zahlen.
swissinfo und Agenturen
Die Geschichte von Artikel 260ter StGB
Der Artikel 260ter des Strafgesetz-Buches (StGB) wurde 1994 eingeführt und bestraft die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation mit bis zu 5 Jahren Zuchthaus.
Der Artikel fand erstmals im Prozess 1998 gegen den Russen Sergej Michailow in Genf Anwendung in einem Mafia-Prozess. Michailow wurde jedoch freigesprochen und erhielt eine Entschädigung von 800’000 Franken.
Die Verurteilung Morettis in Lugano zeigte jetzt, dass 260ter praxistauglich ist. Er ist der erste Angeklagte der in der Schweiz wegen Zugehörigkeit zur Mafia verurteilt wurde.
Art. 260ter StGB im Wortlaut:
Kriminelle Organisation
1. Wer sich an einer Organisation beteiligt, die ihren Aufbau und ihre personelle Zusammensetzung geheimhält und die den Zweck verfolgt, Gewaltverbrechen zu begehen oder sich mit verbrecherischen Mitteln zu bereichern, wer eine solche Organisation in ihrer verbrecherischen Tätigkeit unterstützt,
wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft.
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