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Ferien für Fussballmuffel

Leukerbad - eine Alternative zu den von Fussballfans dominierten Städten? Keystone

Nicht alle Bewohner der Host Cities der Fussball-Europameisterschaft 2008 freuen sich auf die Wochen im Banne des runden Leders.

Basel und Bern suchen für Fussballmuffel günstige Ferienangebote. Der Walliser Kurort Leukerbad wollte ihnen gar einen Gutschein von 100 Franken anbieten: abgelehnt!

Die Verantwortliche für die Euro 2008 der Stadt Zürich gibt sich betont zurückhaltend, um nicht vor lauter Entrüstung die Sprache zu verlieren: «Wir sind doch kein Ferienklub, und es ist nun wirklich nicht unsere Aufgabe, möglichst billige Angebote für unsere Einwohner zu finden», ereifert sich Daniela Leeb gegenüber swissinfo.

Doch gleichzeitig räumt sie ein: «Das Wohlbefinden der Bevölkerung liegt uns am Herzen, und wir tun alles, um während der Euro 2008 die Lärmemissionen aller grossen Veranstaltungen möglichst in Grenzen zu halten.»

In den Städten Zürich, Genf, Basel und Bern, wo während der Fussball-Europameisterschaft im kommenden Juni Spiele ausgetragen werden, sind die Vorbereitungen in die letzte Phase getreten. Und das Projekt, das Daniela Leeb dermassen entrüstet, wurde in Basel und Bern eingefädelt.

Gesucht: günstige Angebote

Die beiden Städte wollen ihre Einwohner, die in der Nähe von Fanmeilen während der Euro unter dem starken Lärm leiden könnten, nicht einfach hängen lassen. Sie sichern ihnen Unterstützung zu und muntern sie auf, Ferien zu machen.

«Die Verhandlungen mit den Bergregionen in den Kantonen Wallis und Graubünden dürften Ende Januar abgeschlossen sein. Wir werden zu diesem Zeitpunkt die nötigen Inserate schalten», erklärt Jakob Gubler, Pressesprecher des Delegierten der beiden Kantone Basel an der Euro 2008.

Das Gleiche gilt für Bern, wo auch die Behörden die Initiative lanciert haben. Die Idee, den fluchtwilligen Bewohnern auf die Sprünge zu helfen, fiel an der Aare zwar um einiges bescheidener aus als am Rhein.

«Es werden beispielsweise Tagesausflüge aufs Jungfraujoch, der Besuch einer Käserei oder dreitägige, geführte Wanderungen angeboten», präzisiert Marcel Brülhart, Projektleiter der Stadt und des Kantons. «Das sind Angebote, die wir normalerweise den Touristen vorbehalten.»

Gemäss den Verantwortlichen aller Host Cities bilden die Fussballmuffel jedoch eine Minderheit innerhalb der Bevölkerung. Etwa gleich ist der Anteil jener, die für die Euro drei Wochen Ferien nehmen, um ja nichts zu verpassen. Die Mehrheit der Leute jedoch wird ganz normal ihren Alltag leben und sich hie und da ein paar Ferientage gönnen, prophezeien die Pressesprecher.

Politisch heikel

Unter den Ferienorten, die von der Stadt Basel kontaktiert wurden, figuriert Leukerbad. «Wir haben von den Verantwortlichen von Basel Tourismus eine Anfrage erhalten und ihnen ein Angebot unterbreitet», bestätigt Marc Schwarz vom Tourismusbüro des Walliser Ferienorts.

Noch besser: «Wir hatten die Idee, jedem Bewohner einer Host City, der sich während der Euro 08 bei uns aufhalten würde, einen Gutschein von 100 Franken zu überreichen. Leider erhielten wir mit Ausnahme von Basel nur negative Reaktionen auf diesen Vorschlag», bedauert Marc Schwarz.

Warum diese Ablehnung? Der Verantwortliche von Sonderanlässen in Leukerbad schätzt, dass die Städte jeglichen Eindruck vermeiden wollten, sie würden die eigenen Bewohner «wegjagen». Eine solche Aktion werde als politisch heikel taxiert, erklärt der Walliser.

Tauschbörse in Genf

In Genf tönt es gleich wie in Zürich: «Das Vermitteln von Ferienangeboten gehört nicht zum Kerngeschäft der Verantwortlichen der Euro 08», stellt Pressesprecher Laurent Forestier klar.

Um die Befürchtungen der Leute zu zerstreuen, die an den neuralgischen Punkten wohnen, wurden Ende November öffentliche Informations-Veranstaltungen durchgeführt und gezielt rund 80’000 Informations-Broschüren verschickt.

«Wir haben zudem eine Tauschbörse für Wohnungen lanciert. Bewohner einer so genannten Festzone können ihre Wohnung mit Leuten vom Land tauschen, die während der Europameisterschaft gerne in die Stadt kommen möchten», erläutert Frédéric Hohl von der vom Kanton beauftragten Agentur für die Fandörfer. «Bislang wurde sie noch wenig in Anspruch genommen, doch im Falle einer plötzlichen Nachfrage sind wir bereit.»

Mit oder ohne Ohrenstöpsel, in der Stadt oder auf dem Land, das Fest sollte einfach schön sein.

swissinfo, Ariane Gigon, Zürich
(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

Die Fussball-Europameisterschaft 2008 wird vom 7. bis zum 29. Juni 2008 in der Schweiz und in Österreich stattfinden.

Basel, Genf, Bern und Zürich sind die vier Host Cities in der Schweiz.

Seit letztem Jahr informiert jede dieser Städte ihre Bewohner und ihre Geschäftsleute über die Konsequenzen dieser Grossveranstaltung betreffend Lärm, gesperrten Strassen oder speziellen Anlässen jeglicher Art.

Basel und Bern gehen noch weiter und bieten jenen Bewohnern günstige Ferien an, die starken Lärmemissionen ausgesetzt sind, weil sie beispielsweise in unmittelbarer Nähe der Festzonen wohnen.

Die Bevölkerung der Austragungsstädte Genf, Bern, Basel und Zürich wird aufgerufen, Zimmer und Wohnungen auf der Website www.sleep-in, die von der UEFA unterstützt wird, anzubieten.

Es gibt keine Tarifliste, Besucher und Gastgeber schreiben sich gratis ein, wenn sie «ein Bett, einen Zeltplatz, ein Haus oder ein Fancamp» suchen oder anbieten können und «sprechen sich untereinander ab», ganz nach dem Motto: «Was zählt ist Fairplay.»

Die Preise gehen von null bis 800 Franken in der Stadt Basel für den ganzen Monat Juni.

Die Stadt Zürich verfügt zudem über eine Plattform, wo private Untervermietungen zu finden sind. Die Angebote werden sporadisch überprüft.

Bern verfügt über einen «Markplatz» mit einem Angebot von Wohnungen und Zimmern, Basel verweist auf das «sleep-in» und auf bestehende Angebote, während Genf nur die Website «sleep-in» angibt.

Auf privater Seite ist die Site myeuro08.com von Fussball begeisterten Informatikern zu erwähnen, die Angebote von allen Interessierten annimmt, und ums.ch, eine Agentur für Untervermietungen, die seit 1992 existiert und auf ihrer Website ebenfalls eine Abteilung «Euro08» eröffnet hat.

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