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Flüchtlingsdrama in Afghanistan eskaliert

Flüchtlinge auf einem Lastwagen beim UNO-Büro in Kabul. Keystone

Die stärker werdenden Kämpfe in Afghanistan haben Zehntausende von Menschen in die Flucht getrieben. Laut Walter Kälin, dem UNO-Beauftragten für Binnenflüchtlinge, ist die Lage dramatisch.

Eine effiziente Hilfsarbeit sei praktisch nicht mehr möglich, sagt der Berner Völkerrechtsexperte, der soeben aus Afghanistan zurückgekehrt ist.

«Der Zugang für humanitäre Hilfsleistungen ist ein sehr grosses Problem, denn diese sind fast nicht mehr möglich», sagte Walter Kälin gegenüber swissinfo. «Hilfswerks-Mitarbeiter wurden angegriffen oder gar getötet, und momentan herrscht eine grosse Bedrohung durch Entführungen seitens der Aufständischen.»

Speziell jene Gebiete seien zu gefährlich geworden, in denen die afghanische Armee versuche, Sicherheit und Ordnung zu schaffen.

In Kabul nahm Kälin an einer von der UNO unterstützten Konferenz über den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten teil. Im Mittelpunkt des dreitägigen Treffens stand die Betroffenheit über Hunderte zivile Opfer und zahlreiche willkürliche Verhaftungen.

Der Berner Völkerrechtler erfuhr die instabile Lage am Hindukusch am eigenen Leib: Wegen zu grosser Risiken konnte er die Hauptstadt nicht verlassen, seine Gespräche mit Vertretern von Regierung und Hilfswerken über die Lage der intern Vertriebenen fanden alle in Kabul statt.

Dürre verschärft Problem

Zur Unsicherheit gesellt sich im Land eine Dürre: Gemäss UNO verliessen infolge grosser Trockenheit 2000/2001 rund 130’000 Afghanen ihre Dörfer und kehrten seither nicht mehr zurück.

Hinzu kamen all jene, die infolge militärischer Operationen im Süden, Südwesten und Zentrum des Landes ihre Häuser verlassen haben.

«Ihre Zahl wird auf 80’000 geschätzt, aber niemand weiss es genau, denn viele dieser Gebiete sind sowohl für Hilfswerke als auch die Regierung unzugänglich», so Kälin.

Alle am Konflikt Beteiligten müssten mehr tun, um Vertreibungen zu verhindern. Kälin fordert ebenfalls die vollumfängliche Einhaltung des internationalen humanitären Rechts.

Er hebt vor allem das Prinzip der Verhältnismässigkeit hervor. Die Aufständischen fordert Kälin auf, sich nicht unter die Zivilbevölkerung zu mischen. Die internationalen Streitkräfte ruft er auf, keine unverhältnismässigen Waffen einzusetzen, die oft zivile Opfer forderten.

Zwangsrückkehrer

Das Problem der intern Vertriebenen wird aktuell verschärft durch die neue Praxis der Nachbarn Iran und Pakistan, afghanische Flüchtlinge zurück zu schicken.

Eine Rückkehr ist aber überall dort nicht möglich, wo die Sicherheit der Menschen nicht gewährleistet ist. Sind die Risiken zu hoch, enden die Rückkehrer als intern Vertriebene in den wachsenden Städten.

Die Rückkehr der rund drei Millionen Afghanen, die in Nachbarländern lebten, müsse gestaffelt geschehen, sagt Kälin.

Klarer Auftrag

Von der UNO und der afghanischen Regierung verlangt Kälin jetzt einen Bericht, der ein genaues Bild über die Lage der intern Vertriebenen zeichnet, sowie die Einigung auf eine kohärente Strategie zur Lösung des Problems.

«Was in diesem Land fehlt, ist eine klare Strategie, was unternommen werden kann und wie dies unter den schwierigen aktuellen Bedingungen geschehen könnte», lautet die Analyse Kälins.

swissinfo, Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Künzi)

Seit Beginn der grossen Rückkehr-Bewegung in Afghanistan 2002 sind über 4,8 Mio. Einwohner wieder in ihre Heimat zurückgekehrt, meist aus Iran und Pakistan.

Hinzu kommen weitere 500’000 Rückkehrer aus anderen Ländern.

Schätzungsweise 3,5 Mio. Afghanen befinden sich immer noch in Iran und Pakistan.

In Afghanistan setzt sich das UNHCR für den Schutz und die Repatriierung von Flüchtlingen ein.

Das UNHCR hat das Mandat, dauerhafte Lösungen für Flüchtlinge zu finden. Dazu gehören die freiwillige Rückkehr, die Integration im Aufnahmeland und die Neuansiedlung in einem Drittland.

In zahlreichen Ländern betreibt das UNHCR humanitäre Hilfsprogramme für Flüchtlinge, Binnenvertriebene und Rückkehrer.

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