Frauen sorgen für frisches Ambiente
Die Anwesenheit von mehr Frauen und Familien in Fussball-Stadien hat sich positiv auf das Verhalten von rivalisierenden Fans ausgewirkt. Und auch geholfen, die Gewalt zu verringern.
Zahlreiche Schweizer Fussball-Stadien sind in den vergangenen Jahren renoviert worden. Einige mit Blick auf die Euro 08 – mit Blick auf einen anderen Zuschauertypus, der vermehrt auf Komfort schaut. Ein Club zielt sogar auf spezifische Frauentage.
Im Vergleich mit anderen Ländern hielt sich in der Schweiz die Gewalt in Fussballstadien in Grenzen, doch gab es schwarze Momente, wie jüngst in Bern und Basel – ausgerechnet einen Monat vor Euro-08-Beginn.
Schon vor zwei Jahren waren im Mai Fans der Clubs von Zürich und Basel am Ende der Meisterschaften aneinandergeraten.
Die Frauen kommen
Doch immer mehr Frauen begeistern sich für Fussball, sowohl als Spielerinnen wie auch als Zuschauerinnen. Und die einst stark Männer-dominierte Atmosphäre an Fussball-Spielen habe sich aufgeweicht, so die Schweizer Fussball-Forscherin Marianne Meier.
Meier, Historikerin und Politologin, arbeitet in Biel bei der Swiss Academy for Development und befasst sich mit Genderforschung, Sport und Entwicklung.
Obschon ein kleiner Bestand an Hardcore Fans weiterhin für Zoff sorgen werde, koste es was es wolle, glaubt Meier, dass sich Männer mit ihren emotionalen Ausbrüchen eher zurückhalten, wenn Frauen und Kinder dabei sind.
«Je mehr Frauen und Kinder in Stadien zuschauen», sagt sie gegenüber swissinfo, «desto stärker werden die Aggressionen eingedämmt, weil sich die Männer anders verhalten». Sie möchten ja nicht, dass Frauen und Kinder verletzt werden, und würden sich entsprechend weniger schlecht benehmen.
«Es lässt sich nachweisen, dass weibliche Präsenz Gewalt und Hooliganismus verringert und zu einer entspannteren Atmosphäre beitragen», ist Meier überzeugt.
Weibliche Hardcore-Fans sind resistent
Meiers Ansichten werden unterstützt von Jörg Häfeli, Dozent an der Hochschule für Soziale Arbeit Luzern. Er präsidiert die Fan-Kommission, die der Schweizerische Fussballverband SFL nach den Krawallen von 2006 ins Leben gerufen hat.
«Frauen beeinflussen die Atmosphäre positiv, und zwar überall, sowohl im Fussball als auch in Spiel-Casinos», sagt er gegenüber swissinfo.
Es sei jedoch wichtig, zwischen Hardcore- und Normal-Fans zu unterscheiden. «In Österreich wurde versucht, mit weiblichen Hardcore-Fans zusammen zu arbeiten, um die Gewaltbereitschaft zu entschärfen. Doch es hat nicht funktioniert.»
Noch gibt es keine offizielle Studie zur Anzahl Frauen, die Fussball-Spiele besuchen. Häfeli schätzt, dass rund ein Drittel der Fans weiblich sind. Zumindest in den renovierten Stadien, in denen es bessere Sitzgelegenheiten, Toiletten, Ess- und Familienzonen gibt als in den verbliebenen 25% alten Stadien.
Frauensichere Euro 08
Marianne Meier berät Polizei und Behörde über Sicherheitsaspekte im Vorfeld der Euro 08, die im Juni von der Schweiz zusammen mit Österreich veranstaltet wird.
Sie ist überzeugt, dass die EM für Frauen kein spezifisches Sicherheits-Risiko darstellt.
«Gegenüber früheren Fussball-Anlässen besteht heute der grosse Vorteil darin, dass jedes Land seine Hooligan-Szene kennt und weiss, wer gewalttätig wird», sagt Meier.
«Es bestehen heute Gesetze, mit denen man Hooligans festhalten und davon abhalten kann, ins Ausland zu reisen. Gefährliche Individuen werden deshalb schon gar nicht bis in die Schweiz kommen.»
«Die Frauen können die Wettkämpfe also ruhig besuchen kommen und sich gleichzeitig einer sehr guten Atmosphäre erfreuen.»
swissinfo, Matthew Allen
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
Mit dem vermehrten Zuschauen ist bei den Frauen auch das Interesse gewachsen, selbst Fussball zu spielen.
Die Zahl von Fussball spielenden Frauen hat sich in den letzten 5 Jahren in der Schweiz nahezu verdreifacht, von 8000 im Jahr 2003 auf über 20’000 im laufenden Jahr.
Offiziell organisierten Frauen-Fussball gibt es in der Schweiz seit 1970.
In der ersten Saison 1970/71 gab es 270 lizentierte Spielerinnen, die in 18 Clubs spielten.
Heute sind es 799 Clubs.
1993 löste sich der separate Frauen-Fussballverband auf und wurde in den Schweizerischen Fussball-Verband integriert.
Das Frauen-Nationalteam rangiert weltweit auf Platz 28 und hofft, sich 2009 für die Europameisterschaft in Finnland zu qualifizieren.
Die Schweiz und Österreich konnten sich automatisch als Co-Veranstalterländer der Europameisterschaft 2008 qualifizieren. Sie findet vom 7. bis 29. Juni statt.
Die 31 Matchs werden in vier Schweizer und vier östereichischen Städten ausgetragen: Basel, Bern, Genf, Zürich, Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg und Wien.
Das Finale findet am 29. Juni in Wien statt. Ab 19. Juni werden drei der Sieger-Spiele in Basel ausgetragen.
Schätzungsweise bis 5,4 Mio. Fussball-Fans dürften die Spiele in der Schweiz verfolgen, davon 1,4 Millionen aus dem Ausland.
Die schweizerischen Sicherheitsbehörden verfolgen eine Drei-Prioritäten-Strategie: Dialog, Deeskalation und Intervention. Dieser Plan ist von einer unabhängigen Beobachtergruppe im Februar angenommen worden.
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