French Open und Nadal – ewige Stolpersteine Federers
Roger Federer will unbedingt das French Open gewinnen - den einzigen Grand-Slam-Titel, der ihm in seiner glanzvollen Karriere noch fehlt. Aber der vierfache Sieger Rafael Nadal wird erneut ein grosses Hindernis auf dem Weg zur Roland-Garros-Trophäe sein.
Dieses Jahr startet Roger Federer mit besonders grosser Motivation ins Turnier Roland-Garros, die French Open in Paris. Nach einem schwierigen Saisonauftakt, geprägt von einer traumatischen Niederlage im Australian-Open-Final gegen Rafael Nadal, will die Nummer 2 des Welttennis beweisen, dass Spekulationen über einen Niedergang Federers fehl am Platz sind.
Am vergangenen Wochenende besiegte Federer seinen grossen spanischen Rivalen im Masters-1000-Turnier von Madrid ausgerechnet auf Nadals geliebtem Sand- und erst noch Heimatboden.
Der Schweizer zeigte sich nach dem Finalsieg gegen seinen Angstgegner und dem Gewinn des ersten Titels in diesem Jahr höchst zufrieden. «Nach den äusserst harten Niederlagen in dieser Saison kam ein solcher Sieg just im richtigen Moment. Ich habe extrem hart gearbeitet, und das zahlte sich aus.»
Paris ist nicht Madrid
Der Erfolg in Madrid hat der Nummer 2 hinsichtlich des French Open Flügel verleiht. «Ich bin ganz ungeduldig, bis Roland-Garros beginnt. Vor einigen Wochen musste ich mich noch fragen, ob ich in Paris überhaupt gewinnen kann. Jetzt hat sich offensichtlich alles verändert.»
Aber der Baselbieter ist sich bewusst, dass seine Mission in Paris sehr schwierig sein wird. Denn Rafael Nadal bleibt der logische Favorit für die eigene Nachfolge.
«Schon vor zwei Jahren in Hamburg hatte ich einer unglaublichen Serie von Siegen Nadals auf Sand ein Ende bereitet (81, die Red.). Das hat ihn aber nicht beeindruckt. Er holte sich die Siege einfach wieder. In Paris trifft er mit drei Siegen auf Sand ein, Monaco, Barcelona und Rom. Es ist schlicht und einfach seine beste Saison auf Sand», so Federer.
Auch Experten sprechen von einer schweren Herausforderung für den Schweizer. «Paris wird völlig anders sein als Madrid», sagt René Stauffer, Journalist beim Zürcher Tages-Anzeiger und Biograf von Roger Federer.
Das Hoheitsgebiet Nadals
«In Paris sind die Ballwechsel viel langsamer als in Madrid», sagt Stauffer. Je geringer die Höhe über Meer, desto langsamer fliegt der Tennisball. Dies hat verlängerte Ballwechsel zu Folge, die Nadal, einen Spieler von ausserordentlicher physischer Kraft, bevorteilen.
«Roland-Garros ist das Hoheitsgebiet von Rafael Nadal», fährt Stauffer fort. «Erinnern Sie sich, Federer konnte im letztjährigen Final lediglich vier Games für sich entscheiden.» (Nadal gewann 6:1, 6:3, 6:0, die Red.). In der Zwischenzeit haben sich die Voraussetzungen bei den beiden Spielern nicht geändert. Ich würde Federer also nicht auf die gleiche Stufe wie Nadal setzen.»
Was muss Federer, der bereits dreimal in Folge den Final in Roland-Garros verloren hat, also tun, um endlich als Sieger des French Open hervorzugehen? «Er muss an seine Chancen glauben. Er hat offenbar wieder Selbstvertrauen gefasst, das ist schon ein positiver Punkt», glaubt der Federer-Kenner.
Taktik und Vertrauen zurückgewonnnen
«Wenn Federer gegen Nadal spielt, muss er seine Möglichkeiten besser nutzen. Ich erinnere mich an Sets, in denen er bis zu acht Break-Bälle hatte und keinen einzigen davon verwerten konnte.»
Letztes Jahr habe der Basler in Paris enorm viele entscheidende Momente nicht zu seinen Gunsten drehen können. «Das darf man sich gegen einen Spieler wie Nadal nicht leisten», sagt Stauffer. «In Madrid war das anders. Federer hatte zwei Breakbälle, die er beide verwertete. Das machte schliesslich den Unterschied aus.»
In Madrid habe Federer das volle Vertrauen in sein Spiel wieder gefunden, dank einer extrem soliden Taktik. «Er varierte die Schläge wie niemals zuvor. Er spielte aggressiv und ging oft ans Netz. Er spielte kurze Bälle, und es gelangen ihm Stoppbälle. Nadal wusste nie, was zu erwarten war. Federer fühlte sich sichtbar in Form», so der Experte.
Rafael Nadal – mit seiner eindrücklichen Statistik von 25 Siegen und nur 2 Niederlagen in Finals auf Sand – ist seinerseits der Ansicht, dass seine Niederlage gegen Federer in Madrid keinen grossen Einfluss auf Roland-Garros haben wird. «Für mich sind diese beiden Turniere total verschieden. In Madrid spielt man praktisch auf einer anderen Unterlage als in Paris», sagt der Mallorquiner.
Vertauschte Rollen?
«Federer hat das Potenzial, in Paris und überall auf der Welt zu gewinnen. Er hat dies während seiner ganzen Karriere bewiesen. Aber Roland Garros beginnt mit der ersten Runde und nicht mit dem Final. Wenn Sie behaupten, ich würde erneut im Final gegen ihn stehen, dann zeigen Sie mir das Papier, damit ich es unterzeichnen kann!», sagt Nadal.
Es ist ein Charakterzug des bescheiden auftretenden Weltranglisten-Ersten, dass er sich stets sehr respektvoll über seine Gegner im Allgemeinen und über Roger Federer im Besonderen äussert.
2006 und 2007 hatte Nadal Federer daran gehindert, den historischen Grand Slam zu realisieren, sprich die vier grössten Turniere des Jahres zu gewinnen. Ein Exploit, den seit 1969 kein Tennisspieler mehr erreichte. Rod Laver war dies vor 30 Jahren als letztem gelungen.
2009 ist die Ausgangslage anders. Nadal ist die Nummer 1 der Welt, und er hat Federer im Wimbledon-Final 2008 und im Australian-Open-Final in diesem Jahr geschlagen. Werden die Rollen jetzt für einmal vertauscht, auch wenn es auf Pariser Sand ist?
Thomas Stephens und Samuel Jaberg, swissinfo.ch
Richtig und falsch. Ein Spieler, der die vier grössten Turniere – Australian Open, Roland Garros, Wimbledon und US Open – gewinnt, holt sich den Grand Slam. Ein «richtiger» Grand Slam ist es erst, wenn der Spieler diese vier Turniere im gleichen Jahr gewinnt.
Rod Laver ist der einzige Tennisspieler der Open Ära (nach 1968), der sich den «richtigen» Gran Slam holte. Das war 1969. André Agassi gewann auch alle grossen Turniere in einer Folge, aber nicht im selben Jahr.
Grand-Slam-Einzeltitel. Pete Sampras hat mit 14 Titeln am meisten Grand-Slam-Turniere gewonnen. Dahinter folgen Roger Federer (13), Björn Borg (11) sowie André Agassi, Jimmy Connors und Ivan Lendl (je 8).
Geschichte. Die Internationalen Meisterschaften von Frankreich gibt es seit 1928. Schauplatz ist das Stadion Roland-Garros in Paris. Roland Garros war ein berühmter französischer Aviatiker, der im Ersten Weltkrieg starb. Das French Open findet jeweils Ende Mai/Anfang Juni statt.
Prämien. Roland-Garros ist mit über einer Million Euro für den Einzel-Sieger das höchst dotierte Grand-Slam-Turnier. 2007 wurde die Prämiengleichheit für beide Geschlechter eingeführt. Insgesamt werden mehr als 16 Mio. Euro Prämiengelder an die Spielerinnen und Spieler verteilt.
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