Friseurbesuch in Damaskus
Es war wie in Mani Matters Berner Chanson "Bym Coiffeur bini gsässe, vorem Spiegel luege dry….". Allerdings musste ich geraume Zeit warten, bis ich im Coiffeursalon vor dem Spiegel Platz nehmen konnte. Ein kurzer Abriss eines Friseurbesuchs in Damaskus.
Die Festtage standen vor der Tür, das Ende meines Praktikums näherte sich, die Botschaft hatte zum Weihnachtsempfang geladen. Für einmal wollte ich es den modebewussten Syrerinnen gleich tun und mich beim Friseur schick machen.
In Syrien, zumindest in den grösseren Städten, ist es Gang und Gäbe, sich für einen festlichen Anlass – Hochzeit, Geburtstag oder schlicht das Wochenende – herauszuputzen.
Dazu gehören nebst den obligaten zwei Stunden (mindestens) beim Friseur ein Besuch im Hammam (öffentliches Badehaus), das Aufsuchen eines Nägel-, Wachs- und Schminkstudios und noch vieles mehr. Ich belasse es bei ersterem und mache mich auf die Suche nach einem sympathischen Friseursalon.
Henna? Wir sind doch nicht altmodisch
Um für einmal dem würzig-grasig duftenden, rot-braune Spuren hinterlassenden Prozedere der Henna-Selbst-Applikation zu entkommen, will ich mir die Haare gleich auch noch mit Henna färben lassen. Doch das sollte nicht so einfach werden…
«Schu, henne?!», fragen, die Friseure – fast ausschliesslich Männer – erstaunt. «Du willst Henna? Aber wir haben doch hier auch chemische Färbemittel!», rufen sie, um dann bedauernd anzufügen, dass Henna bei ihnen leider nicht möglich sei, da es ihren Abfluss verstopfe.
Ich muss also auf die kleinen Lokale in den verwinkelten Gassen der Altstadt verzichten und suche einen grösseren Salon in einem modernen Viertel auf.
Dolce Vita prangt leuchtend über dem Eingang – wenn das nicht vielversprechend ist. «Henna? Haben wir, kein Problem. Jaja, Sie kommen gleich dran.»
Schneiden ist Chefsache
Vor mir warten noch zwei Frauen. Eine sitzt bereits vor dem Spiegel, vier junge Männer in trendigen T-Shirts arbeiten. Das geht bestimmt schnell, denk ich mir.
Doch weit gefehlt. Das Arbeitsprozedere verläuft nach anderen Regeln als bei uns: Der eine ist für’s Haarewaschen verantwortlich, ein anderer für’s Kämmen und Vorbereiten und ein weiterer für’s Föhnen. Jeder darf bloss seinen Arbeitsschritt ausführen, ein hochspezialisierter Arbeitsablauf.
So kommt es, dass der Chef ständig von einer zur nächsten Frau springt, hier die Spitzen schneidet, dort künstliche Mèchesträhnchen in die Haare knüpft und der dritten Frau einen neuen Pony verpasst, während die anderen drei Jungs darum herumstehen und – mehr oder weniger – interessiert zuschauen.
Ich kann das Treiben gute eineinhalb Stunden beobachten – und amüsiere mich köstlich. Dann bin ich an der Reihe.
Ein freundlich grinsender «Männerchor»
Erst mal werden mir die Haare gewaschen. Dazu kriege ich eine wunderbare Kopfmassage. Anschliessend werden die Haare angetrocknet.
Schliesslich sitze ich auf Mani Matters viel besungenem Stuhl vor dem Spiegel. Im Spiegellabyrinth grinsen mich drei junge Männer an, die mein Haar unter den Auspizien ihres Chefs gekonnt mit Henna bepinseln. Welch angenehme Prozedur verglichen mit der Selbst-Applikation.
Während des Einwirken-Lassens beobachte ich eine Nachbarin, deren Haare bedrohlich unter einer Wärmehaube hervordampfen. Was denn so rauche, erkundige ich mich neugierig. «Eine Pflegekur», antwortet sie stolz. Es sieht mir allerdings eher nach einer zusätzlichen Haarstrapaze aus – zusätzlich zu Smog und den allgegenwärtigen Abgasen.
Vierfache Kopfmassage
Schliesslich wäscht der Haarewascher das Henna aus meinem Haar und massiert meine Kopfhaut. Vier Mal darf ich das angenehme Prozedere über mich ergehen lassen, bevor ich den Schneidekünsten des Chefs übergeben werde.
Dieser beherrscht sein Handwerk ausgezeichnet und übersetzt meine in bruchstückhaftem Arabisch geäusserten Wünsche kurzerhand in einen modischen Haarschnitt.
Schliesslich föhnt der Stylist meine widerspenstigen Haare Strähne um Strähne glatt und legt sie gekonnt in Form. Mit ein wenig Spray wird das Kunstwerk fixiert, allerdings nicht, bevor der Chef es ein letztes Mal eingehend begutachtet und einige Strähnen gerade gezupft hat.
Das macht er immer, der Chef, schliesslich ist jede Haarpracht, die aus seinem Salon herausspaziert, sein Werk.
Dolce Vita pur
Zufrieden stehen die Männer um mich herum und begutachten ihr Werk. 10 Schweizer Franken kostet Waschen, Schneiden, Legen. 25 sind es, wenn das von Einheimischen verschmähte und somit für mich exklusiv beschaffte Henna dazu kommt.
Ich bin eine von mehreren Dutzend Frauen, die sie heute für das Wochenende gestylt haben. Gute zwei Stunden bin ich in den Genuss des Friseur-Erlebnisses gekommen, mit Wartezeit muss Frau einen halben Tag einplanen.
Eine Welt ganz für sich, eine, wo für einmal kaum Berührungsängste zwischen Männern und Frauen bestehen. Ein bisschen Dolce Vita eben.
Franziska Sigrist, Damaskus, swissinfo.ch
Immer häufiger reisen auch junge Leute für längere Zeit ins Ausland, sei das zum Studieren, Forschen oder für ein Stage.
Franziska Sigrist ist 27 Jahre alt. Sie hat an den Universitäten Bern und Bordeaux Politik-Wissenschaften und internationales Recht studiert und im Frühsommer 2008 abgeschlossen.
Anschliessend bereiste sie mit ihrem Freund in einem Camper während einem Jahr den Nahen und Mittleren Osten (Türkei, Syrien, Jordanien, Iran).
Ab September bis Dezember 2009 absolviert sie bei der Schweizer Botschaft in Damaskus ein Praktikum.
Auch in früheren Jahren verbrachte sie längere Zeit im Ausland: 2006 für sechs Monate in Äthiopien, wo sie für ihre Lizentiatsarbeit zum Thema «Nachhaltige Wasserpolitik» forschte und zwei Praktika (Unicef, NGO WaterAid) machte.
2005 war Franziska Sigrist zu einem Menschenrechts-Einsatz in Mexiko und 2004 für ein Praktikum im Bereich der Internationalen Entwicklungs-Zusammenarbeit in Bonn.
Nebst ihrer Muttersprache Deutsch spricht Franziska Sigrist Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und lernt nun Arabisch. Sie fotografiert auch gerne und spielt Klavier.
E-Mail-Adresse: franziska.sigrist@sunrise.ch
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