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Fünf Fragen – fünf Antworten zum Osthilfegesetz

Pläne des Star-Architekten Daniel Libeskind für die polnische Hauptstadt Warschau. Keystone

Unter den zahlreichen Aspekten, die im Zusammenhang mit dem Osthilfegesetz im Zentrum stehen, hier die fünf wichtigsten. Das neue Osthilfegesetz kommt am 26. November zur Abstimmung.

Ein Versuch einer ausgeglichenen Antwort auf die Fragen der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.

1. Das Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas («Osthilfegesetz») öffnet die Türe für immer weitere Zahlungen an neue EU-Länder im Osten.

Das Gesetz gibt den Rahmen für die Fortführung der Hilfe an die Oststaaten. Und zwar an jene der Gemeinschaft GUS und der neuen Mitgliedsstaaten der EU. Anhaltspunkte über die Höhe der Beiträge gibt es jedoch keine.

In der Absichtserklärung zwischen der Schweiz und der EU bleibt der Kreis der Nutzniesser eingeschränkt auf die zehn Länder, die am 1. Mai 2004 zur EU gestossen sind. Die vereinbarte Summe beläuft sich auf eine Milliarde Franken.

Die Erklärung ist völkerrechtlich nicht verbindlich. Die Schweiz verpflichtet sich über die so genannte «Kohäsionsmilliarde» hinaus zu nichts. Das Gesetzt jedoch lässt weitere Beiträge offen. So spricht man von weiteren Kohäsions-Beiträgen im Rahmen von 350 Mio. Franken für Bulgarien und Rumänien, die beide an der Schwelle des EU-Beitritts stehen.

Jedenfalls ist das Gesetz in seiner Gültigkeit auf zehn Jahre beschränkt. Aus der Umschreibung der Länder, die für diese Beiträge in Frage kommen, ergibt sich, dass das Gesetz nicht für weitere Länder wie zum Beispiel die Türkei angewendet werden kann, falls auch diese zur EU stossen sollte.

2. Wird das Osthilfegesetz angenommen, kann sich das Stimmvolk nicht mehr zu weiteren Beiträgen an Ostländer, die zur EU stossen, äussern.

Einmal zugelassen, kann das Gesetz nicht mehr per Referendum angefochten werden. Ein neuer Kredit jedoch, zum Beispiel für Bulgarien oder Rumänien, muss im Parlament debattiert und von diesem angenommen werden.

Da die Schweizer Verfassung kein Finanz-Referendum vorsieht, wäre der Finanzierungs-Erlass ebenfalls nicht dem Referendum unterstellt.

3. Die Gelder, die in die neuen EU-Länder im Osten fliessen, werden den Mitteln abgezogen, die für Entwicklungshilfe vorgesehen sind.

Zu Beginn der Debatte um die «Kohäsionsmilliarde» haben viele Menschenrechts-Organisationen befürchtet, dass die Beiträge an die Ostländer auf Kosten der Gelder für Entwicklungshilfe erfolgen.

Das Projekt der Regierung nimmt zumindest teilweise Rücksicht auf diese Befürchtungen. 400 Mio. Franken dürften aus der Besteuerung der Gelder stammen, die EU-Bürger in der Schweiz angelegt haben (Zinsbesteuerung).

Weitere 600 Mio. dürften im Aussenministerium (EDA) und dem Volkswirtschafts-Departement (EVD) kompensiert werden. Entsprechende Kürzungen sind bei den für Russland, Rumänien und Bulgarien geplanten Beiträgen vorgesehen.

Diese drei Länder sind keine Entwicklungsländer im Sinne der OECD. Auch wenn sie von den entsprechenden Beiträgen der Schweiz ausgeschlossen würden, verbliebe die Summe von 45 bis 50 Mio. Franken, die bei den Entwicklungsländern selbst eingespart würde.

Deshalb möchte das Parlament bei den Aussen- und Volkswirtschafts-Ministerien nur 500 Mio. Franken kompensieren lassen.

4. Ein Nein zum neuen Osthilfegesetz würde die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU in Gefahr bringen.

Streng rechtlich gesehen hat die Schweiz keinen bindenden Vertrag mit der EU betreffend Überweisung der «Kohäsionsmilliarde» geschlossen. Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission, hat jedoch durchblicken lassen, dass ein Nein der Schweiz sehr negativ aufgenommen würde.

Mit anderen Worten, zu erwarten wäre eine verminderte Kompromiss-Bereitschaft seitens von Brüssel in Sachen bilaterale Verträge. Auch für Schweizer Unternehmen, die in Osteuropa tätig sind, dürften sich gewisse Türen schliessen.

Dennoch: Die bilateralen Beziehungen hängen von den Interessen beider Parteien ab, eine gemeinsame Verständigungs-Plattform zu finden. Sowohl die Schweiz wie auch die EU sind weiterhin auf eine gute Zusammenarbeit angewiesen.

5. Die Schweizer Unternehmen ziehen Nutzen aus der Hilfe an die neuen EU-Länder im Osten Europas.

Die bilaterale Kooperation mit den neuen Ländern der EU führt auch zu neuen Aufträgen für die Schweiz. Laut dem Aussenministerium haben Schweizer Unternehmen seit 1990 ein Auftragsvolumen von 780 Mio. Franken im Bereich der Erneuerung der Infrastrukturen der Länder Osteuropas erhalten, die den Weg vom Kommunismus in eine martwirtschaftlich geprägte Demokratie machen (Transitionsländer).

Ein finanzielles Engagement des Bundes könnte auch den Zugang der Schweizer Unternehmen zu den Ausschreibungen der Entwicklungs- und Infrastruktur-Kreditinstitute im Bereich der EU-Kohäsions-Projekte erleichtern.

Die Schweizerische Volkswirtschaft ist heute schon in Osteuropa präsent. Obschon der Warenhandel mit dieser Weltregion momentan nur 3% des gesamten Handels der Schweiz ausmacht, ist er doch grösser als jener mit China.

Diese Handelsströme würden auch nach einem Nein zur «Kohäsionsmilliarde» nicht zum Erliegen kommen. Aber das Ansehen der Schweizer Firmen könnte Schaden nehmen.

swissinfo, Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Italienischen: Alexander Künzle)

Seit dem Fall der Berliner Mauer unterstützt die Schweiz die demokratischen und wirtschaftlichen Reformen im Osten Europas. Rechtlich ist diese Hilfe im Osthilfegesetz festgehalten. Dieses läuft 2008 aus.

Mit dem auf zehn Jahre befristeten neuen Osthilfegesetz soll die Unterstützung der Reformen in den Ländern Osteuropas ausserhalb der Europäischen Union weitergeführt werden.

Neu will die Schweiz mit einem Kohäsions-Beitrag dabei helfen, die wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU abzubauen.

Die Zahlungen sollen innerhalb des Budgets kompensiert werden. Der Bund macht laut Angaben der Landesregierung keine zusätzlichen Schulden und belastet die Steuerzahlenden nicht zusätzlich.

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