Für Strafnorm gegen Mädchen-Beschneidung
Genital-Verstümmelung gibt es nicht nur in Afrika. Durch die Migration sehen sich namentlich Ärzte auch in der Schweiz mit beschnittenen Mädchen und Frauen konfrontiert.
UNICEF Schweiz ruft am Internationalen Tag der Frau am 8. März zum Aktionstag im Kampf gegen Mädchen-Beschneidung auf.
Das Schweizerische Komitee des UNO-Kinderhilfswerks UNICEF hat ein neues Rechtsgutachten präsentiert, mit dem es seine Forderung nach Einführung einer Strafnorm unterstreicht, um die Beschneidung von Mädchen und Frauen in der Schweiz ausdrücklich zu verbieten.
Weltweit seien rund 130 Millionen Mädchen und Frauen betroffen, jedes Jahr würden weitere drei Millionen Mädchen, meist im Alter zwischen vier und zwölf Jahren, an ihren Geschlechtsteilen beschnitten.
Elsbeth Müller, Geschäftsführerin von UNICEF Schweiz, verspricht sich von einem expliziten Verbot der Mädchen-Beschneidung im Schweizerischen Strafgesetzbuch einerseits eine präventive Wirkung, andererseits eine Begriffsklärung.
«Mädchen-Beschneidung ist eine Verletzung des Menschenrechts auf einen unversehrten Körpers», führt Elsbeth Müller gegenüber swissinfo aus und hält fest: «Es ist eine Verstümmelung, und das darf nicht geduldet werden.»
Handbuch für medizinisches Personal
UNICEF Schweiz engagiert sich seit Jahren im Kampf gegen die äusserst schmerzhafte Praxis der Beschneidung der weiblichen Genitalien. Die Verletzung hat oft traumatische Folgen und verursacht bei den Frauen meist lebenslänglich Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und Komplikationen bei Geburten.
So hat das Kinderhilfswerk in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen ein Handbuch für das medizinische Personal für den Umgang mit beschnittenen Frauen und Mädchen erstellt.
Beschneidungen finden auch in der Schweiz statt
Die Beschneidung entspricht in vielen afrikanischen Ländern einer kulturellen Tradition. Unbeschnittene Mädchen gelten als nicht heiratsfähig. UNICEF Schweiz unterstützt erfolgreiche Aufklärungskampagnen in Burkina Faso, Somalia und Gambia.
Dem Vorwurf, sich in eine fremde Kultur einzumischen, hält Elsbeth Müller entgegen: «Alle Kulturen tragen in sich die Unversehrtheit des Körpers. Die Beschneidung ist über die Jahrtausende zu etwas geworden, das einzig gesundheitliche Probleme verursacht, zum Tod des Mädchens oder der beschnittenen Mutter bei der Niederkunft führen kann.»
Wegen der Zuwanderung aus Afrika ist die Mädchen-Beschneidung auch in Europa zu einem Thema geworden. In Belgien, Dänemark, Frankreich, Grossbritannien, Norwegen, Österreich, Schweden und Spanien ist sie verboten.
Allein in der Schweiz leben laut Schätzungen von UNICEF gegen 7000 beschnittene Mädchen und Frauen. Gemäss dem Kinderhilfswerk sind die Mädchen in der Schweiz nur ungenügend geschützt.
«Diese Beschneidungen werden in der Schweiz nicht von Ärzten in Spitälern ausgeführt, sondern geschehen im Verborgenen», sagt Elsbeth Müller. Entweder würden die Mädchen dafür ins Ausland gebracht, oder Beschneiderinnen reisten in die Schweiz ein und danach gleich wieder aus.
Parlamentarischer Vorstoss
Humanitäre Organisationen verlangen seit Jahren, dass Mädchen und jungen Frauen, denen diese Gefahr in ihrem Ursprungsland droht, in der Schweiz Asyl zu gewähren sei.
«Als Asylgrund gilt heute eine drohende Beschneidung zwar nicht», erklärt Elsbeth Mülller, «aber eine Ausschaffung kann aufgeschoben werden».
Im vergangenen Dezember hat die nationalrätliche Rechtskommission beschlossen, auf eine parlamentarische Initiative für ein Verbot der weiblichen Genital-Verstümmelung einzutreten.
Die Initiative verlangt neben der Strafverfolgung von Personen, die Beschneidungen in der Schweiz vornehmen oder unterstützen, auch, dass jene belangt werden, die eine Beschneidung im Ausland unterstützen.
In einem Rechtsgutachten kommt UNICEF zum Schluss, dass zwei Formen der Beschneidung, die Infibulation und die Exzision, dem Tatbestand der schweren Körperverletzung entspricht. Zwei andere Formen der Beschneidung, gelten jedoch lediglich als «qualifizierte einfache Körperverletzung».
Daher unterstützt UNICEF Schweiz den parlamentarischen Vorstoss, der ein explizites Verbot der Mädchen-Beschneidung im Gesetz fordert. Deren ausdrückliche Erwähnung hätte eine Signalwirkung im Kampf gegen die Mädchen-Beschneidung.
swissinfo, Susanne Schanda
Häufigste Verbreitung der Mädchen-Beschneidung (laut UNICEF):
Guinea: 99% (Beschneidung seit 2002 gesetzlich verboten)
Ägypten: 97% (seit 1996 gesetzlich verboten)
Mali: 92% (als Körperverletzung strafbar)
Somalia: rund 90%
Sudan: 90%
Eritrea: 89%
Äthiopien: 80% (laut Verfassung verboten)
Der 8. März wurde 1975 von der UNO zum Internationalen Frauentag erklärt.
Frauenorganisationen machen jedes Jahr an diesem Aktionstag auf die soziale, politische und rechtliche Situation der Frauen aufmerksam.
Auch die Schweiz engagiert sich: Eine Delegation des Nationalrats forderte vor der UNO-Kommission über den Status der Frau, dass Kinder und Frauen besser vor Gewalt, Missbrauch und Benachteiligung geschützt werden sollen.
Zur Delegation gehörten Nationalrats-Präsidentin Christine Egerszegi-Obrist und die Nationalrätinnen Doris Stump und Ruth-Gaby Vermot.
Jeglicher Missbrauch von Mädchen sei unakzeptabel und verletze die Rechte des Kindes, sagte der Schweizer Botschafter Peter Maurer vor der Kommission.
Typisierung gemäss Weltgesundheitsorganisation (WHO)
Typ I Inzision: Einschnitt in die Vorhaut der Klitoris oder die vollständige Entfernung der Vorhaut.
Typ II Exzision: Entfernung der Klitoris und – teilweise oder ganz – der kleinen Schamlippen.
Typ III Infibulation: Entfernung der Klitoris, der kleinen Schamlippen und Teile der grossen Schamlippen sowie anschliessendes Zunähen der Vagina bis auf eine kleine Öffnung.
Typ IV andere, nicht klassifizierte Formen: Dazu gehören das Dehnen, Einstechen, Durchbohren, das Einschneiden oder Ätzen der Klitoris oder der Schamlippen sowie andere Verletzungen im Genitalbereich.
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