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Gegen Pässe von Rechtsaussen

Solche Szenen soll es an der Euro 2008 in der Schweiz nicht geben: Ein Hooligan wird nach Ausschreitungen abgeführt. Keystone

Rechtsextreme versuchen vermehrt, unter Fussball- und Hockey-Fans neue Mitglieder zu rekrutieren. Dies beobachtet das Bundesamt für Polizei.

Ein neues Gesetz soll verhindern, dass Neonazis die Fussball-EM 2008 in der Schweiz als Plattform für rechtsextreme Zwecke missbrauchen könnten.

Sportveranstaltungen sind nicht nur für Hooligans, sondern auch für Skinheads aus der Neonazi-Szene eine gerne wahrgenommene Gelegenheit, sich mit gegnerischen Fans und Polizeikräften anzulegen. Das Bundesamt für Polizei (fedpol.ch) stellt eine Zunahme von rechtsextremen Aktivitäten im Hooligan-Umfeld fest.

Beim gemeinsamen Randalieren entstünden Kontakte, sagt fedpol-Sprecherin Danièle Bersier zu Angaben im letzten Bericht zur inneren Sicherheit der Schweiz. Diese würden von den Rechtsextremen genutzt, um Hooligans zu ihren Anlässen einzuladen. Dies könne als erster Schritt einer Rekrutierung bezeichnet werden. Eine Politisierung könne folgen.

Rund 300 Hooligans

Der Sicherheitsdienst der Stadtpolizei Zürich, der über eine Fachgruppe «Hooliganismus» verfügt, schätzt die Zahl der gewaltbereiten Hooligans schweizweit auf derzeit 200 bis 300 – mit leicht steigender Tendenz. Wieviele von ihnen der rechtsextremen Bewegung zuzuordnen sind, ist schwierig abzuschätzen.

Die Polizei ist auf Informationen der Klubs angewiesen. Da die gleichen Fans möglicherweise Matches verschiedener Klubs beiwohnen, ist nicht ausgeschlossen, dass manche mehr als einmal erfasst werden. Zudem ist eine Unterscheidung zwischen Rechtsextremen und «gewöhnlichen» Hooligans schon deshalb schwierig, weil sie sich ähnlich kleideten, wie es heisst.

Befürchtungen für Euro 2008

In England ist das Phänomen alt bekannt. Eine Neonazi-Gruppe mit dem Namen «Combat 18» macht sich seit Jahren Fussballspiele für die Verbreitung ihrer Parolen zu Nutze. Dies erklärt der Genfer Filmemacher Daniel Schweizer, der zwei Dokumentarfilme («Skin or Die» und «Skinhead Attitude») zum Thema realisiert hat.

Schweizer befürchtet, dass die Euro 2008, die in der Schweiz und Österreich durchgeführt wird, von der rechtsextremen Szene als Plattform benutzt wird, zumal die Szene – gerade dank Internet – länderübergreifend organisiert sei.

Das Bundesamt für Polizei erachtet es als zu früh für eine Situationsanalyse bezüglich der Euro 2008.

Ungenügende Handhabe

Laut fedpol sind die gesetzlichen Grundlagen für den Kampf gegen Hooliganismus derzeit nicht ausreichend. Die Lücke füllen soll das neue Gesetz gegen Rassismus, Hooliganismus und Gewaltpropaganda, das gegenwärtig in der Vernehmlassung ist.

Das neue Gesetz soll noch vor der Euro 2008 in Kraft treten. Vorgesehen sind unter anderem ein Ein- und Ausreiseverbote für Hooligans sowie Präventivhaft.

Der Bund hat aber auch praktische Schritte unternommen. So hat sich zur Vorbereitung der Euro 2008 der Chef des Dienstes für Analyse und Prävention bei fedpol, Urs von Daeniken, während der diesjährigen Fussball-Europameisterschaft nach Portugal begeben. An den Vorbereitungen zur EM in Portugal hatten sich auch Mitglieder des Sicherheitsdienstes der Stadtpolizei Zürich beteiligt.

Weiter will der Bundesrat demnächst eine Arbeitsgruppe zum Thema «Sicherheit Euro 2008» ernennen. Dieser werden laut Pascal Chatelain vom Bundesamt für Sport Vertreter aus Bundesämtern, Kantonspolizeien und betroffenen Städten angehören.

Rechtsextreme unter Beobachtung

Was aber unterscheidet überhaupt Hooligans und Rechtsextreme? Hooligans seien rassistisch gesinnt, aber generell eher apolitisch, hält fedpol in seinem Sicherheitsbericht fest. Allerdings gebe es auch bei den Skinheads viele Aktivisten ohne klare oder gar gefestigte politische Vorstellungen, räumt fedpol-Sprecherin Bersier ein.

Aufgrund ihres Mitwirkens in einer rechtsextremen Gruppierung, deren Führung oft aus politisierten Leadern bestehe, würden sie aber – im Gegensatz zu Hooligans – diesem Umfeld zugerechnet und vom Dienst für Analyse und Prävention beobachtet. Hooligans würden erst dann einbezogen, wenn sie in rechtsextremen Zirkeln mitwirkten.

Unter der gleichen Decke stecken Hooligans und Rechtsextreme teilweise in Bern und Lugano. In Zürich hingegen gibt es inzwischen sogar Hooligans, die sich ausdrücklich von Rechtsextremisten abgrenzen, wie Christoph Vögeli von der Stadtpolizei Zürich sagt.

swissinfo und Agenturen

Die Auseinandersetzungen zwischen Rechtsxtremen und linken Antifaschisten haben in den vergangenen Jahren zugenommen.
In der Schweiz gibt es rund 1000 Rechtsextreme und 700 Sympathisanten (fedpol).
Am meisten zählt der Aargau (400) sowie Waadt, Genf und Wallis mit rund 330 Neonazis.
Diese machen wiederum mobil für die 1.-August-Feier auf dem Rütli.

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