Gegner des Hooligan-Gesetzes geben nicht auf
Nach den schweren Krawallen in Basel fordern viele, dass das neue Anti-Hooligan-Gesetz rasch in Kraft tritt. Dessen Gegner wollen aber nicht auf ein Referendum verzichten.
Das Gesetz sei verfassungswidrig und hätte die Ausschreitungen vom Samstag am Ende des Spiels Basel-Zürich nicht verhindern können, sagen sie.
«Klar, ich sass am Samstagabend vor dem Fernseher», sagt Ruben Schönenberger, Sprecher des Referendums-Komitees gegen die Revision des Bundesgesetzes über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit (BWIS).
«Dabei habe ich sofort gedacht: Das ist schlechteste Publizität für unser Anliegen», so Rubinstein zu swissinfo.
Empörung und Anschuldigungen
Das Gewaltpotenzial einiger hundert Basler Hooligans am Ende des Spiels, das der FC Basel in der Nachspielzeit 1:2 verlor (und damit auch den Meistertitel an den FC Zürich), hat zahlreiche empörte Reaktionen bei Politikern, Fussball-Funktionären und Fans ausgelöst.
«Wir haben ein enormes Problem, ich bin total schockiert», erklärte Claude Janiak, Präsident des Nationalrates, der grossen Kammer des Schweizer Parlamentes. Er betonte die Notwendigkeit des neuen Anti-Hooligan-Gesetzes.
«Das ist bitter, unannehmbar und skandalös»: Mit diesen Worten verurteilte auch der Präsident des Schweizerischen Fussballverbandes (SFV), Ralph Zloczower, die Vorfälle in Basel.
Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter (VSPB) spricht von «massiver Gewalt und purem Hass auf die Staatsorgane». Der Verband kritisiert den FC Basel wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen.
Kritik hagelte es auch gegenüber dem Referendums-Komitee gegen das Anti-Hooligan-Gesetz: «Verantwortungslos» oder gar «mitverantwortlich» wurden die Gegner des neuen Gesetzes etwa genannt.
Thomas Helbling, Präsident der Sicherheitskommission der Swiss Football League, erklärte: «Wer bei der Unterschriftensammlung für das Referendum mitmacht, akzeptiert, dass gewisse Leute anonym kriminelle Handlungen begehen können.»
Gegenwind
«Ich begreife und teile diese Ansicht nicht», sagt Schönenberger. «Auch wir wollen die Hooligans neutralisieren. Aber das geplante neue Gesetz ist willkürlich und kriminalisiert die Fans aufgrund eines einfachen Verdachts.»
Hauptargument der Gegner der Gesetzesrevision im Hinblick auf die Fussball-Europameisterschaft 2008, die in der Schweiz und in Österreich stattfindet, ist die «Hooligan-Datenbank».
Nach Ansicht Schönenbergers würde das Gesetz ein Stadionverbot für Personen erlauben aufgrund einfacher Anschuldigungen der privaten Sicherheitskräfte, der Sportclubs oder der Polizei. «Die Unschuldsvermutung wird dadurch buchstäblich missachtet.»
Es würde genügen, das jetzige BWIS konsequent anzuwenden. «Die Ausschreitungen vom Samstag in Basel hätten durch das neue Gesetz nicht verhindert werden können: Die Krawall-Verursacher in Basel waren weder registriert noch hatten sie Stadionverbot», so Schönenberger.
Stopp den Hooligans
Wegen wiederholter Gewalt in Fussball- und Hockeystadien und insbesondere im Hinblick auf die Fussball-EM 2008 hatte die Schweizer Regierung vor einem Jahr eine Reihe von Massnahmen gegen den Hooliganismus vorgeschlagen.
Im Zentrum der neuen Bestimmungen zum bisherigen BWIS stehen eine «Hooligan-Datenbank» über gewaltbereite Fans, Stadionverbote, Reisebeschränkungen und die Meldepflicht auf einem Polizeiposten. Als letzte Möglichkeit kommt Präventivhaft von maximal 24 Stunden für Hooligans in Frage.
Zu Diskussionen Anlass gab im Schweizer Parlament besonders die «Hooligan-Datenbank» nach dem Muster anderer europäischer Länder, wie zum Beispiel Deutschland.
Referendum der Fanclubs
Im März dieses Jahres stimmte das Parlament dem bis 2009 befristeten verschärften Gesetz mit grosser Mehrheit zu. Opposition kam lediglich von Teilen der grün-roten Seite.
Anders als in anderen Ländern kann das neue Gesetz in der Schweiz theoretisch noch vom Volk verhindert werden. Fanclubs versuchen nun, dazu eine Volksabstimmung zu erwirken.
Für ein Referendum müssen sie bis zum 13. Juli 2006 die dazu erforderlichen 50’000 Unterschriften sammeln. Ein schwieriges Unterfangen, denn «wegen zu vielen anderen politischen Verpflichtungen» unterstützen Sozialdemokraten und Grüne das Referendum nicht.
«Gegen den Hooliganismus braucht es Integrations- und Sozialprojekte und nicht Massnahmen, die ausgrenzen und kriminalisieren», sagt Ruben Schönenberger vom Referendums-Komitee.
UEFA nicht besorgt
Nach den gewaltsamen Zwischenfällen im Basler St.-Jakob-Park und im Hinblick auf die EM 2008 wurde auch von Seiten des Europäischen Fussballverbandes (UEFA) Kritik an den Schweizer Sicherheitsbehörden erwartet. Die UEFA liess jedoch verlauten, die Ausschreitungen vom Samstag in Basel seien ein «Einzelfall», der lediglich «alle zehn Jahre» vorkomme.
Auf die Schweiz trifft dies allerdings nicht zu, denn in jüngster Zeit ereigneten sich ähnliche Ausschreitungen: zum Beispiel beim Fussball-Cupfinal Zürich-Luzern 2005 oder im Eishockey-Meisterschaftsfinal Lugano-Zürich 2001.
Der UEFA-Delegierte der Fussball-Europameisterschaft 2008, Martin Kallen, ist dennoch optimistisch: «An der Euro 08 werden wir es mit Fans zu tun haben, für die der Sport einfach eine Gelegenheit zu einem Fest ist.»
swissinfo, Marzio Pescia und Luigi Jorio
(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)
Frühere gewalttätige Ausschreitungen nach Sport-Anlässen:
16.5.2005: Fussball-Cupfinal Zürich-Luzern
26.9.2004: Fussball-Match Aarau-Basel: 3 verletzte Polizisten
17.8.2002: Fussball-Match Basel-Luzern: 16 Polizisten und 1 Passant verletzt sowie Sachschaden
7.4.2001: Zürich wird ohne seine Fans, denen der Zugang zum Stadion verboten wurde, Schweizer Meister im Eishockey in Lugano. Tessiner Fans werfen Gegenstände aufs Spielfeld, greifen Zürcher Spieler an und verletzen eine Person.
Nicht nur in der Schweiz gibt es Probleme mit Hooligans, sondern auch in Deutschland, Frankreich und Italien.
In Deutschland, wo das Polizeiwesen den 16 Bundesländern untersteht, gibt es einen zentralen Sport-Auskunftsdienst, in dessen Kartei über 6000 gewalttätige Fans registriert sind. Deren ständige Überwachung hat zu einer Verminderung der Gewalt in und um die Stadien geführt. Für die am 9. Juni beginnende Fussball-WM haben die einzelnen Bundesländer schnelle Verurteilungen und härtere Strafen vorgesehen.
In Frankreich hat die Nationalversammlung vor einem Monat ein schärferes Gesetz angenommen, das gegenüber Hooligans «null Toleranz» und die Möglichkeit, gewisse Fan-Clubs aufzulösen, vorsieht. Es muss allerdings noch vom Senat angenommen werden.
In Italien wurde das Gesetz gegen Gewalt in Stadien im August 2005 angepasst. Es verbietet den gewalttätigen Fans, ihre Mannschaften ins Ausland zu begleiten, und sieht eine Video-Überwachung von allen grossen Stadien des Landes vor.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch