Geldwäscherei: Weniger Verdachtsmeldungen
Scheinbar dünne Bilanz bei Geldwäscherei-Verfahren in der Schweiz: Wenige Schuldsprüche aber viele hängige Fälle.
Die seit 7 Jahren geltende Meldepflicht bei Geldwäscherei-Verdacht hat zur Verurteilung von meist einfachen Drogengeld-Wäschern geführt. Urteile gegen mafiöse Geldwäscher waren rar.
Die Meldestelle für Geldwäscherei im Bundesamt für Polizei (fedpol) zieht in ihrem Jahresbericht 2004 erstmals detailliert Bilanz, was mit Meldungen über Geldwäschereiverdacht passiert ist.
Seit dem Inkrafttreten des Geldwäschereigesetzes am 1. April 1998 bis Ende 2004 hat die Meldestelle demnach 3493 Verdachtsmeldungen erhalten, von denen 2708 oder 78% an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet wurden.
Die Meldestelle verzeichnete 2004 zwar weniger Verdachtsmeldungen. Diesen steht aber eine Vergrösserung der Summe der betroffenen Vermögenswerte um einen Viertel gegenüber.
Pendenzen
Mehr als die Hälfte, nämlich 1397 Fälle oder 51,6% der weitergeleiteten Fälle sind zurzeit noch pendent. Bei den 1311 erledigten Meldungen kam es nur in 49 Fällen zu einem Urteil. Das sind 1,8% aller weitergeleiteten beziehungsweise 3,7% der erledigten Fälle.
In den anderen Fällen wurde das Strafverfahren entweder eingestellt, nach Vorermittlungen gar nicht eröffnet oder wegen paralleler Verfahren im Ausland sistiert.
Oil-for-Food: Verdachtsfälle
Im Zusammenhang mit den über die Schweiz abgewickelten Transaktionen des Öl-für Lebensmittel-Programms der Vereinten Nationen (UNO) für den Irak besteht in mehreren Fällen Geldwäschereiverdacht.
Die Behörde, bei der die Akteure auf dem Finanzplatz im Falle von Geldwäscherei-Verdacht Meldung erstatten müssen, hat «einige» Meldungen im Zusammenhang mit Oil-for-Food erhalten, wie die Leiterin der Meldestelle, Judith Voney, am Donnerstag sagte.
Wenig Konkretes
Zur genauen Zahl der Verdachtsmeldungen und zur Höhe der in diesem Zusammenhang gesperrten Vermögenswerte wollte sich Voney nicht äussern. Alle Meldungen seien nach der Vorprüfung durch die Meldestelle an die Bundesanwaltschaft weitergeleitet worden.
Nähere Angaben waren auch bei der Bundesanwaltschaft nicht erhältlich. BA-Sprecher Hansjürg Mark Wiedmer bestätigte auf Anfrage den Eingang der Verdachtsmeldungen und fügte hinzu: «Wir sind im Komplex Oil-for-Food an der Arbeit.» Zur Frage, ob bereits Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden und ob die Vermögenssperren bestätigt wurden, äusserte sich der Sprecher nicht.
Magere Bilanz?
Die auf den ersten Blick magere Bilanz für das Jahr 2004 wird von der Meldestelle relativiert. So hielten die Justizbehörden die Mitteilungspflichten nur ungenügend ein.
Zudem erhält die Meldestelle keine Rückmeldung, wenn Urteile gefällt werden, die nicht die Geldwäschereistrafnormen oder das organisierte Verbrechen betreffen.
Weiter sind unter den hängigen Verfahren solche, die mit langwierigen Rechtshilfegesuchen ans Ausland verbunden sind.
Urteilsanalyse
Einen besseren Einblick in Art und Verbreitung der Geldwäscherei vermittelt eine ebenfalls im Jahresbericht auszugsweise veröffentlichte Urteilsanalyse des Dienstes für Analyse und Prävention (DAP) im fedpol.
Sie umfasst 1141 Entscheide der Strafverfolgungsbehörden, darunter auch solche, die von der Bundesanwaltschaft und den kantonalen Behörden ohne vorherige Meldung der Meldestelle eröffnet worden waren. Hier kam es in knapp der Hälfte der Fälle zu Verurteilungen.
Die überwiegende Zahl der Urteile betraf Fälle von einfacher Drogengeldwäscherei. Nur gut 10% der Urteile erfolgten wegen schwerer Fälle.
Organisiertes Verbrechen wäscht auch Geld
Bloss acht Urteile ergingen wegen Geldwäscherei einer Verbrechensorganisation. Der Eindruck, die Schweiz werde von der Geldwäscherei des organisierten Verbrechens verschont, ist aber mit Vorsicht zu geniessen.
So ist die Schweiz oft indirekt von der organisierten Kriminalität betroffen, wenn versucht wird, im Ausland inkriminiertes Geld auf dem Finanzplatz Schweiz anzulegen.
Verschiedenste Delikte
Betragsmässig haben die Delikte eine grosse Spannweite. Sie reicht vom Verstecken von einigen hundert Franken aus einem Diebstahl bis zum Waschen von Dutzenden von Millionen Franken und zu Geldwäscherei in grossen internationalen Korruptionsfällen.
Die meisten Verurteilten gingen vergleichsweise archaisch vor und hatten keine besonderen Kenntnisse der Bank- und Finanzwirtschaft.
Einzelne spektakuläre Fälle mit internationalen Dimensionen sind laut den Experten des Bundes nicht repräsentativ. Sie hätten aber das grösste Schadenspotenzial und seien ausschlaggebend für den Ruf des Finanzplatzes.
swissinfo und Agenturen
59% der Meldungen stammten aus dem Nichtbankensektor, 41% von den Banken.
Gut 75% der Meldungen wurden an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet.
Erstmals seit 2001 nahm die Summe der von den Verdachtsmeldungen betroffenen Vermögenswerte wieder zu, um 25,3% auf 772 Mio. Franken.
89% dieser gesperrten Vermögenswerte waren auf Bankmeldungen zurückzuführen.
Gestiegen sind auch die Meldungen wegen Verdachts auf Terrorismusfinanzierung, nämlich von fünf auf elf. Dabei wurden rund 900’000 Franken gesperrt, verglichen mit 154’000 Franken im Vorjahr.
Gemäss der Meldestelle wirkt das Geldwäschereigesetz vermehrt präventiv.
Rückläufig waren vor allem Meldungen der so genannten Money-Transmitter, die im internationalen Zahlungsverkehr tätig sind.
Weniger Meldungen kamen auch von Treuhändern und Vermögensverwaltern.
Die Meldestelle schliesst daraus, dass der Parabankensektor bei der Kundenauswahl vorsichtiger geworden sein könnte.
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