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«Geldwaschen ist sehr viel schwieriger geworden»

Dina Balleyguier: "Unser System greift, ohne ungebührlich zu belasten." swissinfo.ch

Kampf gegen Windmühlen oder zu grosse Regeldichte? Die Kontrollstelle gegen die Geldwäscherei gerät regelmässig in die Kritik.

Nach bald drei Jahren im Amt zieht die Kontrollstellen-Leiterin Dina Balleyguier im Gespräch mit swissinfo eine «eher positive» Bilanz.

Das Geldwäscherei-Gesetz umfasst auch die Aufsicht über den Nicht-Bankensektor und trat im April 1998 in Kraft.

Die Kontrollstelle für die Bekämpfung der Geldwäscherei bewilligt und kontrolliert die ihr direkt unterstellten Finanz-Intermediäre (Treuhand-Firmen, Vermögensverwalter und andere Finanz-Dienstleister) und deren Selbstregulierungs-Organisationen. Diese kontrollieren ihrerseits ihre Mitglieder.

Vor einem Jahr hat die «Financial Action Task Force» der OECD Empfehlungen verabschiedet, welche zum Ziel haben, den internationalen Kampf gegen die Geldwäscherei im Nicht-Bankensektor zu verschärfen.

Die Schweizer Regierung begrüsst diese Empfehlungen und hat für deren Umsetzung eine Arbeitsgruppe eingesetzt.

Dina Balleyguier ist seit Oktober 2001 Leiterin der Kontrollstelle. Die Juristin und Anwältin arbeitete vorher während acht Jahren in einer Führungsfunktion im Rechtsdienst der Eidgenössischen Banken-Kommission.

swissinfo: Sie sind nun bald drei Jahre im Amt. Ihre Bilanz?

Dina Balleyguier: Unter dem Strich ist die Bilanz eher positiv. Wir haben sehr vieles erreicht, konnten die Pendenzen abbauen und behandeln nun die eingehenden Anfragen, seien es Bewilligungsgesuche oder Anfragen zu Unterstellungsproblemen.

swissinfo: Sie mussten ja zuerst ein Abwehrdispositiv aufbauen. Wo stehen Sie heute?

D.B.: Ich würde sagen, dass das Kontrollsystem, das wir in Zusammenarbeit mit den Selbstregulierungs-Organisationen aufgebaut haben, funktioniert. Das bedeutet, dass es in der Schweiz in den vergangenen fünf Jahren sehr viel schwieriger geworden ist, über den Nicht-Bankenbereich Gelder zu waschen.

swissinfo: Das Geldwäscherei-Gesetz ist ein Rahmengesetz. Wie frei sind Sie in der Auslegung?

D.B.: Wir sind natürlich an den Gesetzestext gebunden, aber im Bereich der Sorgfaltspflichten ist dieser kurz und konzis. Da haben wir eine relativ grosse Freiheit, um ihn im Detail auszugestalten.

Wenn ich sage wir, dann meine ich die Bankenkommission, das Bundesamt für Privatversicherungen und auch die zwölf Selbstregulierungs-Organisationen sowie natürlich auch die Kontrollstelle.

swissinfo: Teile der Finanzwelt kritisieren, die Kontrollstelle gehe zu weit. Strafrechtler beanstanden die Lücken in der Unterstellung. Wie gehen Sie mit diesem Druck um?

D.B.:Solange der Druck von beiden Seiten kommt, gleicht er sich aus. Und man kann davon ausgehen, dass wir ein relativ gut funktionierendes System haben, das zwar greift, aber nicht ungebührend belastet.

swissinfo: 2003 haben Sie sieben Finanz-Intermediäre vom Markt genommen. Das ist eigentlich ein bescheidenes Ergebnis.

D.B.: Wenn man bedenkt, dass wir pro Jahr mehrere Hundert Verfahren machen, um abzuklären, ob gewisse Personen oder Unternehmen dem Gesetz unterstellt sind, dann ist die Tatsache, dass wir in sehr wenigen Fällen eine Liquidation aussprechen müssen, eigentlich der Beweis dafür, dass diejenigen, die sich unterstellen müssen, dies bereits getan haben.

swissinfo: Sie sind also nicht einverstanden mit den Strafrechts-Experten, die Ihnen einen Kampf gegen Windmühlen unterstellen?

D.B.: Man darf die Anzahl der ausgesprochenen Liquidationen nicht als ein Anzeichen dafür missbrauchen, ob und wie viel Geld in der Schweiz gewaschen werde.

Liquidationen sprechen wir aus bei illegaler Tätigkeit, wobei illegal einfach bedeutet «ohne Bewilligung». Und das sagt noch gar nichts darüber aus, ob jemand nun Geld wäscht oder nicht.

Geldwäschereifälle haben wir noch viel weniger entdeckt, aber wirklich deshalb – und davon bin ich überzeugt – weil die Sorgfaltspflichten eben greifen, weil die Finanz-Intermediäre ihre Arbeit gut tun und Geldwäscher schon gar nicht als Kunden akzeptieren.

swissinfo: Woher nehmen Sie das Vertrauen, dass man Ihnen auch melden würde, wenn jemand Geld waschen wollte?

D.B.: In der Feststellung, dass es pro Jahr – und die Zahl ist steigend -mehrere Hundert Meldungen gibt aus dem Parabankensektor. Deshalb muss ich davon ausgehen, dass die Finanz-Intermediäre das System begriffen haben und es anwenden.

swissinfo: Inwieweit führen Sie auch Kontrollen durch?

D.B.: Wir führen sehr viele Kontrollen durch, scannen regelmässig das Handelsregister, schauen die Medien an und erhalten glücklicherweise auch Hinweise von Behörden und Privaten. Jedem dieser Hinweise gehen wir nach. Wir sind zuversichtlich, dass wir allfällige Straftatbestände auch entdecken würden.

swissinfo: Ende Mai mussten Sie die Internet-Suchmaschine, welche Auskünfte über einzelne Akteure erteilte, gegen Ihren Willen einstellen.

D.B.: Es stimmt, dass gewisse Finanz-Intermediäre nicht wünschen, als solche erkannt zu werden. Das bedauern wir natürlich.

Es stimmt auch, dass das Gesetz nicht perfekt ist. Man kann es verbessern, namentlich im Bereich der Transparenz, gegen aussen kundzutun, wer Finanz-Intermediär ist und wer nicht. Und dies auch gegen den Willen des Betroffenen.

Dafür brauchen wir – so hat es die Datenschutz-Kommission gesagt – eine gesetzliche Grundlage, die uns bisher fehlt. Aber die fehlt uns wahrscheinlich, weil vor sechs Jahren, als das Gesetz gemacht wurde, niemand daran gedacht hatte, dass hier später einmal ein Bedürfnis entstehen könnte.

swissinfo: Das Geldwäscherei-Gesetz hat weitere Schwächen. So fallen Immobilien- und Edelstein-Händler, aber auch Notare und Anwälte nicht in seinen Geltungsbereich.

D.B.: Hier möchte ich präzisieren, dass über 1000 Anwälte und Notare als Finanz-Intermediäre gemeldet und der entsprechenden Selbstregulierungs-Organisation angeschlossen sind.

Im Immobilienbereich, im Detailhandel von Edelmetallen, im Kunsthandel, da gibt es sicher Bereiche, die zurzeit nicht erfasst sind.

Eine Arbeitsgruppe klärt nun ab, ob eine Unterstellung – welche ja von internationalen Vorgaben empfohlen wird – in der Schweiz notwendig ist und wenn ja, wie man sie verwirklichen kann.

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich auch mit den Vortaten, mit denen die Geldmittel beschafft werden, mit der Problematik der Inhaberaktien und weiteren Gesetzesänderungen, die wir als wünschenswert erachten.

swissinfo: Welchen Stellenwert haben für ihre Kontrollstelle die Zusammenarbeit mit der Banken-Kommission und die internationale Zusammenarbeit?

D.B.:Mit der Banken-Kommission arbeiten wir sehr eng zusammen. Wir informieren uns gegenseitig über unsere Aktualität, und es besteht ein reger Kontakt zwischen den Sachbearbeitern.

Unter Einhaltung der Vorgaben des Datenschutz-Gesetzes tauschen wir auch Daten und Unterlagen untereinander aus.

Wir können auch mit Behörden im Ausland zusammenarbeiten und im Rahmen der Amtshilfe Informationen austauschen. Das kommt allerdings selten vor, denn international ist nicht unsere Kontrollstelle der Hauptadressat. Das ist und bleibt die Banken-Kommission.

swissinfo-Interview: Andreas Keiser

Die Juristin Dina Balleyguier ist seit Oktober 2001 Leiterin der Geld-wäschereikontrollstelle.

Sie ist die Aufsichts-Behörde für den Nicht-Bankensektor.

Sie erfüllt dieselbe Aufgabe, wie die Banken-Kommission bei den Banken, das Bundesamt für Privatversicherungen bei den Lebens-Versicherungen und die Spielbanken-Kommission bei den Casinos.

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