Gesundheitskarte in Startposition
Am Montag ist im Kanton Tessin die Gesundheitskarte als Pilotversuch eingeführt worden - ein Novum für die Schweiz.
In verschiedenen europäischen Ländern, den USA, Kanada und Japan ist diese Karte bereits Tatsache.
In der Agglomeration Lugano wollen die Kantonsbehörden zusammen mit den wichtigsten Akteuren des Gesundheitswesens (Leistungserbringer, Patienten, Krankenkassen und Bund) die Akzeptanz der elektronischen Gesundheitskarte testen.
Die Karte ist eine Art Gesundheitspass, auf dem die wichtigsten Daten über die Gesundheit des Patienten – natürlich nur mit seinem Einverständnis – gespeichert werden.
Die registrierten Daten
Sie dient in erster Linie dazu, die Verwaltung und den Austausch der Daten zu vereinfachen, für die Patienten, Ärzte, Spitäler, Apotheken und alle im Gesundheitswesen tätigen Einrichtungen: Informationen, die für alle Beteiligten äusserst wichtig sind.
Gespeichert werden vor allem die administrativen Daten der Patientinnen und Patienten (Personalien, Krankenkasse usw.); Notfalldaten (Blutgruppe, Allergien, laufende Behandlungen, chronische Erkrankungen usw.); die Krankengeschichte mit pathologischen und physiologischen Befunden sowie ein Überblick über die wichtigsten bereits erfolgten Behandlungen.
Von den Einzelstrukturen zum Netzwerk
Bis anhin wurden diese Daten von den einzelnen Leistungsträgern (Hausarzt, Apotheke) separat erhoben. Nun sollen sie mit der neuen Karte allen Partnern des Gesundheitswesens zur Verfügung gestellt werden. Das Ziel ist nach wie vor die Gesundheit des Patienten.
Ein wichtiger Vorteil ist zweifellos der rasche Zugang zu unter Umständen lebenswichtigen Daten.
Doch die Gesundheitskarte bewährt sich nicht nur im Notfall: Die Bereitstellung der Angaben kann dazu beitragen, Umwege, Informationslücken, Verzögerungen und Mehrfachbehandlungen zu vermeiden, was sich letzten Endes auch auf die Kosten auswirkt.
Ferner lassen sich mit elektronischen Rezepten die Probleme ausschalten, die beim Entziffern handschriftlich ausgestellter Rezepte entstehen können.
Ein Kulturwandel
Projektleiter Marzio Della Santa ist sich durchaus bewusst, dass die Einführung Befürchtungen weckt: «Die Karte stellt einen Kulturwandel dar. Dass sie mit Zurückhaltung aufgenommen wird, ist ganz normal.»
Della Santa weiter: «Die ersten Reaktionen sind jedoch vielversprechend. Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir bezüglich Zielsetzung und Instrument einen Konsens erreichen werden.»
Kritik kommt vor allem aus Ärztekreisen und zwar in erster Linie aus zeitlichen Gründen. Sie befürchten, dass der bürokratische Aufwand, der mit der Einführung der neuen Tarmed-Tarife bereits erheblich zugenommen hat, weiter ansteigen wird.
Della Santa ist jedoch überzeugt, dass die Bedenken schwinden werden, sobald das medizinische Personal die Vorteile der Gesundheitskarte für sich entdeckt hat.
Und der Datenschutz?
Die Verantwortlichen des Pilotversuches – der 1999 in die Wege geleitet und letztes Jahr vom Tessiner Grossen Rat abgesegnet wurde – haben sich eingehend mit dieser Frage auseinander gesetzt. Dazu Marzio Della Santa: «Eines möchte ich vorausschicken: Es werden nur Daten aufgezeichnet, die der Patient freigibt. Er bestimmt, ob und welche Daten gespeichert werden. Dann haben wir verschiedene Systeme für einen Datenschutz und stufenweisen Zugang abgeklärt.»
Vorgesehen ist ein dreistufiger Zugang: Auf der ersten Stufe sind die Daten frei lesbar, die zweite ist auf befugte Fachkräfte beschränkt, und die dritte ist durch einen Code geschützt, den nur der Patient oder die Patientin kennt.
Im nationalen Rampenlicht
Die ganze Schweiz blickt nun auf den Kanton Tessin. Wie fühlt sich das an? Marzio Della Santa lächelt: «Die Aufmerksamkeit und die Anregungen, mit denen das Tessiner Pilotprojekt begleitet wird, schmeicheln uns in gewissem Sinn. Wir sind von dem, was wir tun, überzeugt, und gehen bei diesem Versuch sehr streng und sorgfältig vor».
«Uns geht es darum, die Akzeptanz der Gesundheitskarte richtig einzuschätzen und ihren künftigen Einsatz abzuklären. Das ist keine technologische Frage, wie man meinen möchte, sondern eine kulturelle».
Ein Kulturwandel braucht Zeit. Die ersten Resultate der Pilotversuchs sind deshalb erst im Frühjahr 2006 zu erwarten.
swissinfo, Françoise Gehring, Lugano
(Übertragung aus dem Italienischen: Maya Im Hof)
Am Pilotprojekt nehmen rund 2500 Personen in der Region Lugano teil
Die Versuchsdauer beträgt 18 Monate
Teilnehmer sind 40 Arzt-Praxen und Apotheken, 7 öffentliche und private Spitäler, 1 Ambulanz- und Spitex-Dienst
Die elektronische Gesundheitskarte ist ein Gesundheitspass in Kreditkartenformat.
Auf der Karte sind gesundheitsspezifische Daten wie Blutgruppe, Allergien, Krankheiten und laufende Behandlungen gespeichert.
Die Tessiner Gesundheitskarte entspricht internationalen Normen und kann auch in anderen Ländern, die einen Ausweis dieser Art bereits kennen – unter anderen Italien, Frankreich und Deutschland – benutzt werden.
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