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Gleichstellungs-Gesetz: Ungerechtigkeiten ausmerzen

Justitia eilt Frauen und Männern in Sachen Gleichstellung erfolgreich zu Hilfe. Keystone

Wegen Diskriminierung bei Lohn und Kündigung oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu klagen lohnt sich - fast immer.

Seit fünf Jahren ist in Zürich das Gleichstellungs-Gesetz in Kraft. «Es gab keine Flut von unnötigen Klagen», sagt Kathrin Arioli, Leiterin der Fachstelle für Gleichberechtigungs-Fragen des Kantons Zürich. Von den 57 Klagen hätten lediglich einige wenige keinen Erfolg gehabt. Angesichts des zeitlichen und finanziellen Aufwands sei die Zahl der Verfahren hoch.

Die Streitigkeiten wurden teils aussergerichtlich beigelegt, teils gerichtlich entschieden. Fast zwei Drittel der Klagen waren wegen ungleichen Löhnen eingereicht worden.

Wegweisende Urteile

Laut Arioli sind sämtliche Verfahren wichtig. Ein paar Fälle beurteilt sie als besonders erwähnenswert, weil wegweisend. Im wahrscheinlich spektakulärsten Fall handelt es sich um die Sammelklage des Gesundheits-Personals wegen Lohn-Diskriminierung. Auf Grund eines Urteils des Verwaltungs-Gerichts wurde der Kanton Zürich in diesem Jahr gezwungen, 280 Mio. Franken nachzuzahlen.

1998 wurde erstmals eine Klage wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz gemäss dem Gleichstellungsgesetz gutgeheissen. Das Arbeitsgericht sprach zwei schwedischen Hotel-Praktikantinnen je 35’000 Franken Entschädigung und 7’000 Franken Genugtuung zu.

Eine Entschädigung vor der Schlichtungsstelle erkämpfte sich vor drei Jahren eine Frau, die sich durch eine temporäre Bilderausstellung an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt fühlte. Die Kunstwerke zeigten Szenen aus dem Sexmilieu.

Schlechter gestellte Frauen klagen weniger

Die Zürcher Verfahren zeigen, dass Frauen umso weniger klagen, je schlechter ihre Arbeitssituation ist. In Branchen wie Detailhandel oder Gastgewerbe wurden nicht einmal ein halbes Dutzend Verfahren angestrengt. «Wer Angst hat, den Arbeitsplatz zu verlieren, wird sich kaum wehren», erklärt Arioli. Zusätzlich erschwert würden Klagen in wirtschaftlich schlechten Zeiten.

Für den Verzicht auf eine Klage gibt es laut Arioli weitere Gründe, so zum Beispiel die Kostspieligkeit der Rechtsverfahren und die Furcht vor Repressionen am Arbeitsplatz. Aber auch mangelnde Information und geringer Organisierungsgrad sind verantwortlich. Dazu kämen bei ausländischen Arbeitnehmerinnen teilweise sprachliche Hindernisse.

Im Weiteren fällt auf, dass Frauen in öffentlich-rechtlichen Anstellungen, wie etwa im Unterrichtswesen, eher zu Lohnklagen bereit sind als Arbeitnehmerinnen aus der Privatwirtschaft.

Positives Fazit trotz Mängel

Für die Sache der Frauen sei das Gleichstellungsgesetz ein Erfolg, obwohl es auch einige Mängel habe. Arioli verweist zum Beispiel auf den ungenügenden Kündigungsschutz für Klägerinnen von lediglich sechs Monaten. Ein weiterer Mangel sei, dass im Fall von Anstellungs-Diskriminierung sowie sexueller Belästigung die Beweislast bei der Klägerin liege – ganz im Gegensatz zu allen anderen Verfahren gemäss Gleichstellungsgesetz.

Sorgen macht Arioli ein Urteil des Bundesgerichts zu einem St. Galler Fall. Es lehnte die Klage einer Lehrerin für Krankenpflege ab, die den gleichen Lohn forderte wie ihr Kollege an der Berufsschule für Bäcker- und Kochlehrlinge. Das Urteil wurde mit Argumenten des Arbeitsmarktes begründet. «Das bedeutet eine Aushöhlung des Prinzips der Gleichstellung», gibt Arioli zu bedenken. Trotzdem sagt sie: «Es lohnt sich, sich zu wehren.»

Auch vereinzelte Klagen von Männern

Das Gleichstellungsgesetz war geschaffen worden, um Frauen zu ermöglichen, gegen schlechtere Löhne, Diskriminierungen oder sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz vorzugehen.

In einzelnen Klagen beriefen sich auch Männer auf dieses Gesetz. So zum Beispiel im Fall eines Physiotherapeuten, der eine diskriminierende Kündigung beanstandete. Das Arbeitsgericht gab dem Kläger teilweise Recht, und er erhielt eine Entschädigung.

swissinfo und Vincenzo Capodici (sda)

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