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Grösster Kunstraub der Schweizer Geschichte

Gestohlen: Edgar Degas "Ludovic Lepic und seine Töchter", 1871. (شرطة زيورخ)

Bei einem Raubüberfall auf die Sammlung E.G. Bührle in Zürich haben drei maskierte Täter am Sonntag vier wertvolle Bilder im Wert von 180 Millionen Franken erbeutet.

Die Polizei spricht vom «wohl grössten Kunstraub Europas». Bei den gestohlenen Ölgemälden handelt es sich um Werke von Claude Monet, Edgar Degas, Paul Cézanne und Vincent van Gogh.

Die drei Maskierten, von denen mindestens einer bewaffnet war, waren am Sonntagnachmittag kurz vor 16.30 Uhr in die Villa im Zürcher Seefeldquartier eingedrungen, in der die Bührle-Sammlung untergebracht ist.

Ein Mann bedrohte im Eingangsbereich Besucher und Museumsangestellte und zwang sie, sich zu Boden zu legen. Das Personal habe sich sehr gut verhalten und eine Eskalation der Situation vermieden, sagte der Sprecher der Zürcher Stadtpolizei, Marco Cortesi.

Zur Tatzeit hätten sich insgesamt 15 Personen im Hause aufgehalten, mehrheitlich aber in den oberen Stockwerken. Verletzt wurde niemand.

Während ein Täter die Leute in Schach hielt, hängten die beiden andern je zwei Bilder ab – und zwar in der Reihenfolge, in der sie aufgehängt waren, erklärte Museumsdirektor Lukas Gloor: «Im grossen Saal hätte es noch teurere Werke gegeben.»

Soviel sie tragen konnten

Geraubt wurden «Mohnfeld bei Vetheuil» von Claude Monet, «Ludovic Lepic und seine Töchter» von Edgar Degas, «Blühende Kastanienzweige» von Vincent van Gogh und als wertvollstes Bild «Der Knabe mit der roten Weste» von Paul Cézanne, das allein schon auf 100 Mio. Franken geschätzt wird.

Sie gehörten laut Gloor zu den wichtigsten Werken der ganzen Sammlung. Ihr Gesamtwert wird auf rund 180 Mio. Franken beziffert.

Dass die Räuber nicht noch mehr Bilder stahlen, führte Gloor darauf zurück, dass sie einfach nicht mehr tragen konnten: «Die Bilder waren unter Glas und deshalb ziemlich schwer.» Sie seien auf dem freien Markt nicht verkäuflich.

Polizei zu spät

Die Räuber verluden ihre Beute unmittelbar vor dem Gebäude in ein weisses Auto und fuhren Richtung Zollikon davon. Möglicherweise ragten die Bilder teilweise aus dem Kofferraum des Fahrzeugs.

Die Polizei war laut Cortesi sehr rasch am Tatort, aber zu spät: «Der Raubüberfall ereignete sich innert zwei bis drei Minuten», sagte er. Von den Tätern fehlt bisher jede Spur.

Die Gemälde waren mit einer Alarmanlage gesichert, die beim Abhängen direkt bei der Polizei Alarm auslöste. Für Hinweise zur Wiederbeschaffung der Gemälde setzte die Bührle-Stiftung 100’000 Franken Belohnung aus.

Die Bührle-Sammlung ist ab sofort für die Öffentlichkeit nicht mehr zu regelmässigen Öffnungszeiten zugänglich.

Neue Dimension der Kulturkriminalität

Cortesi sprach von «einer neuen Dimension» der Kulturkriminalität. Der grösste je in der Schweiz verübte Kunstraub sei in Europa fast einzigartig und allenfalls mit dem Überfall auf das Munch-Haus in Norwegens Hauptstadt Oslo vom August 2004 vergleichbar. Dabei waren «Der Schrei» und «Madonna» von Edvard Munch geraubt worden.

Der Zürcher Kunstraub ereignete sich vier Tage nach dem Diebstahl von zwei Picasso-Gemälden im Wert von mehreren Millionen Franken aus dem Seedamm-Kulturzentrum im schwyzerischen Pfäffikon. Ob ein Zusammenhang besteht, wird abgeklärt.

«Artnapping?»

Beim Kunstraub in der Sammlung Bührle könnte es sich um einen Fall von «Artnapping» handeln – einen Raub mit anschliessender Lösegeldforderung.

Der Begriff leitet sich von «Kidnapping» (Entführung) ab. Die Kunstwerke werden entwendet und dem Eigentürmer oder dessen Versicherung unter Androhung der Zerstörung zum «Rückkauf» angeboten. Denn die gestohlenen Kunstwerke sind auf dem Markt kaum verkäuflich.

Auftragsraub?



Es komme äusserst selten vor, dass Kunstwerke im Auftrag von Sammlern gestohlen würden, sagt Yves Fischer, Leiter der Fachstelle Kulturgütertransfer beim Bundesamt für Kultur (BAK). Jedenfalls habe sich ein solcher Verdacht kaum je bestätigen lassen.

Diese Einschätzung teilt auch das Bundesamt für Polizei (fedpol). Eher noch werde im Nachhinein ein Käufer ermittelt, der bereit sei, das Diebesgut zu kaufen, erklärt fedpol-Sprecher Guido Balmer. Es handle sich dabei in der Regel um Käufer «aus Ländern mit geringer staatlicher Kontrolle».

Hohes Risiko für Käufer

In den meisten Staaten gehen Käufer von «heisser Ware» ein hohes Risiko ein: Überwacht werden nicht nur Import, Export und Auktionen, sondern zunehmend auch der Internethandel.

In der Schweiz muss gemäss dem Kulturgütertransfergesetz die Herkunft eines Werks beim Erwerb lückenlos geklärt sein. Dem Käufer von Diebesgut drohen Strafen von bis zu zwei Jahren Gefängnis und 200’000 Franken Busse.

Couchepin bedauert

Bundespräsident Pascal Couchepin sagte am Rande seines Deutschland-Besuchs der «Tagesschau» des Schweizer Fernsehens, er bedaure solche Ereignisse.

Er hoffe, dass die Polizei rasch herausfinde, wer dies getan habe und wie so etwas möglich sei. Wahrscheinlich müssten Kunstmuseen besser bewacht werden, wenn so etwas geschehe, sagte der Kulturminister.

swissinfo und Agenturen

Vor nur vier Tagen wurden zwei Picasso-Gemälde aus einer Ausstellung in Pfäffikon im Kanton Schwyz gestohlen. Ihr Wert wird auf 4,8 Mio. Franken geschätzt.

Die Picasso-Ausstellung in Pfäffikon soll nach dem Raub in Zürich nun doch geschlossen werden, nachdem es zunächst hiess, die Schau mit Werken aus der Sprengel-Sammlung werde mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen fortgesetzt.

1989 wurden aus einer Zürcher Galerie 21 Renaissance-Bilder gestohlen.

Zu den aufsehenerregendsten Fällen gehören zwei Diebstähle 1991 und 94 in der Galerie Bollag in Zürich. Zuerst wurden 2 berühmte Picassos («Die Sitzende» und «El Christo de Montmartre») im Wert von 61 Mio. Franken gestohlen.

Drei Jahre später 7 Picasso-Bilder im Wert von über 50 Mio. Franken. In beiden Fällen wurden die Täter gefasst.

Das Museum der Stiftung E.G. Bührle beherbergt eine der wichtigsten privaten Sammlungen europäischer Malerei. Die rund 200 Bilder und Skulpturen sollen später in den geplanten Erweiterungsbau des Zürcher Kunsthauses integriert werden.

Die Stiftung wurde 1960 gegründet. Der Schwerpunkt der Sammlung bildet die Malerei des französischen Impressionismus und Post-Impressionismus.

Emil Bührle, früher Alleininhaber der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon Bührle, des grössten Schweizer Waffenproduzenten, hatte in den 1930er Jahren mit dem Sammeln von Kunst angefangen.

Den grössten Teil der Sammlung erwarb er in den 1950er Jahren. Einige der in den Kriegsjahren erworbenen Bilder erwiesen sich später als durch die deutschen Besatzer geraubt.

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