Grosser Bahnhof für Chiles Präsidentin in Bern
Mit militärischen Ehren hat die Schweizer Regierung die chilenische Staatspräsidentin Michelle Bachelet empfangen. Bachelet stattet der Schweiz einen zweitägigen Staatsbesuch ab.
Im Anschluss an den Empfang auf dem Münsterplatz unterzeichneten die Länder ein Abkommen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung für Fluggesellschaften.
Bei strömendem Regen hat Chiles Präsidentin Michelle Bachelet am Freitag ihren zweitägigen Staatsbesuch in der Schweiz angetreten.
Ein warmer Empfang durch Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey entschädigte sie jedoch für das nasskalte Wetter.
Neben Calmy-Rey erwarteten fast alle Bundesrätinnen und Bundesräte, zum Teil mit Partnerinnen und Partnern, den hohen Besuch aus Südamerika auf dem Münsterplatz in Bern – versteckt unter vielen Regenschirmen.
Auffälliger Abwesender war Bundesrat Pascal Couchepin. Er sei anderweitig beschäftigt, hiess es. Normalerweise verlangt die Tradition, dass der Bundesrat einen Staatsbesuch in corpore empfängt.
Herzlicher Empfang
Doch die chilenische Präsidentin liess sich vom Wetter nicht die Stimmung trüben. «Auch wenn es regnet, es war ein sehr warmer Empfang», betonte die 55-jährige Sozialistin in ihrer Begrüssungsrede.
Warm und herzlich sind auch die Beziehungen zwischen den beiden Ländern, wie die beiden Präsidentinnen betonten. «Wir sind nicht hier, um über Schwierigkeiten zu reden», sagte Calmy-Rey.
Gegenseitige Aufnahme
Die Basis für die lange Beziehung und die Freundschaft ist laut Calmy-Rey die Migration. 60’000 Menschen mit Schweizer Herkunft leben in Chile, davon 4000 mit Schweizer Pass.
3600 Chilenen leben in der Schweiz. Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet 1973 bis 1990 hatten Zehntausende ihr Land verlassen.
Bachelet betonte, die Schweiz habe ihre humanitäre Tradition aufleben lassen, indem sie chilenischen Familien vor der Verfolgung während der Militärdiktatur Zuflucht gewährt habe. Auch sie selber war verhaftet und gefoltert worden und hatte danach in der DDR im Exil gelebt.
«Vorbild»
Calmy-Rey bezeichnete Bachelet mit ihrem Engagement als Vorbild. Weiter betonte sie die Gemeinsamkeiten beider Länder.
Neben dem Einsatz zum Schutz der Menschenrechte führte die Aussenministerin die Armutsbekämpfung und die Förderung der sozialen Gerechtigkeit als gemeinsame politische Schwerpunkte an. Chile und die Schweiz seien prädestiniert für eine Zusammenarbeit, sagte sie.
Handel ausbaufähig
Neben diesen Gemeinsamkeiten sind es Verträge, welche die beiden Länder verbinden. Auf der wirtschaftlichen Ebene hätten sich die Beziehungen dank des Freihandelsabkommens zwischen Chile und den EFTA-Staaten seit 2004 vertieft. «Der Handel ist zwar noch schwach, aber wir wollen ihn stärken», unterstrich Bachelet.
Seit dem letzten offiziellen Besuch eines chilenischen Staatsoberhauptes in der Schweiz – Eduardo Frei 1995 – wurden zudem Abkommen im Bereich Investitionsschutz, Luftverkehr und Rechtshilfe unterzeichnet.
Am Freitag kamen ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Luftverkehr sowie zwei Absichtserklärungen für wissenschaftliche Zusammenarbeit und den Austausch von jungen Berufsleuten hinzu.
Schmelzendes Eis
Schliesslich treibt die Sorge um das Klima die beiden Frauen um. Sie wollen mehr Länder auf das Kyoto-Protokoll verpflichten. «Bei ihnen wie bei uns schmelzen die Gletscher», betonte die Schweizer Aussenministerin.
Nicht schmelzen muss das Eis zwischen den beiden Frauen, denn da ist keines. Und damit das so bleibt, soll Micheline Michelle bald einen Gegenbesuch abstatten: «La espero en Chile – ich erwarte Sie in Chile», sagte Bachelet.
Am Samstag reist Bachelet in die Genfersee-Region, die Heimat von Micheline Calmy-Rey. Geplant ist unter anderem ein Besuch an der ETH Lausanne.
In Genf werden die beiden Frauen vom Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Jakob Kellenberger, empfangen.
swissinfo und Agenturen
Veronica Michelle Bachelet Jeria wurde 1951 als Tochter eines Luftwaffengenerals in Santiago de Chile geboren. Sie ist ausgebildete Kinderärztin.
Nach dem blutigen Putsch von General Pinochet gegen Salvador Allende 1973 wurde ihr Vater gefangen und starb nach monatelanger Folter an einem Herzinfarkt.
Bachelet und ihre Mutter wurden 1975 vom Pinochet-Regime ebenfalls misshandelt. Sie gingen ins Exil nach Australien und in die DDR.
Nach ihrer Rückkehr 1979 wurde sie politisch aktiv und arbeitete in verschiedenen Ministerien.
2000 wurde sie Gesundheitsministerin, 2002 als erste Frau Verteidigungsministerin.
Am 15. Januar 2006 wurde Bachelet zur Präsidentin Chiles gewählt.
Bereits im 19. Jahrhundert siedelten sich Schweizer Kaufleute, Bauern und Handwerker in Chile an. Neben den heute rund 4200 Auslandschweizern (meist Doppelbürger) sind schätzungsweise 60’000 Chilenen Nachfahren schweizerischer Einwanderer.
2006 exportierte die Schweiz Waren im Wert von 196 Mio. Fr. nach Chile und importierte für 62 Mio. Fr.
Schweizer Unternehmen haben in Chile rund 1,2 Mrd. Fr. investiert und beschäftigen dort 16’000 Personen.
Wenig offen zeigte sich die Schweiz gegenüber den Flüchtlingen der Pinochet-Diktatur: Zwischen 1973 und 1988 fanden nur 1800 Personen Zuflucht in der Schweiz, wo heute gegen 3600 chilenische Staatsangehörige leben.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch