Guantánamo und die Genfer Konventionen
Der US-Verteidigungsminister will die Haftbedingungen in Guantánamo verbessern: Dies nach dem Besuch von IKRK-Chef Jakob Kellenberger in den USA.
Vor einem Senatsausschuss verteidigte Donald Rumsfeld den geplanten Umbau des Lagers mit den Standards der Genfer Konvention.
Insgesamt werden im Lager Guantánamo auf Kuba rund 550 Terrorverdächtige festgehalten, viele von ihnen schon seit drei Jahren. Der grossen Mehrheit wurde bisher nicht der Prozess gemacht.
Verfassungswidrige Tribunale
Eine US-Bundesrichterin hatte einen Teil der Militärtribunale am Lager Guantánamo Ende Januar für verfassungswidrig erklärt.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) ist der Ansicht, dass es sich bei den dortigen Insassen um Kriegsgefangene handelt, die gemäss den Genfer Konventionen behandelt werden müssen.
Bisher hat die USA diesen Gefangenen aber den Status als Kriegsgefangene verweigert. Sie spricht stattdessen von feindlichen Kämpfern.
Die meisten der Gefangenen werden verdächtigt, der Taliban-Miliz oder dem Terrornetzwerk El Kaida anzugehören. Das IKRK besucht die Gefangenen in Guantánamo seit Anfang 2002.
Rumsfeld gibt etwas nach
Nun hat US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld indirekt eingeräumt, dass die Haftbedingungen im Lager Guantánamo gegen die Genfer Konventionen verstossen.
Vor einem Senatsausschuss in Washington verteidigte der Minister die geplante Investition von 42 Mio US Dollar (49,9 Mio. Franken) in einen Umbau des Gefangenenlagers mit der Begründung, das Geld sei notwendig, «um die Standards der Genfer Konventionen zu erfüllen».
Auf die Frage, ob Rumsfelds Aussage eine Folge der Interventionen des IKRK sei, sagte Simon Schorno, IKRK-Sprecher in Washington: «Ich möchte dazu keinen Kommentar abgeben.» Klar ist, dass Rumfsfeld seine Aussage am Tag nach den Gesprächen mit IKRK-Präsident Jakob Kellenberger machte.
Kellenberger hatte in Washington auch mit dem amerikanischen Präsidenten George Bush, Verteidigungsministerin Condoleezza Rice und mit Steven Hadley, dem neuen Berater des Präsidenten für nationale Sicherheitsfragen, Gespräche geführt.
Thema waren die Haftbedingungen der von den USA gefangen gehaltenen Kriegsgefangenen in Guantánamo , in Irak und in Afghanistan.
Am Mittwoch war zudem eine Delegation von 14 IKRK-Inspektoren nach einer einmonatigen Mission aus Guantánamo zurückgekehrt.
Kontakte wieder fester knüpfen
Ein Ziel der als diplomatisch bezeichneten Visite Kellenbergers war nach Ansicht von Beobachtern – nach langer Zeit der Spannungen zwischen dem IKRK und den USA – wieder bessere Kontakte mit der Regierung Bush zu knüpfen.
Die USA werden in verschiedenen Berichten der Folter beschuldigt. Im vergangenen Jahr waren Auszüge von vertraulichen Berichten des IKRK an die US-Regierung mit Kritik an den Haftbedingungen an die Öffentlichkeit gelangt.
Das IKRK zeigt sich seit längerem besorgt über die Haftbedingungen in Guantánamo : Wichtige Probleme der Behandlung der Gefangenen seien noch nicht behoben worden, hatte die humanitäre Organisation Ende letzten Jahres erneut erklärt.
Berichte des IKRK über die Gefangenenbesuche seien aber vertraulich. Das IKRK werde daher Meldungen in den Medien darüber weder bestätigen noch dementieren.
Die Regierung Bush ist in den letzten Monaten in der Frage dieser Gefangenen und ihrer Behandlung auch in den USA selbst vermehrt ins Feuer der Kritik geraten.
Weitere Haft nicht gerechtfertigt
Nach dem Entscheid eines Bundesgerichts, dass die Gefangenen auf Guantánamo die selben Rechte hätten wie US-Staatsangehörige, also vor allem das Recht auf einen Anwalt, Einsicht in ihre Akten und die Unschuldsvermutung, ist einiges in Bewegung geraten.
Es gab verschiedene Gerichtsentscheide zugunsten von Häftlingen aus Guantánamo. Der jüngste Entscheid der US-Bundesrichterin Joyce Green von Ende Januar beurteilte gar die Position der Administration Bush als illegal.
Green hielt fest, dass die speziellen Militärtribunale des Pentagons gegen das amerikanische Recht verstossen würden. Die Regierung müsse die Genfer Konventionen auf die Gefangenen ausweiten auf Kuba, sowieso sei eine Weiterführung des Gewahrsams nicht gerechtfertigt.
swissinfo
Nach der Genfer Konvention von 1949 müssen Kriegsgefangene mit «Menschlichkeit» behandelt werden.
Vergeltungsmassnahmen und Folter sind verboten. Kriegsgefangene dürfen nicht zu Aussagen gezwungen werden.
Sie müssen vor «Gewalttätigkeit oder Einschüchterung, Beleidigung und der öffentlichen Neugier» geschützt werden.
Das IKRK wurde 1863 vom Schweizer Henri Dunant als neutrale Agentur gegründet.
Es unterstützt Opfern von bewaffneten Konflikten mit humanitärer Hilfe.
Dazu gehören unter anderem Gefangenen-Besuche und die Überwachung der Einhaltung der Genfer Konventionen.
Das IKRK ist Hüterin der Genfer Menschenrechts-Konventionen, welche das Recht in Kriegen und bei Besetzungen festschreiben.
Im Vordergrund steht der Schutz der Zivilbevölkerung.
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