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Häusliche Gewalt: Wer schlägt, muss gehen

90% der Täter sind Männer. Keystone

Zum Schutz der Opfer häuslicher Gewalt können Täter befristet aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen werden.

Der Nationalrat (Grosse Parlamentskammer) hat wie zuvor der Ständerat (Kleine Kammer) dieser Verschärfung des Zivilgesetzes zugestimmt.

Der Nationalrat räumte am Dienstag mit 101 zu 66 Stimmen die letzte Differenz zum Ständerat aus. Demnach werden die Kantone nicht verpflichtet, Beratungsstellen für Opfer und Täter von häuslicher Gewalt anzubieten. Der Rat folgte der Mehrheit seiner Rechtskommission (RK).

Angesichts des starken Widerstandes der Kantone wollte es die RK den Kantonen überlassen, die geeigneten Vorkehrungen zu treffen. Eine von den Sozialdemokraten und den Grünen unterstützte Kommissionsminderheit verlangte indessen, am Obligatorium festzuhalten.

Beratungsstellen könnten zur dauerhaften Prävention beitragen, gerade bei Rückfallgefährdeten, sagte Minderheitssprecherin Valérie Garbani. Auf Grund des Opferhilfegesetzes hätten zudem viele Kantone schon Beratungsstellen geschaffen, und sie könnten auch mit Privaten zusammenarbeiten.

Alternativen zum Schlagen

Die Täter, in rund 90% der Fälle Männer, seien es nicht gewohnt und hätten oft nicht den Mut, Hilfe zu suchen, hielt die Initiantin und Sozialdemokratin Ruth-Gaby Vermot fest.

Doch auch sie hätten ein Recht auf Beistand. Die Kantone hätten die Pflicht, ihnen zu helfen und ihnen zu zeigen, dass es Alternativen zum Zuschlagen gebe. «Beratungsstellen können Leben retten.»

Blocher und die Hoheit der Kantone

Justizminister Christoph Blocher warnte vor dem Eingriff in die kantonale Hoheit und einem Präjudiz für spätere Fälle. Die Pflicht zu Beratungsstellen sei für die Durchsetzung von Bundes-Zivilrecht nicht nötig. Die Kantone sollten bei der Einrichtung und Bezeichnung von Beratungsstellen ihre eigenen Wege gehen können.

Nie umstritten war der Kern der Gesetzesänderung: Wohnen das Opfer und die Gewalt ausübende Person zusammen, kann der Täter oder die Täterin für eine bestimmte Zeit aus der gemeinsamen Wohnung weggewiesen werden. Die Kantone sind verpflichtet, eine Stelle zu bezeichnen, die dies im Krisenfall umgehend verfügen kann.

Schutz vor Stalking

Die Verschärfung des Zivilgesetzbuches geht auf eine parlamentarische Initiative von Ruth-Gaby Vermot zurück. Das im Jahr 2000 eingereichte Begehren wurde von der Rechtskommission um den Schutz vor Stalking ergänzt, dem obsessiven Nachstellen einer Person.

Beim Gericht soll erwirkt werden können, dass sich eine nachstellende Person ihrem Opfer nicht nähern oder sich nicht in einem bestimmten Umkreis seiner Wohnung oder an einem bestimmten Ort aufhalten darf. Auch die briefliche, telefonische und elektronische Kontaktaufnahme kann verboten werden.

swissinfo und Agenturen

Laut Amnesty International und basierend auf Medienberichten, gab es in der Schweiz im vergangenen Jahr 40 Todesfälle wegen häuslicher Gewalt.

Jede fünfte Frau wird einmal in ihrem Leben Opfer von häuslicher Gewalt. Darunter fallen Drohungen, Erpressungen, Schläge und sexuelle Gewalt.

Die volkswirtschaftlichen Kosten werden auf 400 Mio. Franken geschätzt.

Gemäss einer Studie der Universität Lausanne werden 40% der Frauen mindestens einmal im Leben Opfer von physischer, verbaler oder sexueller Gewalt.

Vergewaltigung in der Ehe war in der Schweiz bis 1993 straffrei und wurde bis Ende März 2004 nur auf Antrag geahndet.

Bis am 31. März 2004 wurden Gewalttaten in Ehe und Partnerschaft strafrechtlich nur verfolgt, wenn das Opfer einen formellen Strafantrag stellte.

Stellte das Opfer aber keinen Strafantrag oder zog diesen wieder zurück, wurden die entsprechenden Gewalttaten nicht bestraft. (Antragsdelikt)

Aufgrund einer Änderung im schweizerischen Strafgesetzbuch wird seit dem 1. April 2004 Gewalt in Ehe und Partnerschaft von Amtes wegen, also auch ohne Antrag der Betroffenen oder sogar gegen den Willen des Opfers, als Delikt verfolgt und sanktioniert. (Offizialdelikt)

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