Held und Schurke: Schweizer im US-Bürgerkrieg
Vor 150 Jahren brach in den USA der Bürgerkrieg aus, ein entscheidender Konflikt, in dem sich auch Schweizer Einwanderer auf dem Schlachtfeld gegenüberstanden. Zwei von ihnen schrieben gar Geschichte.
Während in den Vereinigten Staaten in diesen Tagen die Gedenkveranstaltungen stattfinden, beleuchtet ein schweizerisch-amerikanischer Historiker die Rolle, welche Schweizer Einwanderer in dieser entscheidenden Phase der amerikanischen Geschichte spielten.
Wie Leo Schelbert, pensionierter schweizerisch-amerikanischer Geschichtsprofessor der Universität Illinois sagt, kämpften rund 6000 Schweizer Immigranten für den Norden, also die Union. Wie viele Schweizer auf Seiten der Südstaaten in die Schlacht zogen, ist schwierig zu ermitteln.
Der berühmteste oder berüchtigste unter ihnen war der Südstaatler Heinrich «Henry» Wirz, ein Schweizer, dessen Schicksal fürs Fernsehen verfilmt wurde – mit William Shatner von ‹Star Trek› in der Hauptrolle.
«Wie heute waren auch damals die Einwanderer sehr wichtig für die Armeen bei der Rekrutierung von Kriegswilligen. Auch Schweizer waren bei den grossen Schlachten dabei», sagt Schelbert gegenüber swissinfo.ch.
Für Norbert Bärlocher, Kulturrat der Schweizer Botschaft in Washington, ist es angesichts der Millionen Einwanderer aus ganz Europa, die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika kamen, nicht erstaunlich, dass auch Schweizer in die Kämpfe verwickelt waren.
Der Verlauf des Krieges, der am 12. April 1861 begann und vier Jahre später zu Ende ging, gehört zum Routinestoff an den amerikanischen Schulen. Die Union siegte, der Süden wurde umgekrempelt, und die Nation ging trotz anhaltender Differenzen und Spannungen erstarkt aus dem Krieg hervor.
Zwei sehr unterschiedliche Schicksale
Für Wirz und seinen Schweizer Landsmann Emil Frey, einen Agronomen aus Basel, der auf Seite der Union kämpfte und in der Schlacht von Gettysburg gefangen genommen wurde, hätten sich die Dinge nicht unterschiedlicher entwickeln können.
Wirz verliess Zürich 1849 und liess sich später in Louisiana nieder, wo er als Arzt praktizierte. Als der Krieg ausbrach, schloss er sich einem südlichen Bataillon an und wurde bald schon verwundet.
Anfänglich lief es gut für den Süden, aber um 1863 konnten die Unionstruppen den Nachschub in den Süden blockieren und errangen wichtige Siege.
1864 wurde Wirz von Offizieren der konföderierten Armee zum Kommandanten eines Kriegsgefangenenlagers bei Andersonville, Georgia, ernannt, wo fast 13’000 der insgesamt 45’000 dort festgehaltenen Unionsgefangenen an Hunger oder Seuchen starben.
Als der Krieg zu Ende war, wurde Wirz nach Washington überführt, wo er wegen Verschwörung und Mordes verurteilt und gehängt wurde. Von heutigen Historikern wird die Rechtmässigkeit des Prozesses angezweifelt.
«Ich persönlich denke, er wurde zum Sündenbock gestempelt», sagt Schelbert. Dieser Meinung war auch Wirz.
«Was für ein Hohn dieser Prozess doch ist», schrieb er im Oktober 1865. «Ich habe manchmal das Gefühl, ich sollte laut ausrufen und ihnen sagen: Warum plagt Ihr euch und mich; beendet doch diese Farce und hängt mich, damit es ein Ende hat.»
Von Gettysburg in die Regierung
Während Wirz von Amerikas Einwanderungspolitik enttäuscht war, war Frey immer skeptisch geblieben. Als Mitte-Rechts-Politiker und glühender Anhänger der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild interessierte er sich wenig für das republikanische System der USA, so Schelbert.
«Ich mag Amerika nicht und werde es nie mögen», schrieb Frei im Februar 1861 kurz vor Ausbruch des Krieges.
Frey war 1860 von Baselland nach Illinois gekommen, um seine Arbeit in Agronomie voranzutreiben. Er liess sich in Highland, Illinois, nieder, einer Siedlung, die ursprünglich New Switzerland hiess und von Liberalen aus Luzern gegründet worden war.
Als der Krieg ausbrach, schloss sich Frey der Infanterie von Illinois an, die für den Norden kämpfte. «Ich brauchte Arbeit», schrieb er im Juli 1861. Laut Schelbert sagte er dann später, dass ihn vor allem die Bekämpfung der Sklaverei motiviert habe.
Am 1. Juli 1863 wurde Frey in der berüchtigten Schlacht von Gettysburg, in der 51’000 Soldaten getötet oder verwundet wurden, gefangen genommen. Die Bedingungen als Kriegsgefangener des Südens waren schrecklich. «Er durfte Ratten fangen und sie kochen», sagt Schelbert.
Nach dem Krieg kehrte Frey in die Schweiz zurück, als «Held», wie es in einem Nachruf der New York Times 1922 stand. Er wurde Mitglied der Kantonsregierung von Baselland, dann Nationalrat und 1882 zum ersten Schweizer Botschafter in den USA ernannt. 1890 war er Verteidigungsminister.
«Wenn man bedenkt, was für eine Tortur er durchgemacht hat, ist es kein Wunder, dass er nie davon sprach, in die USA zurückzukehren», sagt Schelbert.
«Aber Frey ist mit Sicherheit einer der wenigen Schweizer, die an entscheidenden Momenten der amerikanischen Geschichte mitgewirkt haben.»
Am 12. April 1861 bombardierten Batterien der von der Union abgefallenen Südstaaten das von US-Truppen gehaltene Fort Sumter in Charleston (South Carolina).
Im Norden war seit Beginn des 19. Jahrhunderts eine moderne Industriegesellschaft heran gewachsen, der Süden dagegen blieb eine agrarisch-feudale Pflanzer-Gesellschaft, die zur Bestellung ihrer Baumwoll-, Tabak- und Zuckerrohrplantagen die Arbeitskraft von fast vier Millionen «Negersklaven» einsetze.
Im Norden forderten die «Abolitionisten» unter Berufung auf die Menschenrechte die Abschaffung der Sklaverei, während der Süden durch einen solchen Schritt um sein Baumwollmonopol fürchten musste.
Auslöser für den militärischen Konflikt war die Wahl des Republikaners Abraham Lincoln Ende 1860. 11 Südstaaten traten daraufhin aus der Union aus und bildeten Ende Februar 1861 die «Konföderierten Staaten».
Nach dem Krieg wurden die Südstaaten bis 1877 unter Militärverwaltung gestellt.
Die «befreiten» schwarzen Sklaven erhielten zwar 1866 die Bürgerrechte, doch blieben sie bestenfalls Menschen zweiter Klasse.
An die Stelle der Sklaverei trat die Rassentrennung, welche die Südstaaten ab 1876 in den sogenannten «Jim-Crow-Gesetzen» festschrieben.
Während des amerikanischen Sezessionskrieges von 1861-
1865 dienten rund 6000 Schweizer auf Seiten der Union und eine unbekannte Zahl auf Seiten der Konföderierten.
In der Unionsarmee gab es mehrere Schweizer Einheiten: Das 15. Missouri Regiment hatte den Übernamen «Swiss Rifles», obschon auch viele Deutsche dort dienten.
Ferner gab es in zahlreichen Regimentern Schweizer Kompanien, so beim 39th New York Infantry Regiment («Garibaldi Guard»), bei den U.S. Sharpshooters, oder im 24th und im 82nd Illinois Infantry Regiment.
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)
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