Hepatitis C: Eine stille Epidemie
Erst 1989 entdeckt, breitet sich das Hepatitis-C-Virus weltweit aus. In der Schweiz könnte bis 1% der Bevölkerung Virusträger sein.
Impfstoff gibt es keinen. Die Prävention steht zwar, aber es wird noch Jahrzehnte dauern, bis die Zahl der Krankheitsfälle abnimmt.
Weltweit sind rund 3% der Menschheit mit dem in der Öffentlichkeit noch wenig bekannten Hepatitis-C-Virus infiziert, etwa 170 bis 200 Mio. Menschen. In Westeuropa liegt der Anteil teils unter einem Prozent, in Ägpyten beispielsweise oder in der Mongolei beträgt er 5% und mehr.
Für die Schweiz wird mit einem Anteil von 0,7 bis 1% der Gesamtbevölkerung gerechnet, was 50’000 bis 70’000 Personen entspricht. Diese hatten Kontakt mit dem Virus – eine Infektion wurde jedoch nur bei 20’000 festgestellt.
Diese Zahlen sagen nichts darüber aus, wie oft die Infektion ausheilt oder Folgen zeitigt, also chronisch verläuft und schliesslich zu Leberzirrhose (Narben) oder Leberkrebs führt.
Kein Impfstoff
Im Vorfeld des internationalen Hepatitis-C-Tages vom 1. Oktober informierte die Patientenorganisation Help C (Deutschschweiz) zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) und spezialisierten Ärzten am Freitag in Bern über die häufig nicht erkannte Krankheit.
Es handle sich um ein «schwerwiegendes Problem», sagte Alfred Dietrich, Präsident von Help-C (Deutschschweiz). «Jährlich kommt es bis zu 1000 neuen Infektionen in der Schweiz», so Dietrich. «Bis zu 70 Menschen sterben.»
Ein Impfstoff ist bisher nicht in Sicht. «Das Produzieren eines Impfstoffs dürfte ein schwieriges Unternehmen sein, da das Virus stark variiert», erklärt der Genfer Arzt Francesco Negro gegenüber swissinfo. Er rechnet deshalb vorerst mit einem Impfstoff, der zwar nicht vollständig gegen Hepatitis C immunisiert, die Folgen der Krankheit jedoch abschwächt.
Heimlich, unbemerkt und oft zu spät
Das C-Virus wurde erst 1989 entdeckt. Die Hepatitis-Typen A, B und C gehören wie das HI-Virus (Aids) zu den Viren, die über das Blut übertragen werden.
Bei der Hälfte der Virusträger wird Hepatitis C auch jetzt noch überhaupt nicht diagnostiziert. Oft entdeckt man das Virus nur zufällig, und schon aufgetretene Leberschäden werden mit Alkoholschäden verwechselt.
Da es Jahre bis Jahrzehnte dauern kann, bevor die Infektionen Beschwerden auslöst, werden die Viren meist im Rahmen von Check-ups, Vorsorge-Untersuchungen oder beim Blutspenden entdeckt.
Während sich früher in der Schweiz auch Transfusions-, Dialysepatienten und medizinisches Personal anstecken konnte, konzentriert sich seit der hygienischen Absicherung gegen das Virus Anfang 1990er-Jahre der Kreis der Gefährdeten auf Leute, die unsaubere Spritzen für den Drogenkonsum nutzen.
Doch treten bei zahlreichen früheren Transfusionspatienten die Folgen erst jetzt zu Tage.
Risiken in Spitälern der Dritten Welt
Die sexuelle Übertragung des C-Virus ist viel seltener als jene des B-Virus oder des HI-Virus.
Ein grosses Risiko gehen Reisende bei Spitalaufenthalten oder ärztlicher Behandlung in der Dritten Welt oder im Mittelmeergebiet ein, wo das Geld für eine Hepatitis-C-sichere Hygiene meist fehlt.
«Das Hepatitis-B-Virus ist zwar viel infektiöser als das C-Virus», sagt Pierre-Alain Raeber vom BAG, «aber beim B-Virus besitzt man ein Impfmittel». Bei der Hepatitis C jedoch entwickeln 80% der Infizierten chronische Krankheiten. Von den Todesursachen wird die Hälfte auf Leberzirrhose und ein weiterer Drittel auf Leberkrebs zurückgeführt.
Schwierige Prävention, teure Folgen
«Die schlechte Nachricht ist, dass sich die Ansteckungs- und Krankheits-Statistiken nicht derart bessern wie bei Hepatitis B», sagt Raeber. Die bereits etablierten Präventions-Massnahmen bei Transfusionen, im Medizinalbereich, im Bereich der Drogenpolitik greifen also weniger. «Die positiven Effekte wird man erst in einem Jahrzehnt spüren», so Raeber.
Eine C-Infektion tritt am häufigsten bei 25- bis 50-Jährigen auf. Eine Therapie kann mehrere zehntausend Franken kosten.
Da bis 1% der Schweizer Bevölkerung das Virus in sich tragen dürfte, kann man sich vorstellen, was das für Kosten für das Gesundheitswesen bedeutet.
Die Spezialisten rechnen dabei in Jahrzehnten: «Auch wenn die Prävention sofort nützt und die Frischansteckungen zurück gehen, rechnet man bis 2027 mit einer Zunahme der teuren Leberzirrhose-Fälle», sagt der Gastroenterologe Beat Helbling vom Zürcher Stadtspital Waid. Erst ab 2030 dürfte diese Zahl zurückgehen.
swissinfo, Alexander Künzle
Laut Bundesamt für Gesundheit sind in der Schweiz zwischen 35’000 und 70’000 Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert.
Der wichtigste Risikofaktor (70%) bleibt der intravenöse Drogen-Konsum,
gefolgt von medizinischen Transfusionen, Dialysen etc.
Sexuelle Kontakte rangieren erst weit hinten bei der Infektion.
Jährlich werden zwischen 60 und 100 akute Fälle gemeldet.
Die Inzidenz ist bei den 25- bis 45-Jährigen am höchsten.
Die Leber ist die «chemische Fabrik» des menschlichen Körpers.
Sie entgiftet und reinigt den Körper von schädlichen Substanzen.
Sie bildet Galle, die im Darm eine wichtige Rolle bei der Verdauung spielt.
Eine Entzündung der Leber heisst Hepatitis. Bestimmte Viren (Hepatitis-Viren A bis E) oder Alkohol schädigen die Leber.
Kann die Entzündung nicht ausheilen, wird sie chronisch, das Risiko einer Leberzirrhose oder eines Krebsbefalls steigt.
Die Giftstoffe werden rückgestaut, Hirnfunktionen werden gestört, der Blutfluss wird behindert.
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