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Hickhack unter der Bundeshauskuppel

Nationalrat Alexander Tschäppät und Ständerätin Helen Leumann von der GPFeL vor den Medien. swissinfo.ch

Der Vorwurf, Bundesrat Samuel Schmid habe bei den Befragungen zum Thema "Schweizer Nachrichtendienst und Südafrika" gelogen, ist falsch.

Die Abklärungen des Parlaments sind durch eine parallel laufende Administrativuntersuchung gestört worden. Beide Seiten machen sich Vorwürfe.

Am Wochenende hatte der SonntagsBlick auszugsweise einen Bericht abgedruckt, in dem die Geschäftsprüfungsdelegation der Räte (GPDel) angeblich schwere Vorwürfe gegen VBS-Chef Schmid erhob. Die GPDel trat am Montag geschlossen vor die Medien, um die Dinge zurecht zu rücken. Gleichentags wurde ihr definitiver Bericht von den GPK zur Kenntnis genommen und veröffentlicht.

Strafanzeige eingereicht

Der vom Boulevard-Blatt aufgegriffene Bericht sei mehrere Wochen alt, sagte GPDel-Präsident Alexander Tschäppät. Die Delegation habe den «emotionell gefärbten» Text eines wissenschaftlichen Mitarbeiters ohne längere Diskussion einstimmig verworfen, weil er sich als teilweise nicht tatsachenkonform herausgestellt habe.

Die GPDel akzeptiert die vom SonntagsBlick geäusserten «Mutmassungen» nicht und verlangt, dass der genaue Hergang der Publikation abgeklärt wird. Sie hat deshalb beschlossen, eine Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung und Veröffentlichung amtlich geheimer Verhandlungen einzureichen.

Schmid verliess sich auf Schweizer

Insbesondere legt die GPDel Wert darauf, «dass der Vorwurf der Lüge an Bundesrat Schmid unhaltbar ist». Laut den Zitaten im SonntagsBlicks hatte Schmid Tschäppät gegenüber wider besseres Wissen gesagt, der südafrikanische Staatsanwalt Anton Ackermann sei nicht vom VBS, sondern von der Bundesanwaltschaft eingeladen worden.

Ihre Differenz mit dem VBS-Vorsteher in dieser Frage rühre daher, dass Schmid vorbehaltlos die Darstellung des von ihm mit einer Administrativuntersuchung im VBS betrauten Professors Rainer Schweizer übernommen habe, hält die GPDel fest. Schmid nahm laut VBS-Sprecher Oswald Sigg mit Befriedigung Kenntnis davon, «dass der Vorwurf der Lüge vom Tisch ist».

Völlig unverhältnismässig

Das VBS habe den Aufenthalt von Ackermann bezahlt, bestätigte Schweizer am Abend an einer weiteren Medienkonferenz. Der Staatsanwalt habe sich bereit erklärt die Bundesanwaltschaft und das VBS zu unterstützen. Er habe diese Hilfe auch der GPDel angeboten, doch sei dieser nicht interessiert gewesen.

Ein Bundesrat könne doch nicht im Detail über jeden der wöchentlich rund hundert Expertenbesuche im Bild sein, sagte Schweizer. Diese Auseinandersetzung sei völlig unverhältnismässig. Auch Tschäppät hatte von einer Detailfrage gesprochen, die nur wegen der differierenden Aussagen diese Bedeutung gewonnen habe.

In die Quere gekommen

Laut Tschäppät führte die Parallelität der GPDel-Arbeiten mit der Administrativuntersuchung immer wieder zu Problemen. Schmid habe vorab die Frage einer Aktenvernichtung im VBS klären wollen. Schweizer habe seinen Auftrag dann aber «sehr extensiv» interpretiert und sei damit der parlamentarischen Oberaufsicht in die Quere gekommen.

Am Ende hätten die GPDel und Schweizer praktisch die gleiche Untersuchung zur gleichen Thematik geführt, sagte Tschäppät. So habe der Beauftragte eine umfangreiche Aktenedition der GPDel übernommen. Auch der Versand eines zweifelhaften Fragebogens an Wouter Basson im Rahmen der Administrativuntersuchung habe die Arbeit der GPDel behindert.

Parlamentsgesetz ändern

In andern Fällen hätten parallele Untersuchungen nicht zu solchen Problemen geführt, stellt die GPDel fest. Nach den jüngsten Erfahrungen verlangt sie nun aber eine Gesetzesänderung, damit sie künftig Administrativ- und Disziplinaruntersuchungen im Zusammenhang mit ihren eigenen Ermittlungen verhindern oder unterbrechen kann.

In seiner ersten Stellungnahme vom Montag räumte auch das VBS «gewisse Abgrenzungsfragen» ein, die künftig zu vermeiden seien. «Wir bedauern die Schwierigkeiten und Fehler, die daraus entstanden sind.» Es sei das Bemühen Schmids gewesen, dem Untersuchungsbeauftragten die nötige Unabhängigkeit für seine Recherchen zu geben.

Verweigerung des Rechtlichen Gehörs?

Schweizer seinerseits stellte fest, dass er sich stets an sein – von der GPDel stillschweigend akzeptiertes – Mandat gehalten und wiederholt das Gespräch mit der Delegation gesucht habe. «Ich bedaure, dass ab Mai 2002 zwischen der GPDel und dem VBS bzw. dem Untersuchungsbeauftragten kein vernünftiger Dialog mehr zustande kam.»

Im Gegensatz zur GPDel bleibt Schweizer dabei, dass ihm – trotz Vorwürfen, «die durchaus persönlichkeitsverletzend sind» – das rechtliche Gehör vorenthalten wurde. Zu dem bereits am 19. Mai 2003 bereinigten Berichtsentwurf sei er nie angehört worden. Erst Mitte September habe er mit einer «völlig unmöglichen Frist» Auszüge erhalten. Den nun verabschiedeten Bericht habe er nicht gesehen.

Mit Schreiben vom 2. Oktober hat der Bundesrat vom Bericht der GPDel Kenntnis genommen und sein Einverständnis zur Publikation gegeben.

swissinfo und Agenturen

Die Geheimdienst-Beziehungen Schweiz-Südafrika werden von mehreren Organen untersucht. Die Hauptakteure: die GPDeL, das VBS, die Bundesanwaltschaft und das Untersuchungs-richteramt.

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