Hilfe im Kampf gegen Aids und Prostitution
Die Schweiz unterstützt in Kirgisistan Projekte gegen Aids und Prostitution. Beispielsweise in der Stadt Osch, Drehscheibe für Drogen, Frauen und käuflichen Sex.
Denn wer für weniger als drei Dollar den eigenen Körper verkaufen muss, verzichtet allzu häufig für etwas mehr Geld aufs Kondom.
«Unsere Aufgabe ist es, Jugendliche über die Gefahren von Geschlechtskrankheiten und Drogen aufzuklären», sagt Fatima Koshokova. Sie ist die Leiterin des «Rainbow Centre», das im Zentrum der Stadt im Parterre eines alten Plattenbaus untergebracht ist.
Die Mitarbeitenden des «Rainbow Centre» besuchen Schulen im Süden Kirgisistans, führen Seminare durch und verteilen Kondome. Finanziert wird das Projekt mit 530’000 Franken über drei Jahre von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA).
Abstinenz als beste Verhütung
Dilshad, ein 22-jähriger Mitarbeiter des Zentrums, sitzt mit einer Gruppe von rund 20 Jugendlichen der Sekundarstufe im Eingangsraum. Er rollt gerade ein Kondom über zwei seiner ausgestreckten Finger. Zu zweit machen es ihm die Schülerinnen und Schüler nach. Einige lachen versteckt, anderen scheint die Situation eher unangenehm zu sein. Nach vollendeter Übung macht ein Tuch die Runde, um das Gleitmittel von den Fingern zu wischen.
«Abstinenz zu lehren ist unser Hauptziel», sagt Dilshad, «aber wenn sie sexuell aktiv sein wollen, sollen sie Kondome benutzen.» Es sei ein grosses Informationsbedürfnis vorhanden zu den Themen Aids und Sex. «Über solche Angelegenheiten können wir in unserer Kultur nicht mit unseren Eltern sprechen – nicht einmal mit unseren Geschwistern», erklärt er.
Explodierende Aids-Rate
Laut der offiziellen Statistik ist die Ansteckung mit dem Immunschwäche-Virus Aids in Kirgisistan über die ganzen frühen 90er-Jahre stabil geblieben und betrug weniger als 30 Fälle pro Jahr. Aber seit 1999 steigt sie schnell: 2002 wurden 362 Fälle erfasst.
Einer der Gründe für diese Steigerung ist die Prostitution, die im Süden des Landes einen massiven Aufschwung erlebte. «Im Vergleich zu 1999 hat sich die Zahl der Zuhälter vervielfacht. Damals gab es nur sechs Zuhälter, heute sind es Dutzende», sagt Abdiraimov Taalai, Direktor eines Streetworker-Projekts für Prostituierte in Osch. «Einige sind gut organisiert und importieren junge Frauen aus Usbekistan und Tadschikistan», ergänzt er. Es seien auch Fälle von Frauenschmuggel bekannt, wo junge Kirgisinnen in die Arabischen Emirate verkauft worden seien.
Seine Organisation «Podruga» – «Freundin» auf Russisch – versucht die Prostituierten über Geschlechtskrankheiten und Aids zu informieren und gibt Kondome ab. Osch ist Drehscheibe für Heroin aus Afghanistan und Durchgangsort für Soldaten, Polizisten, Taxi- und Lastwagenfahrer. Viele davon auf der Suche nach käuflichem Sex. Die Hilfswerk-Mitarbeitenden schätzen, dass sich in der Viertelmillionen-Metropole um die 1000 Frauen prostituieren.
«Safer Sex» ein Fremdwort
«Ich versuche, die Mädchen zu überzeugen, dass sie mit jedem Freier Kondome benutzen sollen. Aber viele Männer wollen ungeschützten Geschlechtsverkehr», sagt Streetworkerin Gula, die selber sieben Jahre lang auf den Strich ging. Das Konzept von «Safer Sex» werde von vielen Freiern nicht akzeptiert, und für einen Aufpreis seien viele Frauen bereit, auf das Kondom zu verzichten.
Der Sex-Markt in Osch ist segmentiert, wie in einer europäischen Grossststadt, erzählt Taalai. Ganz zuoberst in der Hierarchie stehen die Callgirls, die in den Hotels arbeiten, zuunterst stehen drogenabhängige Frauen am Park neben der Hauptstrasse, die pro Freier weniger als drei Dollar verlangen.
Vertrauen aufbauen
«Podruga», 1998 von Médecins Sans Frontierès (MSF) gegründet, organisiert für die Prostituierten auch medizinische Unterstützung und Aids-Tests. «Ich betreue eine Gruppe von 20 Frauen, die auch Drogen konsumieren. Ich bringe ihnen frische Spritzen und nehme die alten mit», sagt Gula. «Für viele Frauen ist die Verlockung gross, sich zu prostituieren. Ich versuche ihnen zu sagen, dass sie für das schnelle Geld einen hohen Preis zahlen.»
Direktor Taalai und seine Organisation können Erfolge verbuchen: «Als wir mit unserer Arbeit begannen, rannten die Frauen weg, wenn sie unser Auto sahen, weil sie dachten, wir seien von der Polizei», erinnert er sich. «Heute freuen sich die Prostituierten auf unseren Besuch.» Die Helfer von «Podruga» besuchen sie in den Strassen, Saunas und Hotels von Osch.
swissinfo, Jacob Greber und Philippe Kropf, Osch
Selbst die offizielle Aids-Statistik zeigt einen riesigen Anstieg der Neuansteckungen
1990: 30 Personen
2002: 326 Personen
Im Süden Kirgisistans nimmt die Aids-Rate stark zu. Betroffen sind vor allem Drogensüchtige und Prostituierte.
Grund dafür sind das billige Heroin aus Afghanistan und die grosse Zunahme der Prostitution in den letzten zehn Jahren.
Vor allem Drogen konsumierende Prostituierte sind eine Risikogruppe.
Die Nichtregierungs-Organisation (NGO) «Podruga» betreibt seit 1998 ein Streetworker-Projekt für diese Frauen.
Die NGO «Rainbow Centre» führt Seminare über Sex, Verhütung, Geschlechtskrankheiten und Aids in Schulen durch.
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