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Holocaust-Gedenktag gegen das Vergessen

KZ Chelmno, Polen: Filmstill aus Shoah - einem Film von Claude Lanzmann. (Bild: CNDP) CNDP

Am Freitag wird an Schweizer Schulen zum dritten Mal der Holocaust-Gedenktag durchgeführt. Themen wie Rassismus und Toleranz stehen im Zentrum.

Bundespräsident Moritz Leuenberger rief dazu auf, dem Rassenhass seinen Nährboden zu entziehen. Der Holocaust dürfe niemals vergessen werden.

Der Gedenktag geht auf eine Idee des Europarates zurück. Im Jahr 2002 beschlossen die europäischen Bildungsminister, ab 2003 einen «Tag des Gedenkens an den Holocaust und der Verhütung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit» in den Schulen der Mitgliedstaaten zu veranstalten.

Der Gedenktag findet jeweils am 27. Januar statt, dem Tag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee im Jahr 1945.

In der Schweiz wurde er erstmals 2004 begangen – nach einem Beschluss der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK).

Der Bezug zur Gegenwart

Für Richard Helbling, Zentralsekretär der Stiftung Bildung und Entwicklung, ist es für die Schulen nicht einfach, mit dem Gedenktag umzugehen. Der Tag dürfe nicht isoliert begangen werden, sondern müsse in einen Gesamt-Zusammenhang gestellt und auch von den Behörden gestützt werden.

«Die Thematik des Holocaust ist für die Jungen von heute weit weg. Der Stoff muss erlebbar gemacht werden. Und das ist gar nicht so schwierig», so Helbling gegenüber swissinfo.

Denn auch 60 Jahre nach dem Millionenmord an Juden sind Genozide und Verbrechen gegen die Menschlichkeit immer noch erschreckend aktuell. Bosnien, Ruanda, Tschetschenien – hier kann angeknüpft werden. «Die Erinnerungskomponente ist zentral», betont Helbling.

Thematisieren statt schweigen

«Der Tag bietet die Möglichkeit, der Genozide, auch der Shoah, zu gedenken und damit verbundene Themen im Geschichtsunterricht zu erarbeiten», sagt Michel Rohrbach, Dokumentalist bei der EDK. Wie das gemacht werde, sei sehr unterschiedlich.

«In Genf wird den Schülerinnen und Schülern in diesem Jahr der Film ‹Shoa› von Claude Lanzmann gezeigt. Natürlich reicht ein Tag nicht aus, um dieses Thema aufzuarbeiten.» Die Kinder und Jugendlichen müssten stufengerecht in die Problematik eingeführt werden, so Rohrbach gegenüber swissinfo.

Es werden Ausstellungen erarbeitet und Ausstellungen (z.B. die Bergier-Ausstellung) besucht, Berichte von Zeitzeugen und Opfern gelesen, Themen wie Rassismus, Diskriminierung, Menschenrechte und Toleranz behandelt. Es wird diskutiert und debattiert. Der Kanton Luzern hat für die Lehrkräfte ein Handbuch mit Ideen zum Thema zusammengestellt.

Laut Helbling kam der Holocaust-Gedenktag etwas zu schnell. «Es gab nur eine kurze Vorlaufzeit, dies ist vermutlich auch der Grund, wieso dieser Tag in der Schweiz noch nicht verwurzelt ist. Das braucht Zeit.»

Das Engagement des Einzelnen

Wie viele Schulen den 27. Januar speziell begehen, weiss die EDK nicht. Laut Rohrbach gibt es immer mehr Projekte und immer mehr Lehrpersonen, die Informationen weitergeben.

Unterstützung erhalten die Lehrer von Educa, einer Austauschplattform der EDK, sowie von der Stiftung Bildung und Entwicklung, die Projektvorschläge und pädagogisches Begleitmaterial zur Verfügung stellen.

Es liegt an den einzelnen Kantonen und Schulen und schliesslich an den Lehrerinnen und Lehrern selber, wie und ob sie diesen Gedenktag gestalten wollen.

Und wer weiss, vielleicht wird es noch vielen jungen Menschen ergehen wie diesem Schüler aus dem Luzernischen, der sich am Anfang für das Thema Holocaust nicht interessierte und dann anhand konkreter Beispiele diese Schreckensjahre nachvollziehen konnte.

«Ich finde es wichtig, darüber zu sprechen. Faschismus ist ja auch bei uns in der Schule ein Dauerthema.»

swissinfo, Gaby Ochsenbein

2002: Der Europarat spricht sich für einen «Tag des Gedenkens an den Holocaust und der Verhütung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit» aus.

Der Tag findet jeweils am 27. Januar statt. Dieses Datum markiert die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.

In der Schweiz findet 2004 der Holocaust-Gedenktag zum ersten Mal statt.

Deutschland kennt seit 1996 einen Holocaust-Gedenktag.

Nach Veröffentlichung des Berichts der Unabhängigen Kommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg (Bergier-Kommission) hat der Bundesrat einen Sonderkredit von 15 Mio. Franken für fünf Jahre gesprochen.

Mit dem Geld wurden Bildungs- und Präventionsprojekte in den Bereichen Menschenrechte und Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit unterstützt. Davon flossen 2,5 Mio. Franken in den schulischen Bereich.

Die Stiftung Bildung und Entwicklung sowie Educa stellen den Lehrkräften Unterrichtsmaterialien und Projektvorschläge zum Thema Holocaust und Rassismus zur Verfügung.

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