Hooligans – wer sind sie?
Fussball-Hooligans sorgten nach dem Meisterschaftsfinale letzten Samstag für die bisher schwersten Krawalle. Zwei Soziologen versuchen, die Gewalttäter zu charakterisieren.
Jung, sozial integriert und meistens apolitisch: Das der gemeinsame Nenner der Schläger an Sportveranstaltungen.
In der Vorstellung sind sie ausgegrenzt. In der Realität sind sie sozial und beruflich integriert. In der Vorstellung haben sie Verbindungen mit der rechts-extremen Szene. In der Realität sind sie aber grösstenteils unpolitisch.
Dieses Profil von Fussball-Hooligans hat der Soziologe Thomas Busset entwickelt. In einer Studie zu Rechtsextremismus und Fussball, die der Mitarbeiter am Institut für Sportwissenschaften der Universität Neuenburg für den Schweizerischen Nationalfonds verfasste.
Heterogene Gruppe
Busset untersuchte dabei Fangruppen der drei Klubs FC Basel, Servette Genf sowie Berner Young Boys. Er befragte Hooligans insbesondere nach ihren Motiven, Lebensläufen und politischen Einstellungen.
«Wir stellten fest, dass die gewalttätigen Fans keiner spezifischen Gruppe oder sozialen Schicht angehören», fasst Busset zusammen. Andere Studien aus der Schweiz und dem Ausland bestätigten dies.
Niederlage als Katastrophe
Wie aber kommt es überhaupt dazu, dass Besucher an Sportveranstaltungen gewalttätig werden? Solche Eskalationen wertet der Basler Soziologe Ueli Mäder als Kompensation alltäglicher Frustrationen und fehlender Perspektiven.
«Das grosse Geld spielt ebenfalls mit, es verleiht dem ‹Endsieg› eine immense Bedeutung», so Mäder. Bei einer Niederlage gehe die Welt unter, denn das Konkurrenzdenken sei ganz aufs Siegen ausgerichtet. Nicht nur im Fussball, wie Mäder betont.
Er knüpft an den gesamtgesellschaftlichen Rahmen an: Die Gewalt komme mitten aus der Gesellschaft, diese beliefere die Jugendlichen mit entsprechenden Vorbildern und Mustern.
Stark verändertes Bild
Thomas Busset stellte in seiner Untersuchung eine starke Wandlung des Profils von Hooligans fest. «Anfang der 1960er-Jahre, als das Phänomen in Grossbritannien auftauchte, gehörten Hooligans vor allem zur Arbeiterklasse, und ihr Tun war nicht politisch motiviert.»
In den folgenden zwei Jahrzehnten habe dann die extreme Rechte versucht, in den Stadien massiv neue Mitglieder zu rekrutieren, was aber kaum gelungen sei.
Tabus gebrochen
Heute präsentiert sich laut Busset eine stark verjüngte Hooliganszene. Merkmal dieser «neuen» Hooligan-Generation: Sie kennt keine Hemmungen mehr. Im Gegensatz zu früher, als sich Hooligans bei Schlägereien an genaue Regeln gehalten hätten.
«Die Schlägergruppen mussten etwa gleich gross sein, und es war Tabu, weiter gegen einen Gegner zu treten, der am Boden lag», beschreibt er. «Heute gelten diese Regeln nicht mehr.»
Zwei Richtungen
Busset unterscheidet zwischen zwei gewalttätigen Typen rund um Sportveranstaltungen: Hooligans und Ultras.
Hooligans orientierten sich an der britischen Szene, die Gewalt stehe im Vordergrund. «Ihr Ziel ist die Schlägerei. Verfeindete Hooligan-Gruppen vereinbaren oft einen Kampf ausserhalb des Stadions, wo sie dann aufeinander losgehen.»
Bei den Ultras steht eine emotionale Dimension im Vordergrund. Sie unterstützen fanatisch ihren Klub, betrachten das Stadion als ihr Territorium und reagieren auf Ereignisse. «Verliert ihr Team, wollen sie die Hierarchie wieder herstellen, in dem sie den Platz stürmen», illustriert Busset.
Der Fall Basel
Gemäss Busset waren es Ultras, welche am Samstag die Krawalle auslösten. «Die Ausschreitungen waren nicht geplant. Die Basler Supporter kamen mit der Gewissheit an den Match, ihre Mannschaft gewinnen zu sehen.»
Dann sei aber alles anders gekommen, und sie hätten mit Gewalt reagiert. Busset: «Die Frustration hat sich in Attacken gegen die Spieler des Gegners gewandelt.»
Vier Gruppen von Fans
Ueli Mäder nimmt eine leicht andere Typisierung vor, indem er zwischen A-,B-, C- und E-Fans unterscheidet. «Die überwiegende Mehrheit der Matchbesucher sind A-Fans. Sie fiebern mit und verhalten sich fair.»
B-Fans organisierten sich und würden die Vereinsfarben tragen, stimmten Fahnengesänge an und buhten Schiedsrichter und gegnerische Teams aus. Prügeleien gehörten aber nicht zu deren Repertoire.
«C-Fans werden als Hooligans bezeichnet. Ein Teil ist auf organisierte Gewalt aus. Die meisten von ihnen halten sich aber an die englische Tradition mit strengen Geboten», so Mäder.
Auch Markenfetischisten dabei
Als E-Fans bezeichnet er so genannt erlebnisorientierte Fans, die sehr stimmungsabhängig und an den Klubs nur mässig interessiert seien. Zu ihnen zählt Mäder auch Modefans.
«Sie beteiligen sich sporadisch an Schlägereien. Die Ultras sind den C-Fans am nächsten. Gemäss italienischem «Vorbild» brennten sie auf den Rängen bengalische Fackeln und feuerten Leuchtraketen ab.
swissinfo, Alexandra Richard
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)
Klassifizierung nach Ueli Mäder:
A-Fans: Fiebern mit und verhalten sich fair.
B-Fans: Sind oft in Fanklubs organisiert und tragen Vereinsfarben, singen und buhen Schiedsrichter und gegnerische Teams aus. Wenden keine Gewalt an.
C-Fans: Die eigentlichen Hooligans. Davon ist ein Teil auf organisierte Gewalt aus.
E-Fans: Erlebnisorientiert und sehr stimmungsabhängig, an Fussball nur mässig interessiert.
Nach dem entscheidenden Spiel in der Schweizer Meisterschaft in Basel kam es zu den grössten Krawallen im Schweizer Fussball.
Der Heimklub FC Basel war gegen den «Erzrivalen» FC Zürich grosser Favorit.
Nach dem Siegtreffer der Zürcher wenige Sekunden vor Schluss stürmten Basler Hooligans das Feld und griffen Spieler des neuen Meisters aus Zürich an.
Die Polizei hielt die teils Vermummten mit Gummigeschossen in Schach.
Ausserhalb des Stadions kam es zu schweren Ausschreitungen, bei denen die Polizei Wasserwerfer und Tränengas einsetzte.
Rund 130 Personen wurden verletzt, 25 vorübergehend verhaftet.
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