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Immer mehr Schweizer Schulkinder übergewichtig

Auch in der Schweiz sind immer mehr Kinder schon in jungen Jahren übergewichtig und fettleibig. Keystone

In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der übergewichtigen Kinder in der Schweiz mehr als verdreifacht, jene der fettleibigen beinahe versechsfacht. Dies belegt eine Studie der ETH Zürich.

Zwischen Knaben und Mädchen besteht bezüglich Fettleibigkeit und Übergewicht kein bedeutender Unterschied.

18 Prozent der Knaben und 20 Prozent der Mädchen im Alter von 6 bis 12 Jahren sind übergewichtig, wie die ETH am Donnerstag mitteilte. An Fettleibigkeit leiden etwa vier Prozent der Knaben und Mädchen.

Es gibt kaum Unterschiede, ob ein Kind auf dem Land oder in einer Stadt lebt. Auch gibt es keine Gegend in der Schweiz, in der signifikant mehr dicke Kinder leben.

Hauptgründe für das Übergewicht sind in erster Linie falsche Ernährung und Bewegungsmangel.

Gravierende gesundheitspolitische Folgen

Die starke Zunahme von Übergewicht und Fettleibigkeit könne gravierende gesundheitspolitische Folgen haben, warnt das Labor für Humanernährung der ETH Zürich. Starkes Übergewicht führe oft zu schweren psychischen und physischen Schäden sowie vermindertem Selbstwertgefühl, Diabetes, Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen.

Als primäre Ursachen für das Übergewicht gelten falsche Ernährung und Bewegungsmangel. Nötig sei mehr Prävention, heisst es in der Mitteilung der ETH. Dazu gehöre konsequente Ernährungslehre in den Schulen und ein angepasster Sportunterricht.

Angestrebt werden solle neben höherem Energieverbrauch durch körperliche Aktivität eine langfristige Umstellung der Lebens- und insbesondere der Essgewohnheiten.

Weltgesundheits-Organisation warnte

«Diese Studie zeigt, was wir von der WHO schon seit Jahren betonen», sagte David Porter, Pressesprecher der Weltgesundheits-Organisation. Für ihn ist klar: «Wir müssen das Thema gesunde Ernährung und Bewegung vermehrt ansprechen.»

Und mit Bewegung sei nicht Sport allein gemeint. Es gehe auch darum, Spielflächen für Kinder zu erhalten und den Kindern zu ermöglichen, zu Fuss zur Schule zu gehen.

«Ernährungs-Lektionen sind sehr wichtig», ergänzt Porter. Doch nicht nur die Schule sei gefordert. In ihrer Strategie für gesunde Ernährung und Bewegung hat die WHO auch die Lebensmittel-Industrie in Visier: «Wir wollen so viele Kreise wie möglich ansprechen.»

2431 Kinder untersucht

Die ETH-Forschenden haben das Körpergewicht und den Körperfettanteil von insgesamt 1235 Mädchen und 1196 Knaben aus der ganzen Schweiz gemessen.

Um festzustellen, ob die untersuchten Kinder übergewichtig sind, haben sie den so genannten Bodymass-Index (BMI) ausgerechnet und den prozentualen Körperfett-Anteil bestimmt.

Der BMI errechnet sich aus dem Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch die Körpergrösse in Metern im Quadrat. Wenn er bei Erwachsenen zwischen 26 und 30 liegt, sprechen Mediziner von Übergewicht. Wer einen BMI von über 30 hat, gilt als fettleibig.

Der prozentuale Körperfettanteil wird über die Dicke von vier Hautfalten bestimmt. Diese Messung erfolgt an verschiedenen Körperteilen, so am Bizeps, am Trizeps, unterhalb des Schulterblattes sowie im Hüftbereich.

Liegt der Anteil gar höher?

Michel Cauderey, Arzt am Samariter-Spital in Vevey, befürchtet, dass die Studie der ETH den Anteil übergewichtiger und fettleibiger Kinder gar unterschätzt. Der angewandte BMI sei auf Erwachsene ausgerichtet, und nicht auf Kinder im Wachstum, warnt Cauderey.

«Bei uns in der Kinder-Abteilung für Herz- und Kreislaufkrankheiten gilt ein Kind als fettleibig, wenn sein BMI über 24 liegt, ein Kind mit einem BMI von 30 ist schlicht enorm fett.»

Michael Zimmermann, Mit-Autor der Studie, verwies gegenüber swissinfo jedoch darauf hin, dass für die Erhebung der auf das Alter der Kinder angepasste BMI verwendet worden sei. Dennoch räumt auch Zimmermann ein, dass der Anteil der fettleibigen Kinder unter Umständen etwas höher liegen könne. Es habe sich um eine freiwillige Studie gehandelt.

Klar sei, dass grosser Handlungsbedarf bestehe. Fettleibigkeit im späteren Leben zu behandeln sei fast unmöglich, der Ansatz müsse also bei der Prävention liegen, unterstreicht auch Zimmermann. Auch in der Schule müsste wieder mehr auf Bewegung geachtet werden.

Noch immer, kritisiert Caudery, werde das Problem der Fettleibigkeit bei Kindern in der Schweiz zu wenig wahrgenommen. So richteten sich zum Beispiel die Krankenkassen nach Kriterien für Erwachsene, die Auslagen für Diät-Ratschläge oder andere spezifische Programme würden von den Kassen nicht übernommen.

swissinfo

ETH-Studie:
18% der Knaben zwischen 6 und 12 sind übergewichtig;
bei den Mädchen liegt der Anteil bei 20%.

BMI bei Erwachsenen zwischen 26 und 30: Übergewicht
BMI über 30: fettleibig
Für die Studie wurde der BMI an das Alter der Kinder angepasst.

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