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«In den Bergen erlebe ich ein Gefühl der Freude»

Harlin und seine beiden Kletterpartner erreichen den Gipfel. swiss-image.ch

John Harlin III, Hauptakteur im IMAX-Film "Die Alpen", hofft, dass der Erfolg des Dokumentarfilms zu einer nachhaltigen Entwicklung in der Bergwelt beiträgt.

Der Abenteurer aus den USA, der einen Teil seiner Kindheit in der Schweiz verbrachte, spricht mit swissinfo über seine Liebe zu den Alpen und über die Probleme der Bergbewohner.

Vor dem Hintergrund atemberaubender, eindrücklicher Bilder der Alpen erzählt der Film die Geschichte von Harlins Bestreben, die Eigernordwand zu besteigen, wo sein Vater mehr als 40 Jahre früher in den Tod gestürzt war.

Der Film läuft zur Zeit an Festivals und in IMAX-Kinos auf der ganzen Welt.

In der Schweiz haben in den ersten fünf Monaten mehr als 100’000 Menschen den Grossformat-Film gesehen, der im Verkehrshaus Luzern gezeigt wird.

swissinfo: Der Film hat in der Schweiz und auch anderswo grossen Erfolg. Wie hat er, wenn überhaupt, Ihr Leben verändert?

John Harlin: Es war ein grossartiger Prozess, den Film in Nordamerika und jüngst auch in London immer wieder einem neuem Publikum vorstellen zu können. Dies gab mir die Gelegenheit, meine Liebe zur Schweiz und den Bergen, zu meiner Familie und meinem Vater mit zahlreichen Menschen teilen zu können. Bei einer Vorführung in London kam jemand auf mich zu und sagte: «Dieser Film macht mich stolz darauf, Schweizer zu sein». Und das gab mir ein gutes Gefühl.

swissinfo: Sie haben einen Teil ihrer Kindheit in der Schweiz verbracht und den grössten Teil ihres Lebens in Bergregionen gewohnt. Was ist es, dass Sie in die Berge zieht?

J.H.: Ich mag auch andere Umgebungen. Es ist nicht so, dass ich allein auf Berge ausgerichtet bin. Aber Berge haben viel, das für sie spricht – so ihre Vielfalt oder die Herausforderungen. Aber ich denke, es sind vor allem ihre Schönheit und die Kontraste, die mich faszinieren. Am liebsten habe ich grüne Täler mit weissen Gipfeln im Hintergrund.

Es gibt viele Leute, die gerne auf lange Expeditionen in den Himalaya gehen, aber auch in die Antarktis oder Arktis, in eine ganz weisse Welt. Das ist nicht so meine Sache. Ich mag die Kontraste, das Hin und Her zwischen dem Land der Gletscher und Felsen, der Vertikalen – und der Rückkehr in die grüne, lebendige Welt. Bei diesen Übergängen erlebe ich dieses Gefühl der Freude.

swissinfo: Und ist das der Grund für Ihre Liebe zur Schweiz?

J.H.: Das macht tatsächlich viel aus. Ich liebe die Alpen, aber auch die Berge in Nordamerika. Das sind sehr unterschiedliche Welten. Die Berge in Nordamerika sind hauptsächlich Wildnis. Wie die meisten Nordamerikaner gehe ich dorthin, weil ich diese Wildnis erleben will. Dort gibt es nicht derart viele Bergbahnen, die einem praktisch überall hin bringen.

Aber ich liebe es genau so, in die Alpen zu kommen, in Bergrestaurants zu essen, in Berghütten zu übernachten und dort auch ganze Familien anzutreffen. Im Alpenraum sind die Berge viel mehr ins tägliche soziale Leben der Menschen eingebunden.

swissinfo: Hat sich die Umwelt in den Bergen im Verlauf Ihres Lebens verändert?

J.H.: Sie hat sich in mancherlei Hinsicht verändert. Unsere Familie kam 1959 zum ersten Mal nach Europa. Damals gab es im Freien viel Abfall, vor allem in Frankreich, wo wir lange lebten.

Die Menschen liebten zwar ihre Berggipfel, im Vergleich zu Nordamerika hatte sich zu der Zeit aber nur sehr wenig Respekt für die Umwelt im Freien entwickelt. Als ich jetzt wieder zurück kam, fiel mir auf, dass die Bergwelt heute mit viel mehr Respekt behandelt wird. Allerdings hat auch die Zahl der Lifte noch weiter zugenommen.

Ich denke jedoch, die Einstellung der Europäer, dass man in den Bergen überall hingehen und alles tun kann, hat sich verändert. Heute stellt man sich vermehrt die Frage, ob man nicht gewisse Gebiete erhalten muss, indem man auch den Menschen davon fernhält.

swissinfo: Was sind Ihre weiteren Pläne nach dem Film? Haben Sie Ideen für weitere ähnliche Projekte?

J.H.: Ich war bisher vor allem im Journalismus tätig, wobei ich mich vor allem mit Freizeit-Themen wie Klettern, Wandern und Wildnis-Touren befasste. Ich habe auch mehrere Reiseführer geschrieben. Heute arbeite ich als Chefredaktor des American Alpine Journal.

Seit mehreren Jahren denke ich aber auch immer öfter daran, meinen Fokus neu ausrichten. Ich habe angefangen, mich vermehrt mit dem Thema nachhaltige Entwicklung zu befassen. Zum Beispiel: Wie können wir die Wildnis der Berge erhalten und gleichzeitig die sozialen und ökonomischen Bedingungen der Menschen, die dort leben, verbessern, ohne die Umwelt zu schädigen?

swissinfo: Haben Sie denn schon konkrete Projekte vor Augen?

J.H.: Möglicherweise beginne ich mit einem Fokus auf der Schweiz. Im Sinne von: Was haben die Schweizer in ihren Bergen getan, wie könnte man das allenfalls anderswo anwenden? Ich denke, oft werden in einer Region interessante Projekte entwickelt, ohne dass Menschen in andern Regionen der Welt mit ähnlichen Voraussetzungen etwas darüber wissen.

Ich möchte diesem Kommunikationsmangel entgegenwirken. Einerseits, indem ich Bücher schreibe, aber vor allem auch mit Hilfe des Internet. Ich stelle mir vor, Webseiten für den Informationsaustausch zu entwickeln. Daneben könnte man mit Filmen oder Fernseh-Serien weiter illustrieren, was in unterschiedlichen Bergregionen der Welt passiert.

swissinfo: In welchem Bereich könnte denn die Schweiz für eine Gemeinde im Himalaya oder eine Gemeinschaft in den Bergen Südafrikas als Beispiel dienen?

J.H.: Zum Beispiel mit der gemeinsamen Nutzung von Alpen zum Sömmern von Vieh. Wie im Fall der Alpgenossenschaft in Grindelwald, die eine nachhaltige Nutzung der Alpen im Tal durch mehrere Familien ermöglicht. In vielen Teilen der Welt gibt es überweidete Gebiete. Wenn man dort über das Schweizer Beispiel Bescheid wüsste, könnte man wahrscheinlich etwas lernen und Nutzen daraus ziehen.

Ein weiterer interessanter Ansatz ist die Nutzung der Wasserkraft. Die Schweiz ist auch offen für technologische Lösungsansätze.

swissinfo-Interview: Dale Bechtel
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Harlin ist Chefredaktor des American Alpine Journal (AAJ). Unter Kletterern geniesst diese Publikation so etwas wie Kultstatus für seine Berichte aus der Welt des Alpinismus.

Harlin ist Autor und Herausgeber mehrerer Reiseführer über Berge, Klettern und weitere Themen.

Harlin schreibt aber nicht nur, er kann auch auf eine Reihe Erstabfahrten mit Skis zurückblicken, auf Erstrouten beim Bergsteigen und erste Fahrten durch Flüsse in Südamerika, im Himalaya-Gebirge, in Nordamerika und in den Alpen.

Harlin schrieb auch ein Buch über seinen Vater und seine eigene Eiger-Erfahrung. Es erschien im Verlag Simon & Schuster unter dem Titel «The Eiger Obsession: Facing The Mountain That Killed My Father».

John Harlin lebt zur Zeit mit seiner Frau und Tochter in Oaxaca, Mexiko.

Der Grossformat-Film, der im Frühling 2007 in die Kinos kam, nutzt die Schweizer Alpen als spektakulären Hintergrund, um die Geschichte von John Harlin III und dessen Besteigung des Eigers durch die Nordwand zu erzählen.

Harlin hat mit der Besteigung vor allem die Schatten seiner Vergangenheit überwunden: 1966 war sein Vater am Eiger tödlich abgestürzt. Harlin war damals gerade neun Jahre alt gewesen.

1962 hatte der Vater, John Harlin II, als erster Amerikaner die Nordwand bezwungen. Daraus erwuchs auch seine Obsession, eine direkte Route in der Fall-Linie der 1800 Meter hohen, fast vertikalen Wand zu finden.

Vier Jahre später, 1966, stürzte er beim Versuch einer «Direttissima» , einer Direktbesteigung, in den Tod, als ein Seil riss.

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