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In Singapur sind elektronische Fingerabdrücke Alltag

Kontrolle des Fingerabdrucks - in Singapur nicht nur an den Flughäfen allgegenwärtig. Reuters

Während die Einführung des biometrischen Passes in der Schweiz eine Debatte auslöst, gehören in Singapur elektronische Fingerabdrücke zum Alltag. Es gibt hier vieles, das in der Schweiz keine Chance hätte, sagt die Singapur-Schweizerin Sabine Silberstein.

swissinfo: Die Auslandschweizer Organisation (ASO) hat im Hinblick auf die Abstimmung vom 17. Mai deutlich die Ja-Parole für die Einführung biometrischer Pässe beschlossen. Was halten Sie von den biometrischen Pässen?
Sabine Silberstein: Ich finde die biometrischen Pässe ein absolutes Muss. Viele Länder haben sie bereits eingeführt. Grosse Probleme hat es meines Wissens bisher keine gegeben.

swissinfo: Umstritten in der Schweiz ist vor allem die zentrale Datenbank. Die Gegner warnen vor einem Überwachungsstaat.

S.S.: Zahlreiche Schweizer besitzen eine Cumulus-Karte und sind auf Facebook registriert. Diesbezüglich scheinen wir auf persönlichen Datenschutz weniger Wert zu legen.

swissinfo: Für Sie birgt ein Überwachungsstaat keine Gefahren?

S.S.: Ich lebe seit bald 13 Jahren in Singapur in einem totalen Überwachungsstaat.

Mein Daumenabdruck ist auf meiner Singapurer ID. Wenn ich als Ausland-Schweizerin aus Singapur ein- oder ausreise, schiebe ich meinen Schweizer Pass in eine Maschine. Dann gehe ich durch eine Schleuse. Bei der zweiten Schleuse halte ich meinen Daumen auf ein kleines Fenster. Das funktioniert alles reibungslos und ohne Schlange stehen zu müssen.

In Singapur gehört der elektronische Fingerabdruck längst zum Alltag. Ich habe keinen Hausschlüssel mehr, stattdessen halte ich meinen Zeigefinger auf einen Sensor.

Ich sehe lediglich Probleme, wenn die Datenbanken in die falschen Hände geraten, beziehungsweise Leute mit unethischen Absichten sich Zugang zu solchen Datenbanken verschaffen können.

swissinfo: Der Eidg. Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür beurteilte die zentrale Speicherung der Daten, die durch die biometrischen Pässe verfügbar werden, kritisch. Die Jungparteien der SVP, SP, FDP, EVP und der Grünen warnen davor, dass Hacker die elektronisch gespeicherten Fingerabdrücke leicht knacken könnten.

S.S.: Ich glaube in der heutigen Zeit gibt es nichts mehr, dass fälschungssicher ist, von Dokumenten über Diamanten zu Computer-Programmen.

Im Moment stimme ich relativ vorbehaltlos Ja zum biometrischen Pass. Wie das Ganze in zehn Jahren aussieht, wird sich zeigen.

swissinfo: Welche Vorteile versprechen Sie sich vom biometrischen Pass?

S.S.: Der biometrische Pass wird sicher die Ein- und Ausreise in verschiedene Länder erleichtern.

Ich hoffe, dass er für uns Auslandschweizer in Zukunft etwas einfacher zu beschaffen ist. Im Moment wird im Kanton Zürich darüber diskutiert, dass es eine Zumutung sei, dass alle Zürcher nach Zürich oder Winterthur reisen müssen, um einen Pass zu beantragen.

In Singapur haben wir die Wahl, ob wir dazu zwei Stunden nach Hongkong oder zwölf Stunden in die Schweiz fliegen wollen. Die Botschaft in Singapur ist nicht eingerichtet, um Pässe auszustellen.

swissinfo: Die Schweizer reagieren nach dem Fichen-Skandal sehr sensibel auf Registrierungen. Könnten elektronische Fingerabdrücke in der Schweiz eines Tages auch so zum Alltag gehören wie in Singapur?

S.S.: Ich denke nicht. Es gibt vieles in Singapur, das in der traditionsbewussten Schweiz keine Chance hätte.

Die Schweiz und Singapur sind in Sachen Demokratie-Verständnis nicht zu vergleichen. Singapur ist eine Demokratur – man kann es nicht Diktatur nennen, aber eine Demokratie im schweizerischen Sinne ist es nicht.

Die Bevölkerung in Singapur ist total apolitisch. So lange die Leute gut wohnen können, die Gesundheits- und Altersversorgung, das Schulsystem und der Lebensstandard stimmt, ist es ihnen egal, was die Regierung beschliesst.

swissinfo: Ist die Abstimmung unter Auslandschweizern in Singapur ein Thema?

S.S.: In meinem persönlichen Umfeld ist sie im Vergleich mit anderen Abstimmungen wie den Bilateralen Verträgen mit der EU oder der Minarett-Initiative kein grosses Thema.

swissinfo-Interview, Corinne Buchser

In der Schweiz sollen künftig ausschliesslich Pässe mit biometrischen Daten ausgestellt werden. Das heisst: Der Reisepass soll neben den bisher üblichen Angaben auch einen elektronischen Speicher mit den Fingerabdrücken und dem Gesichtsbild enthalten.

Diese biometrischen Daten sollen in der zentralen Datenbank des Bundesamtes für Polizei gespeichert werden.

So hat es das Parlament im Sommer 2008 beschlossen. Gegen diesen Beschluss hat ein Komitee aus unterschiedlichen politischen Lagern erfolgreich das Referendum ergriffen.

Gegner auf der rechten Seite des politischen Spektrums kritisieren, die biometrischen Pässe seien der Schweiz von der EU und den den USA aufgezwungen worden.

Grüne und Linke kritisieren die staatliche Kontrolle der Bürger und die Speicherung der biometrischen Daten in einer zentralen Datenbank.

Für die Befürworter sind biometrische Pässe die Voraussetzung für die künftige Reisefreiheit. Biometrische Pässe seien sicherer und resistenter als konventionelle Pässe.

Die Datenbank dürfe nicht für Fahndungszwecke genutzt werden, so die Befürworter.

Bereits im 19. Jahrhundert liessen sich Schweizer Handelshäuser in Singapur nieder. 1871 gründeten die Auslandschweizer den «Swiss Club Singapore».

Inzwischen sind rund 260 Schweizer Firmen in Singapur vertreten.

Die Schweiz und Singapur unterhalten seit 1967 diplomatische Beziehungen.

Die 55-jährige Sabine Silberstein lebt seit 13 Jahren in Singapur, wo sie als Museumsführerin arbeitet.

Sie ist Mitglied der Auslandschweizer Organisation (ASO).

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