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In Trub stimmt Vieles

swissinfo.ch

Das typische Emmentaler Dorf bietet eine tolle Natur, hat guten Käse und schaffige Leute und gar ein eigenes, national bekanntes Lied. Doch ins Gerede kam Trub, weil dort 2008 statistisch gesehen die stimmfaulsten Bürgerinnen und Bürger der Schweiz lebten.

Allerdings, wer sich auf dem Dorfplatz von Trub umschaut, wird sofort feststellen, dass die Schweiz ganz sicher nicht hier in Gefahr gerät, zu zerfallen.

Der Truber Dorfplatz bietet nämlich den für die Emmentaler Dörfer typischen Aufbau, nennen wir ihn mal – irdische Dreieinigkeit: Kirche – Beiz (Gasthof) – Käserei. Um den Dorfkern herum die weitläufige Streusiedlung mit den rund 140 Bauernhöfen.

Die Kirche als Ort, wo früher die Tugenden aber auch die Beschlüsse der Herrschenden verkündet wurden. Die Beiz, wo diese Beschlüsse von den einflussreichsten Bürgern beredet und gefasst und an der Käserei – traditionell auch Treffpunkt der jungen Leute – ans Brett geschlagen wurden.

Heute hat die Gemeinde eine moderne Verwaltung, die Beschlüsse werden an der Gemeindeversammlung im Schulhaus gefasst und gelesen werden können sie (auch) im Internet.

Trub heute

«Wir leben hier in einen Gebiet mit sehr hoher Lebensqualität», sagt Gemeindeschreiber Ernst Kohler gegenüber swissinfo.ch.

Damit meint er nicht Autobahnanschluss, Flughafen, Oper, Theater und Bars, sondern die gute Luft, die Ruhe, die intakte Kulturlandschaft, den sanften Tourismus, das tolle Wandergebiet rund um den «Hausberg» – den Napf – mit seinen Goldadern.

«Wir haben ausgezeichnetes Wasser und sind ein echtes Wasserschloss», sagt Kohler weiter.

«Und noch etwas», findet Gemeindepräsidentin Christine Reber-Eller: «Die Jungen wissen hier noch, was sich gehört.»

Das sei auch ein Standortvorteil. Der Truber sei ein verlässlicher und integrer Mensch, deshalb sei er auch als Chef oder Arbeitnehmer überall beliebt.

Strukturschwach

Damit haben die beiden, Schreiber und Präsidentin, das Gespräch sanft auf all die Dinge gelenkt, die Trub auch beschäftigen.

«Wir sind eine Sackgasse hier im innern Emmental», sagt Kohler. Offiziell heisse das strukturschwache Gemeinde.

«Genügend Geld, um unsere Aufgaben zu erfüllen, haben wir dank dem Finanzausgleich.»

Das heisst im Klartext: die reichen Gemeinden im Kanton Bern zahlen für Trub. «Und das lassen sie uns auch immer wieder wissen.»

So gilt es, die Abwanderung der jungen Leute zu verhindern, Neuzuzüger anzulocken. Die Landwirtschaft zu erhalten, Gewerbe zu überzeugen, sich in Trub anzusiedeln und den Tourismus zu fördern.

Das alles gelinge einigermassen. Aber es gebe auch Rückschläge: «Eben wurde unsere Post geschlossen», sagt Kohler.

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Finanzausgleich

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Finanzausgleich ist ein Solidaritäts-System. Dazu wird Geld aus den finanzstarken Kantonen an die schwächeren Kantone transferiert. Dieser Ausgleich hilft dem Bund auch, strukturelle Ausgaben, die für gewisse Kanone nicht tragbar sind, auszugleichen. Auch innerhalb der Kantone findet ein Finanzausgleich statt, wo die reicheren Gemeinden die weniger begüterten unterstützen.

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Wahre Schweiz liegt im Trub

Aber jetzt halt doch noch zu dieser tiefsten Stimmbeteiligung in der Schweiz.
«Das hat uns schon aufgerüttelt», sagt Gemeindepräsidentin Reber-Eller. «Das wollten wir nicht auf uns sitzen lassen und die Aufrufe haben gefruchtet. Mittlerweile sind wir im Mittelfeld angelangt.»

Aber das Warum sagt viel aus über Trub. Dank dem «Trueberbueb», einem Jodellied, das zum Volkslied geworden ist und das jeder Schweizer Wehrmann je nach Alkoholpegel schon unzählige Male intoniert hat, ist Trub in der Schweiz zum Begriff, ja zu einem Synonym für die wahre, wehrhafte und unabhängige Schweiz geworden.

Dass ausgerechnet diese Leute nicht stimmen gehen, hat die Medien auf den Plan gerufen.

Auslandschweizer mitschuldig

Dann wäre mal die Nähe zur Konfessionsgrenze, zum katholischen Kanton Luzern. Trub selber liegt im protestantischen Bern.

Nicht alle wollten sich mit dem neuen Glauben abfinden und in Trub entstand – in gewisser Weise als Erbe des früher hier aktiven Benediktinerklosters – eine Bewegung, die sich zum altevangelisch-waldensischen Glauben bekannte: die Täufer.

Von der Berner Obrigkeit im 17. und 18. Jahrhundert gnadenlos verfolgt, flohen die Täufer in den Jura, nach Holland, in die Pfalz oder nach Übersee.

Deshalb haben viele Auslandschweizer ihre Wurzeln in Trub und 149 davon haben sich in Trub als Stimmberechtigte immatrikuliert. Und da sie kaum abstimmen, ziehen sie die Stimmbeteiligung nach unten.

Ländlich contra urban

Das Abstimmungsverhalten in Trub könnte allerdings auch Ausdruck eines tief sitzenden Problems der Schweiz sein: der schleichenden Entfremdung der urbanen von der ländlichen Schweiz.

Viele Abstimmungsvorlagen betreffen die urbane Schweiz, da dort viel mehr Leute wohnen. «Es sind oft nicht Dinge, welche die Truber beschäftigen», sagt Gemeindeschreiber Ernst Kohler, und so würden sie halt weniger zur Urne gehen.

«Das soll keine Ausrede sein», sagt Kohler «und wir haben uns ja auch gebessert. Aber sollten wir mal über den Beitritt der Schweiz zur EU abstimmen, dann werden die Truber zur Urne strömen».

Urs Maurer, Trub, swissinfo.ch

Trub ist eine ländliche Hügelgemeinde mit einem hohen Anteil an landwirtschaftlicher Bevölkerung.

Mit einer Fläche von 62 km2 ist sie die 17.-grösste Gemeinde (von 396) im Kanton Bern.

Einwohner:
2009: 1’470
1990: 1’613
1910: 2’500

Eine grosse Abwanderung führte dazu, dass es sage und schreibe 50’000 Heimatberechtigte in Trub gibt.

Neben der Landwirtschaft besitzt Trub etliche Kleinbetriebe – vor allem in der Holzverarbeitung – und einige Unternehmen im tertiären Sektor. So auch eine Bank.

Ein grosses Wandergebiet mit 75 km markierten Wanderwegen dient dem sanften Tourismus.

Höchster Punkt in der Gemeinde ist der Napf (1408 m), ein Ausflugsberg mit Blick vom Schwarzwald bis in die Schweizer Alpen. Der Napf ist nur zu Fuss zu erreichen und liegt in einem Naturschutzgebiet.

Die Goldvorkommen am Napf sind die wohl ältesten der Schweiz. Sie gehören mit 97,3% zu den reinsten der Welt. Allerdings sind die Vorkommen klein und nur noch Hobbygoldsucher waschen Gold.

Ein gewisser Herr Maag, Wirt im Oberaargau, rühmt sich, einen Goldzahn aus purem Napfgold zu besitzen.

Dr Trueberbueb: Das Lied ist zum Volkslied geworden. Getextet wurde es 1875 vom damaligen Pfarrer von Trubschachen, Gottfried Strasser, die Melodie schrieb der Jodelkomponist J. Rudolf Krenger (1854–1925).

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