Insassen des Genfer Gefängnisses klagen
Die Insassen des landesweit am stärksten überfüllten Gefängnisses, Champ-Dollon in Genf, erheben Vorwürfe wegen polizeilicher Gewalt und Diskriminierung.
Die Gefangenen hatten mit einem Hungerstreik gedroht, um ihrem Anliegen bei der Menschenrechts-Liga und Kantons-Parlamentariern Gehör zu verschaffen.
«Das Genfer Gefängnis ist zur Zeit derart überfüllt, dass auch ein kleiner Zwischenfall ein böses Ende nehmen könnte», sagt Doris Leuenberger, Vizepräsidentin der Schweizerischen Menschenrechts-Liga.
Die Genfer Anwältin war Teil des Teams, das am Montag eine Delegation von 10 Insassen der Haftanstalt Champ-Dollon traf. Dieses Treffen erfolgte als Antwort auf eine Petition der Häflinge, die an das Genfer Kantonsparlament und an die Liga gerichtet war.
Vorwürfe an die Genfer Polizei
Nach dem Besuch in Champ-Dollon machte die Genfer Sektion der Liga die Vorwürfe der Sträflinge öffentlich.
Demnach beklagen sich die Häftlinge über schlechte Behandlung durch die Polizei – eine Praxis, die laut dem unabhängigen Genfer Polizei-Beobachtungs-Organ «gängig» sei. Die Gefangenen monierten auch die unverhältnismässige Gewaltanwendung durch die Polizei bei Anhaltungen und Verhaftungen.
Verdächtige würden psychisch und physisch unter Druck gesetzt, um Geständnisse zu erpressen.
Langwierige Prozeduren
Ein weiterer Punkt betrifft die überaus langwierigen Prozeduren, die bewirken, dass die Untersuchungs-Häftlinge Monate in Champ-Dollon verbringen, bevor es zu einem Gerichtsurteil kommt.
Leuenberger weist in diesem Zusammenhang auf einen Fall hin, wo ein Insasse acht Monate in U-Haft verbrachte, um ein Urteil von zwei Monaten Gefängnis kassierte.
Zudem würden Ausländer von der Genfer Justiz härter bestraft als Einheimische. Kurz vor Ablauf der Strafe würden manchen Häftlingen ihnen zustehende Rechte verweigert.
Die Menschenrechts-Liga leitet diese Vorwürfe nun an die kantonale Direktion für den Massnahmenvollzug sowie an die Generalstaatsanwaltschaft weiter.
Mehr Untersuchungs-Richter und Schnellgericht
Zudem empfiehlt die Liga einige Massnahmen wie das Tragen von Namensplaketten durch Polizeibeamte und die Kameraüberwachung von Polizeistationen.
Um die U-Haft zu verkürzen, regt die Liga die Einstellung von mehr Untersuchungsrichtern an. Auch die Schaffung einer Art Schnellgericht für Bagatellfälle nach französischem Vorbild wäre denkbar.
Die Veröffentlichung der Vorwürfe erfolgte, weil die Gefangenen mit einem Hungerstreik gedroht hatten. Daraufhin besuchte auch eine Kommission des Genfer Grossen Rates die Strafanstalt. Diese ist sich aber noch nicht schlüssig, welche Schritte sie einleiten will.
Rüge beim Europarat
Der erste Menschenrechtskommissar des Europarates, Alvaro Gil-Robles, hatte im vergangenen Jahr in seinem Bericht an das Ministerkomitee des Europarates die Zustände in der Genfer Anstalt Champ-Dollon gerügt.
Die Genfer Polizei war bereits verschiedentlich mit Rassismus-Vorwürfen konfrontiert.
swissinfo, Adam Beaumont und Agenturen
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
Die Schweizerische Bundesverfassung sieht in Art. 48 vor, dass die Kantone für Fragen, die in ihre Kompetenz fallen, unter sich Abkommen schliessen können, so genannte Konkordate.
Diese Möglichkeit nutzen die Kantone im Bereich des Strafvollzugs.
Sie schlossen sich zur gemeinsamen Regelung und Organisation dieser Fragen zu drei Strafvollzugs-Konkordaten zusammen: Ostschweiz, Nordwest- und Innerschweiz sowie Romandie und Tessin.
In der Schweiz gibt es 9 geschlossene Anstalten, 10 halboffene Anstalten sowie
zahlreiche Regional- und Untersuchungs-Gefängnisse.
Laut Bundesamt für Statistik überstieg die Gefangenen-Population in der Schweiz 2005 erstmals die Grenze von 6000 Inhaftierten. Das bedeutet einen Zuwachs von 15% gegenüber dem Vorjahr.
Von den 122 Anstalten galten 40 als vollbesetzt und 9 waren überfüllt.
Champ-Dollon in Genf hat die höchste Belegung: 162%, oder 438 Insassen für 270 Plätze.
Ausländer machen mehr als die Hälfte der Gefangenen aus.
Laut des Bundesamt für Statistik:
überstieg die Gefangenen-Population in der Schweiz 2005 erstmals die Grenze von 6000 Inhaftierten.
Das bedeutet einen Zuwachs von 15% gegenüber dem Vorjahr.
Von den 122 Anstalten galten 40 als vollbesetzt und 9 waren überfüllt.
Champ-Dollon in Genf weist die höchste Belegung aus: 162%, oder 438 Insassen für 270 Plätze.
Ausländer machen mehr als die Hälfte der Gefangenen aus.
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