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Irak-Debatte erreicht Schweizer Politik

Schon vor dem ersten Golfkrieg 1990 wurde heiss diskutiert. Damals bewilligte der Bundesrat nur humanitäre Flüge. Keystone

Die Debatte über einen möglichen Irak-Krieg findet bis jetzt vor allem in den Medien statt. Nun muss die Regierung entscheiden, ob sie im Kriegsfall Überflugsrechte gewähren soll.

Der Spielraum des neuen UNO-Mitglieds Schweiz ist klein.

Eigentlich ist die Haltung der Schweiz klar: Erst wenn alle friedlichen Mittel ausgeschöpft sind, darf Gewalt angewendet werden. Eine Militäraktion gegen den Irak muss zudem zwingend von einer weiteren UNO-Resolution legitimiert werden.

Ohne neue Resolution betrachtet die Schweiz eine Intervention als bewaffneten Konflikt zwischen Staaten und wendet das Neutralitätsrecht an. Bereits haben die USA formell angefragt, ob ihre Flugzeuge Überflugsrechte für den Schweizer Luftraum erhalten. Die Antwort wird von der Entwicklung der Irak-Krise in der UNO abhängen.

«Weder die Regierung noch die Bevölkerung wollen einen Krieg», betont Christian Weber, Sprecher der Freisinnigen Demokratischen Partei (FDP) . Dies zeigen Umfragen und die überraschend hohe Beteiligung an der Anti-Kriegsdemonstration vergangenen Samstag in Bern.

Anders als etwa in Grossbritannien, Spanien oder Italien kritisierten die 40’000 Manifestanten die Position der Schweizer Regierung kaum. «In der Irak-Frage besteht zwischen Volk und Regierung Übereinstimmung», ist CVP-Sprecherin Beatrice Wertli überzeugt.

Irritierende Bundesräte

Diese Eintracht spiegelt sich trotz Wahljahr im Fehlen einer grundsätzlichen politischen Debatte. Einzig die abweichenden Äusserungen einzelner Bundesräte irritieren.

Die neue Aussenministerin Michelin Calmy Rey verärgerte die bürgerlichen Bundesratsparteien mit ihrem Aktivismus. Verteidigungsminister Samuel Schmid untergrub mit seiner in München gemachten Äusserung, er halte einen Krieg für unabwendbar, die Bemühungen seiner Kollegin im Aussenministerium.

Und Bundespräsident Pascal Couchepin ging am Sonntag in Madrid noch einen Schritt weiter: «Man sollte einen Konflikt nie um jeden Preis verhindern», sagte er in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Wo also steht die Schweiz?

«Da hat der Bundespräsident vielleicht etwas dem spanischen Gastgeber nachgegeben», kommentiert Parteikollege Marc F. Suter gegenüber Radio DRS die gewagte Äusserung.

FDP-Sprecher Christian Weber ist ratlos: «Ich kann diesen Satz nicht interpretieren, doch hat der Bundespräsident bei früheren Gelegenheiten auch die Regierungsposition kommuniziert», sagte er auf Anfrage von swissinfo.

Gespräche über Überflugsrechte

Die abweichenden Äusserungen der Bundesräte verunsichern. Doch wäre gerade jetzt ein einheitlicher Standpunkt gefragt: Erstmals wird von der Schweiz, die weder im UNO-Sicherheitsrat noch in der NATO Mitglied ist, in der Irak-Frage ein politischer Beschluss erwartet.

«Die Entscheidung, die bei uns ansteht, ist die der Überflugsrechte für die USA. Bei dieser Frage muss sich die Schweizer Regierung positionieren», sagt Yves Bichsel, Sprecher der Schweizerischen Volkspartei (SVP), die der Regierung Führungsschwäche vorwirft.

Wie am Sonntag bekannt wurde, führen der Bund und die USA bereits Gespräche über verschiedene Varianten von Überflugsrechten. Doch ohne zweite UNO-Resolution dürfte der Bundesrat kaum den Wünschen der Amerikaner nachkommen.

Diese suchen dringend nach Alternativen, nachdem Österreich den USA die Durchfahrt von Militärtransporten von Deutschland nach Italien ohne UNO-Mandat verweigerte.

Die UNO-Charta sieht vor, dass Durchmarsch- und Überflugsrechte durch Sonderabkommen erteilt werden. Bisher gewährte die Schweiz auch ohne UNO-Mitgliedschaft bei entsprechenden Anfragen Überflugsrechte, so etwa der SFOR für Bosnien-Herzegowina und der KFOR für Kosovo.

Uneinige Regierungsparteien

Im Fall des Irak sind die Bundesrats-Parteien indes gespalten. «Für uns ist nach diesem eindrücklichen Wochenende und nach den Umfragen klar, dass nicht verstanden würde, wenn die Schweiz die Überflugsrechte gewährte», betont SVP-Sprecher Bichsel. Dies gelte auch im Falle einer zweiten UNO-Resolution.

Die CVP macht ihre Zustimmung von einer neuen UNO-Resolution abhängig. Nur die UNO könne einen Krieg legitimieren. «Ohne die Legitimation durch eine zweite Resolution ist das überhaupt keine Frage, dann werden keine Überflugsrechte zugestanden», erklärt CVP-Sprecherin Wertli.

Die FDP hingegen sieht es differenziert. «Das ist eine ganz heikle Frage. Es kommt darauf an, unter welchem Titel eine solche Aktion läuft. Mit oder ohne Billigung durch die UNO würde bestimmt eine Rolle spielen, ob der Zweck humanitär wäre oder ob da Panzer transportiert würden», erläutert Weber. Man dürfe sich jedoch nicht zu früh festlegen, um den eigenen Spielraum nicht zu beschneiden.

Schwierig wird es für die Sozialdemokraten. Zwar machen auch sie die Gewährung von Überflugsrechten von einer zweiten UNO-Resolution abhängig, wie Sprecher Jean-Philippe Jeannerat bestätigt. Doch der pazifistische Flügel der Partei will auf jeden Fall den Überflug von NATO-Flugzeugen verhindern.

Damit dürfte es, wie oft in aussenpolitischen Fragen, erneut zu einer Allianz von rechter SVP und linkem SP-Flügel kommen, was der politischen Debatte Auftrieb geben und sie zusätzlich verschärfen wird.

swissinfo, Hansjörg Bolliger

Die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats wird sich am Montag mit den Überflugsrechten beschäftigen.

Auf Antrag der Sozialdemokraten finden während der Frühlingssession im März in beiden Parlaments-Kammern Irak-Debatten statt.

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