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Islamist vorläufig nicht an Spanien ausgeliefert

Der Terrorverdächtige bleibt vorerst im Ausschaffungs-Gefängnis auf dem Areal des Flughafens Zürich. Keystone

Spanien verlangt die Auslieferung des in Zürich inhaftierten mutmasslichen algerischen Terroristen. Ein entsprechendes Gesuch sei unterwegs, hiess es am Freitag in Madrid.

Der Verdächtige lehnte aber eine formlosen Überstellung ab, bleibt also vorderhand in der Schweiz.

Spanien will dem im Flughafengefängnis in Kloten sitzenden mutmasslichen Kopf einer islamistischen Terroristenzelle selber den Prozess machen. Die Regierung in Madrid stellte der Schweiz am Freitag einen formellen Antrag zu dessen Auslieferung.

Darin wirft Spanien dem Verdächtigen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation sowie Mordversuch durch Terrorismus vor. Konkret soll er einen Anschlag mit einer 500-Kilo-Autobombe auf den Nationalen Gerichtshof in Madrid geplant haben. Acht seiner mutmasslichen Komplizen waren diese Woche in Spanien gefasst worden.

Federführend im spanischen Verfahern ist der spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón, der mit dem Auslieferungsbegehren gegen den chilenischen Ex-Diktator Pinochet bekannt wurde.

Längeres Verfahren

Der im Zürcher Flughafengefängnis inhaftierte 31-jährige Islamist lehnte aber eine vereinfachte Auslieferung ab, wie der Sprecher des Bundesamts für Justiz (BJ), Folco Galli, sagte. Damit kommt es nicht zu der von den Spaniern erhofften raschen Auslieferung, der Mann verbleibt vorderhand in der Schweiz.

Das letzte Wort dürfte damit das Bundesgericht haben. Wie zudem am Freitag bekannt wurde, hält sich der Mann schon seit anderthalb Jahren in der Schweiz auf, blitzte aber mit einem missbräuchlichen Asylgesuch ab.

Normales Verfahren

Gemäss dem normalen Auslieferungsverfahren haben die spanischen Behörden nun eine Frist von 18 bis 40 Tagen für die Einreichung ihres ordentlichen Auslieferungsantrags an die Schweiz.

Das bedeutet, dass der Verdächtige bis vor Bundesgericht gelangen und das Verfahren so verzögern kann, sollte die Schweiz dem Begehren zustimmen. Nach Einschätzung von BJ-Sprecher Folco Galli könnte ein solcher Rekurs Monate in Anspruch nehmen.

Strafverfahren in der Schweiz

Beim BJ war bereits am Donnerstagnachmittag ein Verhaftsersuchen von Interpol Madrid eingegangen. Die Bundesanwaltschaft (BA) leitete gleichentags selber ein Strafverfahren gegen den Verdächtigen ein – wegen Vorbereitung terroristischer Aktivitäten im Ausland oder auch in der Schweiz.

Konkret geht es bei dem Verdacht laut BA-Sprecher Hansjürg Mark Wiedmer um die Mitgliedschaft oder Unterstützung einer kriminellen Vereinigung. Grundsätzlich habe ein Verfahren in der Schweiz Vorrang vor einem solchen in Spanien, sagte Wiedmer auf Anfrage.

Schon länger in der Schweiz

Der Terrorverdächtige hält sich bereits seit anderthalb Jahren in der Schweiz auf. Er stellte nämlich am 6. April 2003 ein Asylgesuch, wie Dominique Boillat, Sprecher des Bundesamts für Flüchtlinge (BFF) auf Anfrage der AP sagte.

Der Mann gab sich dabei als Palästinenser aus. Eine Sprachanalyse habe aber ergeben, dass er nicht aus Palästina, sondern aus dem Maghreb stamme, sagte Boillat. Auf Grund unrichtiger Angaben über die Identität und weiterer Elemente trat das BFF deshalb gar nicht auf das Asylgesuch ein.

Die vom Betroffenen angerufene Asylrekurskommission bestätigte diesen Entscheid am 22. Oktober 2003. «Danach ist der Mann verschwunden», sagte Boillat. Er wurde am vergangenen 28. August wieder aufgegriffen und in Kloten in Ausschaffungshaft gesetzt, weil er über keine gültigen Aufenthaltspapiere verfügte.

Schlechte Kommunikation

Erst am vergangenen Mittwoch wurden die Schweizer Behörden schliesslich über den Terrorverdacht in Spanien informiert. Auf Grund eines Vergleichs der Fingerabdrücke, die ihm beim Asylantrag abgenommen worden waren, konnte der Mann dann rasch identifiziert werden, wie Boillat sagte.

Kopf einer Terrorzelle?

In den Jahren 1999 bis 2002 hatte er zwei Haftstrafen wegen Kreditkartenbetrugs in Spanien verbüsst. In der Haft soll er die Mitglieder seiner Terrorzelle rekrutiert haben, von denen acht seit Anfang dieser Woche in Spanien verhaftet wurden.

Unter den von der spanischen Polizei abgefangenen Briefen an den mutmasslichen Anführer der Terrorzelle befindet sich laut einem Bericht der spanischen Zeitung «El Pais» auch einer von Mohammad Salameh, der in den USA eine lebenslange Haftstrafe wegen des Attentats auf das World Trade Center in New York vom 26. Februar 1993 verbüsst.

Bei dem Anschlag waren sechs Menschen getötet und über 1000 verletzt worden. Der Brief sei im Februar 2003 aus einem Gefängnis in Colorado an eine Adresse in Paris abgeschickt worden, berichtete das Blatt, und beginne mit den Worten: «Oh Gott, lass uns als Märtyrer sterben.»

swissinfo und Agenturen

Parallel zur Verfahrens-Eröffnung der Bundesanwaltschaft lief am Donnerstag auch ein von Spanien angestrengtes Auslieferungs-Verfahren an.

Das Bundesamt für Justiz versetzte den Mann auf Ersuchen Spaniens in provisorische Auslieferungshaft.

Der Verdächtige profitierte in Kloten vom lockeren Haftregime für Ausschaffungs-Häftlinge und konnte ungehindert telefonieren.

Der Verdächtige stellte im April 2003 in der Schweiz ein Asylgesuch
Im Oktober 2003 lehnt Bern das Gesuch ab; der Mann taucht ab.
Ende August 2004 wird er in der Schweiz verhaftet.
Am 20. Oktober nennen die spanischen Untersuchungsbehörden den Namen des Mannes als Hauptdrahtzieher eines geplanten Anschlags auf das höchste Gericht in Madrid.
Am 21. Oktober eröffnet die Bundesanwaltschaft gegen den Verdächtigen ein Verfahren.
Am 22. Oktober verlangt Spanien eine vereinfachte Auslieferung.
Der Inhaftierte lehnt eine solche ab.

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