«Israel Singer müsste sich entschuldigen»
Die Schweizer Juden werden vom Präsident des Jüdischen Weltkongresses, Israel Singer, doch keine Entschuldigung für seine Anschuldigungen verlangen.
Ein Brief an Singer ist am Freitag abgegangen. Er sei wohl «genügend reif», um sich auch ohne Aufforderung zu entschuldigen, sagt SIG-Präsident Alfred Donath.
An den Gedächtnisfeiern zum 60. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz hatte der Vorsitzende des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Israel Singer, die Schweiz wegen ihrer Neutralitätspolitik des Holocaust-Verbrechens bezichtigt.
Diese Äusserung brachte der Präsidenten des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Alfred Donath, in Rage. Sie sei «unakzeptabel».
Donath wollte den WJC-Vorsitzenden Singer ursprünglich dazu auffordern, sich für seine Äusserungen zur Schweizerischen Neutralität im Zweiten Weltkrieg öffentlich zu entschuldigen.
Rücktrittsforderung
Gegenüber der Westschweizer Zeitung «Le Temps» sagte Donath damals, dass der Gemeindebund beim Europäischen Jüdischen Kongress, einer Sektion des WJC, einen Protest einreichen werde.
Donath wollte eine Entschuldigung und rief Singer auf, vom Vorsitzrat des Weltkongresses zurück zu treten.
Laut «Le Temps» vom Freitag habe der Gemeindebund diese Forderung inzwischen abgeschwächt. Er bestehe zwar immer noch darauf, dass das Wort «Verbrechen» unakzeptabel sei.
Kontraproduktive Kontroverse
Der Gemeindebund wünscht kein weiteres Aufbauschen der Kontroverse, da dies höchstens einen kontraproduktiven Effekt haben könne.
Am Freitag ist ein Brief des Gemeindebundes an Singer abgeschickt worden. «Darin bringen wir unsere totale Verstimmung zum Ausdruck», sagt Donath gegenüber swissinfo.
Man könne auf keinen Fall die Verfehlungen der Schweiz, wie gross auch immer sie gewesen sein mögen, mit den Verbrechen auf eine Stufe stellen, die in Österreich oder von der französischen Kollaboration begangen worden waren.
Donath weist auch darauf hin, dass die Schweizer Juden in ihrem Brief an Singer erstaunt sind, «dass er sich derart im Namen des Jüdischen Weltkongresses äussert, wo doch die Schweizer Juden auch Mitglied sind.»
Donath sagt gegenüber swissinfo: «Normalerweise antwortet man, wenn man einen Brief erhält. Doch es ist mehr als wahrscheinlich, dass Singer dies nicht tun wird.»
Letzter Brief im November 2004
Schon im November 2004 hatte der Gemeindebund dem WJC einen Brief geschrieben. Damals ging es um das Schliessen des WJC-Büro in Genf und um ein unabhängiges Gutachten.
Es ging um Zahlungen von Israel Singer von über einer Million Dollar auf eine WJC-Bankkonto über Genf.
swissinfo und Agenturen
Der Gemeindebund schrieb an Israel Singer wegen der Ansprache, die dieser am 25. Januar 2005 hielt, kurz vor den Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz.
In seiner Funktion als WJC-Präsident qualifizierte er die Neutralitätspolitik der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs als «Verbrechen».
Der Gemeindebund, Mitglied des WJC, möchte auch wissen, was für Transaktionen 2004 über das Genfer Konto des WJC geflossen sind.
Dafür interessiert sich auch der Staatsanwalt des Staates New York, eine Voruntersuchung ist im Gang.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch