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Italien nimmt Abschied von Erdbebenopfern

Schmerzhafter Abschied. Keystone

Fünf Tage nach dem verheerenden Erdbeben in den Abruzzen fand in L' Aquila die Trauerfeier für die 289 Todesopfer statt. Die Italiener haben sich nach dem Unglück mit den Überlebenden solidarisiert - auch in der Schweiz.

Mit einer emotionalen Trauerfeier hat Italien am Karfreitag Abschied genommen von den 289 Toten der Erdbebenkatastrophe. Für das Staatsbegräbnis waren über 205 geschmückte Holzsärge auf dem Paradeplatz einer Polizeischule aufgestellt.

Tausende von Menschen versammelten sich zu dem Gedenkgottesdienst unter freiem Himmel in der Stadt L’Aquila. Ein anderer Ort stand nicht zur Verfügung, da alle Kirchen der Stadt beschädigt oder zerstört sind.

Papst Benedikt XVI. rief die Menschen in einem von seinem Sekretär verlesenen Grusswort auf, in der Stunde der Not zusammenzustehen.

Auch Ministerpräsident Silvio Berlusconi kam in die Abruzzen und sprach von einem «Augenblick grosser Emotionen».

Grosser Zusammenhalt

In Momenten der Hoffnungslosigkeit gibt es auch Momente des Trosts. Nach dem verheerenden Erdbeben in den Abruzzen von Montagmorgen, von dem Tausende von Familien betroffen sind, halten die Italienerinnen und Italiener zusammen.

«Ich erfahre von allen Seiten eine grosse Solidarität», sagt Claudio Micheloni, Senator der italienischen Republik für den europäischen Wahlkreis. Micheloni stammt aus den Abruzzen und lebt heute im Kanton Neuenburg.

«Wir erhalten Unterstützung aus den verschiedensten italienischen Regionen», sagt Giovanni del Romano, Verantwortlicher der Tessiner Sektion der Vereinigung der Abruzzer-Italiener.

Geld für den Wiederaufbau

Micheloni ist auch besonders berührt von der Mobilisierung in der Schweiz. Der hiesige Dachverband der Vereinigungen der Abruzzen-Italiener habe ein spezielles Sammelkonto für die Erdbebenopfer in Italien eingerichtet.

Zur Verwaltung der Gelder ist ein Verein gegründet worden, «um grösste Transparenz zu garantieren», wie Micheloni sagt. Der Verein soll die verschiedenen Aktivitäten koordinieren. Die Spendengelder sollen in gezielte Projekte fliessen. «Wir wollen nicht, dass das Geld in einem grossen Topf landet und man nicht weiss, was damit geschieht.»

Der Erlös sei für die Wiederaufbauphase bestimmt, wie Stevan Terzini, Sekretär des Dachverbandes Abruzzer-Vereinigungen in der Schweiz, sagt. «Die Region Abruzzen, mit der wir seit Jahren eng zusammenarbeiten, wird uns sagen, wo Prioritäten zu setzen sind.» Gemäss Terzini werde es sich wahrscheinlich um die finanzielle Unterstützung einer Schule oder einer Krankenstation handeln.

An Festen, Tombolas oder bei anderen Möglichkeiten würden in der Schweiz in der nächsten Zeit Geld für die Erdbebenopfer gesammelt.

Dach für 25’000 Obdachlose

In der Umgebung von Aquila, der Hauptstadt der Abruzzen, werden Erdbeben-Helfer noch mindestens bis am Ostersonntag in den Trümmern nach Überlebenden suchen. Der italienische Zivilschutz und andere Hilfsgruppen haben nach dem Unglück grosse Arbeit geleistet.

«Natürlich gab es kleine Probleme, aber ich bin zuversichtlich. Die Bergungsarbeiten kommen voran», sagt Micheloni. «Der Staat hat im Notfall effiziente und gute Arbeit geleistet.»

Fünf Tage nach dem Erdbeben lebt die Bevölkerung in den Abruzzen weiterhin in Angst. In der Nacht auf Donnerstag und Freitag gab es verschiedene Nachbeben, viele Leute übernachteten in den Autos. «Das geringste Beben der Erde versetzt die Leute in Panik», sagt Terzini, der 60 Kilometer von Aquila wohnt.

Gemäss offiziellen Zahlen mussten rund 20’000 Menschen evakuiert werden. «Unsere Leute vor Ort sprechen gar von mindestens 40’000 Personen, die eine langfristige Unterkunft suchen», sagt Micheloni.

Über Parteigrenzen geeint

Am dringlichsten sei im Moment die Frage, wo die Menschen untergebracht werden sollen, die im Moment in den Zeltlagern lebten.

Für die Einwohner von Onna, eines der am stärksten vom Erdbeben betroffenen Orte, werde der Bau einer kleinen Siedlung in der Nähe des Dorfes diskutiert. «Diese Lösung sieht Holzbaracken statt Container vor. Auf diese Weise hätte die Siedlung etwas mehr Dorfcharakter, womit ein gewisses soziales und psychologisches Gleichgewicht zwischen den Personen aufrechterhalten werden könnte», so Micheloni.

«Unsere grösste Sorge ist es, dass uns das gleiche Schicksal anderer italienischer Erdbebenregionen erwartet», sagt Micheloni weiter. «Dass Familien vergessen werden und auch noch Jahrzehnte nach dem Erdbeben in provisorischen Unterkünften leben müssen.»

Entscheidend für den Wiederaufbau sei es, die politischen Grenzen zu überwinden und gemeinsam zu handeln. Um ein Zeichen zu setzen, würden sich in den Abruzzen Parlamentarier jeglicher politischer Couleur gemeinsam organisieren. «Es wäre der grösste Fehler, die Katastrophe für Parteiinteressen zu instrumentalisieren.»

swissinfo, Luigi Jorio
(Übertragung aus dem Italienischen: Corinne Buchser)

Der italienische Zivilschutz hat eine besondere Telefonnummer eingerichtet für die Information von Personen, die Angehörige im Erdbebengebiet haben. Aus der Schweiz wählt man: 0039 06 68 201.

Informationen sind auch via E-Mail-erhältlich: salaoperativa@protezionecivile.it.

Gemäss der italienischen Botschaft in Bern leben rund 24’000 aus den Abruzzen stammende Menschen in der Schweiz

104 Schweizerinnen und Schweizer leben in der Zone um L’Aquila.

In der Schweiz gibt es 14 Vereinigungen der Abruzzer-Italiener.

Postkonto-Nr. für die Spendensammlungen des Vereins «Abruzzesi in Svizzera»: 25-3856-3

Auch die Schweizer Glückskette eröffnete ein Spendenkonto (Postkonto-Nr.: 10-15000-6).

1000 Erdbebenopfer in Italien haben eine Notunterkunft in den Zelten des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) gefunden.

Alle 200 Zelte mit Heizung, Betten und Decken für jeweils fünf Menschen seien bezogen worden, teilte das SRK am Freitag mit.

swissinfo.ch

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