Jede zehnte Frau erkrankt an Brustkrebs
Die Zahl ist eindrücklich, aber wenig bekannt: Jedes Jahr erkranken in der Schweiz neu bis zu 5000 Frauen an Brustkrebs.
Seit fünf Jahren ist der Oktober in der Schweiz «Info-Monat Brustkrebs». Im ganzen Land laufen Präventions-Kampagnen.
Die Krebsliga Schweiz legt das Schwergewicht ihrer Kampagne auf Information und Aufklärung. Denn Brustkrebs ist eine der primären Todesursachen bei Frauen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. 12% der Todesfälle gehen auf diese Krankheit zurück. Dies entspricht der Rate der Suizide in dieser Altersgruppe.
«Die Zahl der Brustkrebsfälle nimmt in allen industrialisierten Staaten zu; es ist eine typische Krebskrankheit der reichen Länder», sagt Christine Bouchardy, die für das Krebsregister im Kanton Genf verantwortlich ist. Die Krebsrate der Schweiz gehöre zu den höchsten in Europa. Brustkrebs sei damit eines der gewichtigen Probleme der öffentlichen Gesundheit. Trotzdem reagiere der Staat nicht ausreichend auf die Entwicklung.
Der Schweizer Mammograben
Laut Bouchardy gibt es in der Schweiz noch viel zu tun. Während in der Romandie und im Tessin Früherkennungs-Programme angelaufen seien, hinke die Deutschschweiz hinterher. «Man spricht sogar von einem Mammograben», sagt die Medizinerin. Mammografien gelten zur Zeit als wichtigstes Mittel für die Früherkennung von Brustkrebs.
«Unser Land ist für hervorragende Therapiemethoden bekannt, dafür wird die Prävention etwas vernachlässigt, auch beim Brustkrebs», sagt die Pathologin Bettina Borisch, Professorin an der Universität Genf und Präsidentin der Fachkommission Brustkrebs Schweiz der Krebslige. Zirka 80 bis 90% der Ressourcen flössen in die Therapie.
Gemäss Borisch steht ausser Frage, dass Präventions-Kampagnen und Früherkennungs-Programme teuer sind. «Aber offenbar scheint sich niemand zu fragen, welchen Preis man für eine im Berufsleben stehende, kranke Frau bezahlt», fügt die Ärztin an. Und dies sei nicht nur in finanzieller Hinsicht gemeint.
Diverse Risikofaktoren
«Die Krebsforschung hat ergeben, dass das Erbgut bei dieser Krankheit eine wichtige Rolle spielt», sagt Inès Binggeli von der Schweizer Krebsliga. Auch das Alter ist entscheidend: 46% der Frauen, die an Brustkrebs erkranken, sind zwischen 50 und 70 Jahren alt, 33% sind älter als 70 Jahre. Junge Frauen erkranken wesentlich seltener an Brustkrebs, dafür verläuft die Krankheit in diesen Fällen meist umso heftiger und geht nicht selten tödlich aus.
Die genauen Risikofaktoren sind schwierig zu ermitteln. Gemäss neuesten Forschungs-Ergebnissen sind Frauen für Brustkrebs eher anfällig, wenn die Menstruation frühzeitig einsetzte, sie nicht schwanger waren, eine Schwangerschaft in hohem Alter auftrat oder Gebärmutter- oder Eierstocktumoren vorhanden waren.
Übergewicht, schlechte Ernährung und ungenügende Bewegung vergrössern das Krebsrisiko allgemein. Auch Frauen, die über mehrere Jahre eine Hormonersatz-Therapie durchführen, gehören zur Risikogruppe.
Wichtigkeit der Prävention
Dass in der Schweiz jede zehnte Frau von Brustkrebs betroffen ist, unterstreicht, wie wichtig effiziente Prävention ist. Die Früherkennung ist denn auch das zentrale Thema der diesjährigen Aufklärungs-Kampagne. «Wir empfehlen jungen Frauen dringend, sich durch das Abtasten der Brust regelmässig selber zu untersuchen. Jede Frau ist dazu in der Lage», sagt Inès Binggeli.
Systematische Krebsfrühuntersuchungen mittels Mammografien sind für Frauen ab 50 Jahren geeignet. Die Krebsliga empfiehlt aber, eine Mammografie vorsorglich bereits im Alter von 40 Jahren durchzuführen.
Therapien und Heilung
Auch die Behandlung von Brustkrebs ist in ständiger Evolution. «Dank der Früherkennung können heute sehr kleine Tumore erkannt und entfernt werden. Es wird nur die kranke Stelle behandelt. Vollständige Brustamputationen erfolgen daher immer seltener. Dank neuartiger Operationsmethoden sind die Eingriffe auch weniger traumatisch. Zudem gibt es neue Formen von Chemotherapien», betont Bouchardy.
Erheblich Fortschritte wurden auch durch den Einsatz von Medikamenten erzielt, beispielsweise Tamoxiphen, das vor allem bei älteren Frauen gut anschlägt. Die Kombination aus diagnostischer Früherkennung und Therapie hat die Heilungschancen sehr verbessert. Fünf Jahre nach der Diagnose leben mehr als 70% aller erkrankten Frauen noch.
«Es gibt jedoch eine soziale Komponente, die unbedingt berücksichtigt werden muss, wenn man über die fehlenden Finanzmittel bei der Bekämpfung des Brustkrebses spricht: Es handelt sich ja um eine Frauenkrankheit», sagt Borisch. Wenn Brustkrebs eine Männerkrankheit wäre, gäbe es wohl wesentlich mehr Forschungsgelder, ist sie überzeugt.
swissinfo, Françoise Gehring
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
Zirka 10% aller Frauen in der Schweiz erkranken an Brustkrebs.
In den EU-Staaten erkranken jedes Jahr mehr als 300’000 Frauen (Stand 2003).
Die höchste Brustkrebs-Rate wurde in den USA ermittelt: Jedes Jahr treten auf 100’000 Frauen 90 neue Fälle auf.
Die Krebsliga Schweiz führt im Oktober landesweit eine Präventions-Kampagne durch. Der «InfoMonat Brustkrebs» steht unter dem Motto «Wissen hilft». Es wird insbesondere der Kontakt zu Frauen und Mädchen gesucht. Im ganzen Monat ist der Info-Bus Brustkrebs als rollende Informations-Station der Krebsliga unterwegs.
Ein Beratungsteam reist mit dem rosaroten 12-Meter-Mobil durch die Schweiz. Fragen rund ums Thema Brustkrebs werden direkt und ohne Voranmeldung beantwortet.
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