Junge Auslandschweizer Ballkünstler im Test
Der Schweizer Fussball betritt in der Talentsichtung Neuland: Auf Einladung des Verbands trainieren 30 junge Auslandschweizer Kicker in einem einwöchigen Trainingslager im Tessin.
Die Nachwuchstrainer erhoffen sich zwei oder drei Talente, die sich für die Schweizer Junioren-Nationalmannschaft empfehlen.
Die Europameisterschaft 2008 im Land ihrer Vorfahren dürfte für sie noch zu früh kommen. Gut möglich ist aber, dass das eine oder andere Auslandschweizer Fussball-Talent im nächsten Jahr das Leibchen der Schweizer Junioren-Nati trägt.
Dann könnten die Namen von Dylan Burri, Elton Dias Elmer, Matthew Charles Amstad, Axel Landolt oder Rafael José Aviles Escobar auf den rot-weissen Trikots beispielsweise des Schweizer U-18-Teams stehen.
Sie kommen aus Südafrika, Portugal, Grossbritannien, Mexiko, El Salvador oder China und sind zwischen 12 und 17 Jahre alt. Was sie verbindet: Ihr Herz schlägt für das runde Leder, und sie besitzen den Schweizer Pass.
«Wir erhoffen uns von der Sichtung zwei bis drei talentierte junge Auslandschweizer Spieler, die wir für die Matches und Zusammenzüge der Schweizer Junioren-Nationalmannschaft aufbieten können», sagt Romain Villiger gegenüber swissinfo.
Ernsthafte Kandidaten
Der Nachwuchstrainer ist Projektleiter des ersten Sichtungslagers für Auslandschweizer Fussball-Talente, das der Schweizerische Fussballverband (SFV) diese Woche in Tenero am Lago Maggiore durchführt.
«Die Stimmung ist trotz der harten Trainings sehr gut, jeder ist mit grossem Willen und Einsatz dabei», lobt Villiger. Die jungen Spieler würden sich bestens verstehen, die Mischung zwischen jüngeren und älteren Spielern stimme.
Erfreut ist Villiger ebenfalls über das, was er in den eineinhalb Tagen auf dem Rasen gesehen hat: «Unter den 30 befindet sich der eine oder andere, der für die Junioren-Nationalmannschaft sehr interessant ist», freut er sich.
150 Auslandschweizer Nachwuchs-Spieler hatten sich für das Sichtungscamp angemeldet. Am Schluss eines strengen Selektions-Verfahrens standen die 30 Glücklichen fest, welche die Reise in die Heimat ihrer Eltern oder Vorfahren antreten durften. Die Auswahl trafen Villiger und sein Team aufgrund von Trainer-Berichten, DVDs, Videos und Eigeneinschätzungen der Spieler.
Nicht nur Gewinner
Die Gäste hatten nicht lange Zeit, die warme Tessiner Sonne zu geniessen, denn am Montagmorgen schon mussten sie ihre Künste am Ball unter Beweis stellen.
Nach ersten Tests wurden sie in drei Gruppen eingeteilt. «In der ersten sind diejenigen, die uns sehr stark interessieren. Gruppe Nummer zwei enthält diejenigen Spieler, bei denen wir das Niveau halten oder steigern wollen», erklärt Villiger.
Wie immer im Sport gibt es auch Verlierer. So auch in Tenero. In die dritte Gruppe kamen jene, für die es nach Einschätzung der Trainer «schwierig werden wird».
Obwohl natürlich das runde Leder im Vordergrund steht, hat die Woche auch noch andere Ziele: Die jungen Auslandschweizer sollen die schöne Schweiz und ihre Wurzeln neu entdecken zu können, wie Romain Villiger hervorhebt.
Herz soll für Schweiz schlagen
Das Camp im Tessin kommt den Schweizerische Fussballverband mit 15’000 bis 20’000 Franken relativ günstig. Ist man beim SFV nicht besorgt, dass die Auslandschweizer Fussball-Talente eines Tages der Schweiz einen Korb geben könnten und im Dress ihres neuen Heimatlandes aufs Feld gehen?
Ein Spieler entscheide selbst, für welches Land er antreten wolle, schickt Villiger voraus. «Der Weg, den wir mit unserer Sichtung eingeschlagen haben, zeigt aber den Spielern, dass wir etwas für sie tun. Wenn wir ihnen dann noch die Junioren-Nati schmackhaft machen können, sind wir vielleicht ihrem Wohnland einen Schritt voraus», sagt der Projektleiter.
Die Rechnung des SFV scheint aufzugehen. Joshua Claringbold, 17-jähriges Fussball-Talent, würde keine Sekunde zweifeln, welches Leibchen er bei einem Aufgebot tragen würde: «Für mich wäre es eine riesige Ehre, einst für die Schweiz zu spielen.» Und das will etwas heissen: Claringbolds Wahlheimat ist immerhin Deutschland.
swissinfo, Renat Künzi
Von den knapp 650’000 Auslandschweizern sind rund 150’000 Kinder und Jugendliche.
Der Schweizerische Fussballverband will die besten jungen Ballkünstler unter ihnen für die Nachwuchs-Nationalmannschaften gewinnen.
Deshalb führt der SFV diese Woche erstmals im Tessin ein Talentsichtungs-Lager durch.
Dazu wurden 30 junge Auslandschweizer Talente zwischen 12 und 17 Jahren eingeladen, die aus 16 Ländern stammen. Sie wurden aus 150 Interessenten ausgewählt.
Den Kontakt zwischen SFV und Nachwuchsfussballern stellte die Auslandschweizer-Organisation (ASO) her, die vor zwei Jahren in der Zeitschrift Auslandschweizer Revue einen Aufruf publizierte.
Zu den relativ niederen Kosten des Sichtungslagers des SFV trägt bei, dass es in Tenero im Rahmen des Talenttreffs von Swiss Olympic (Dachverband der Schweizer Sportverbände) stattfindet.
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