Kampf gegen Mädchenbeschneidung
Die Genitalverstümmelung von Mädchen ist immer noch weit verbreitet. Sie wird nicht nur in afrikanischen Ländern praktiziert, sondern auch in der Schweiz.
Darum hat Unicef Schweiz am Mittwoch, dem Internationalen Tag gegen Mädchenbeschneidung, eine landesweite Kampagne gestartet.
Die Eltern müssten davon überzeugt werden, dass die Beschneidung mit Leid und gesundheitlichen Risiken für das Kind verbunden sei, sagte Elsbeth Müller, Geschäftsleiterin von Unicef Schweiz gemäss Mitteilung.
In der Schweiz leben schätzungsweise 7000 Mädchen und Frauen, die beschnitten wurden, schreibt das Kinderhilfswerk.
Es brauche eine öffentliche Debatte, auch innerhalb der Migrationsgruppen, um die Mädchenbeschneidung zu überwinden.
Die Organisation setzt sich dafür ein, dass das Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung ins Schweizerische Strafgesetzbuch aufgenommen wird. Derzeit arbeitet Unicef an einem Gutachten, das Kindesschutz und Prävention von Mädchenbeschneidung in der Schweiz untersucht.
Im Frühling 2008 kommt der erste Fall einer Mädchenbeschneidung, die in der Schweiz stattfand, vor Gericht.
«Repression ist ein Weg, aber Repression allein reicht nicht aus», sagt Alexandra Rossetti,Informationsverantwortliche von Unicef Schweiz. «Was es braucht ist Information, vor allem die betroffene Bevölkerung muss aufgeklärt werden.»
Internationale Fachtagung
Im Rahmen der Kampagne gegen Mädchenbeschneidung findet am 21. und 22. Februar eine internationale Fachtagung in Bern statt. Dabei sollen Strategien aus den verschiedenen Projekten in Afrika und Europa diskutiert werden.
Anfang März wird zudem die somalische Autorin Fadumo Korn, selbst Opfer der Mädchenbeschneidung, in der Schweiz Schulklassen besuchen und über die schwerwiegenden Folgen der Genitalverstümmelung informieren.
Wiederstand wächst
In Somalia und in Ägypten sind gemäss Unicef 96% bis 98% aller Frauen und Mädchen beschnitten. In anderen Ländern ist die Tendenz positiver: So sind in Burkina Faso nur noch knapp die Hälfte aller Mädchen und Frauen beschnitten. 1996 waren es noch zwei Drittel.
In zahlreichen afrikanischen Ländern wächst der Widerstand gegen die Beschneidung. Vor allem junge Frauen mit guter Ausbildung wollen ihre Töchter davor bewahren.
In Ländern wie Ägypten, Guinea, Kenia, Nigeria, dem nördlichen Sudan und in Jemen haben Proteste von Menschenrechts-Organisationen und Aufklärungskampagnen über die Gefahren der Beschneidung staatliche Verbote erwirkt. Doch diese sind noch lange nicht durchgesetzt.
«Verantwortlich für die Einhaltung der Menschenrechte sind die einzelnen Staaten», sagt Madeline Rees vom Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR). «Es ist wichtig, dass sie den Kampf gegen die Mädchenbeschneidung unterstützen.»
Brauch wird modernisiert
Weltweit werden täglich über 8000 Mädchen Opfer der Genitalverstümmelung. Der Brauch ist bis heute in zahlreichen Ländern in Afrika und im Mittleren Osten verbreitet, obwohl er mittlerweile fast überall verboten ist.
In einigen Ländern ist die Praxis auf einzelne ethnische Gruppen und Regionen beschränkt. Dies gilt auch für Länder im Nahen Osten, für Indien, Indonesien und Malaysia, wo vereinzelt Mädchenbeschneidungen durchgeführt werden.
Viele Eltern geben den Brauch nicht auf und bringen ihre Töchter immer häufiger in medizinische Einrichtungen, um sie beschneiden zu lassen. Traditionell wurde die Prozedur oft unter unhygienischen Bedingungen ohne jede Betäubung vorgenommen.
«Auch wenn ein steriles Skalpell an die Stelle von Glasscherben oder Rasierklingen tritt – die Mädchenbeschneidung bleibt eine Menschenrechtsverletzung», sagte Unicef-Kinderschutzexpertin Kirsten Leyendecker.
«Statt den Brauch abzuschaffen, wird er modernisiert und das Recht eines jeden Kindes auf körperliche Unversehrtheit weiter verletzt.»
Mädchen immer jünger
Eine aktuelle Unicef-Studie zeigt, dass in einigen Ländern wie Ägypten und Kenia Mädchen heute in jüngerem Alter beschnitten werden als noch vor einigen Jahren.
Offenbar gehen Eltern davon aus, dass sie die verbotene Praxis so leichter geheim halten können und nicht mit der Ablehnung der betroffenen Mädchen rechnen müssen.
swissinfo und Agenturen
Gemäss der Weltgesundheits-Organisation (WHO) sind 100 bis 140 Millionen Frauen und Mädchen Opfer von Genitalverstümmelungen.
Jedes Jahr kommen drei Millionen Mädchen zwischen vier und zwölf Jahren hinzu, die beschnitten werden (Quelle: Unicef).
In der Schweiz leben laut dieser Organisation 7000 beschnittene Frauen und Mädchen. Die meisten stammen aus Somalia, Äthiopien und Eritrea.
Aufgrund der Immigration werden heute auch in Europa Genitalverstümmelungen durchgeführt.
Unter Strafe steht diese in Frankreich, Grossbritannien, Spanien, Belgien, Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen.
Bei der Mädchenbeschneidung reichen die Eingriffe von der Abtrennung der Vorhaut bis zur Entfernung der Klitoris und der kleinen Schamlippen.
Mädchen können durch den Eingriff schwere Blutungen und Infektionen erleiden, viele von ihnen sterben daran.
Die Frauen leiden unter chronischen Entzündungen, lebensgefährlichen Komplikationen bei Geburten sowie grossen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr.
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