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Kantone starten Kreuzzug für Schengen/Dublin

Routine-Personenkontrollen an der Grenze würden mit dem Abkommen von Schengen grundsätzlich aufgehoben. Keystone

Die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren sagen Ja zu Schengen/Dublin. Es gehe um die Sicherheit der Schweiz.

Angesichts der Referendumsdrohung seitens der Schweizerischen Volkspartei wollen die Kantone frühzeitig informieren.

Mit sachlicher Aufklärung wollen die kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren aufzeigen, dass das Schengen/Dublin-Abkommen der Schweiz mit der Europäischen Union (EU) zu mehr Sicherheit für die Bevölkerung beiträgt. Am Donnerstag haben sie in Bern ihre Kampagne lanciert.

Hintergrund ist das von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und der «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (AUNS) angekündigte Referendum gegen Schengen/Dublin.

Das Abkommen sei zu wichtig, um der kurzfristigen Polemik eines Abstimmungskampfes geopfert zu werden, erklärte die Polizei- und Militärdirektorin des Kantons Bern, Dora Andres. Fundierte Informationen zu vermitteln, brauche Zeit.

Zeitgemässe Arbeitsinstrumente

15 Kantone sind im «Justiz- und Polizeiforum Bürgersicherheit mit Schengen/Dublin» vertreten. Dieses Forum will zeigen, dass die verstärkte Zusammenarbeit mit der EU den Polizeien zu zeitgemässen Arbeitsinstrumenten verhelfe.

In der Vernehmlassung hatten alle Kantone das Dossier gutgeheissen.

Die Sicherheit für die Bevölkerung werde durch Schengen/Dublin erhöht, sagte Dora Andres. Terrorismus, Kriminalität und Schlepperwesen machten vor keinen Grenzen halt.

Das Abkommen erleichtere Fahndungen, Kontrollen und polizeiliche Ermittlungen, erklärte Peter Grütter, Kommandant der Zürcher Kantonspolizei.

Im Schengener Informationssystem (SIS) könnten Schweizer Polizisten über 11 Mio. Datensätze zu gesuchten Personen und Gegenständen einsehen.

Weiter enthalte das SIS Daten von rund 14’000 zur Verhaftung ausgeschriebenen Personen. Ob jemand im europäischen Ausland polizeilich gesucht werde, lasse sich deshalb innert Minuten abklären.

Leichtere Fahndung nach Schwerverbrechern

Heute gebe es nur das zeitraubende Verfahren über Europol und Interpol und – für Grenzkantone – den «Informationsaustausch unter Kollegen» über die Grenze hinweg. Dieser zweite Weg führe aber an den Rand der Legalität, so Grütter. «Schengen wäre eine saubere Grundlage für die Zusammenarbeit.»

Die Zürcher Kantonspolizei erwartet, dass dank dem SIS bedeutend mehr international gesuchte Schwerverbrecher dingfest gemacht werden können. Seit Deutschland auf das SIS zurückgreifen könne, hätten im Nachbarland rund viermal mehr Schwerstkriminelle verhaftet werden können, sagte Grütter.

Gefahr einer «Asyl-Insel»

Die Neuenburger Justizdirektorin Monika Dusong sagte, dass das Abkommen verhindere, dass die Schweiz eine Asyl-Insel werde. Heute sei die Schweiz für viele Asylbewerber bereits «das Land der letzten Chance».

Das Forum befürchtet, dass die Schweiz ohne Schengen/Dublin zur Insel für im europäischen Raum abgewiesene Asylbewerber werde. Anhand der Fingerabdruck-Datenbank Eurodac, zu der nur Mitglieder Zugang haben, könne sofort erkannt werden, wer bereits ein erfolgloses Asylverfahren im europäischen Raum gestellt habe.

Betroffen ist nach Angaben des Forums jeder fünfte Asylsuchende in der Schweiz. Diese Menschen könnten umgehend abgewiesen und ins Erst-Asylland zurückgeschickt werden.

Einfluss auf den Alltag

Schengen/Dublin erleichtere die Beziehungen der Nachbarn entlang der Landesgrenzen. Die Grenzstadt Kreuzlingen-Konstanz mit 100’000 Einwohnern werde ohne Beitritt zu Schengen/Dublin von einer Schengen-Aussengrenze durchschnitten, warnte der Thurgauer Justiz- und Sicherheitsdirektor Claudius Graf-Schelling.

«Was das bedeuten würde, haben wir erfahren, als Deutschland im März die Grenzkontrollen verschärft hat.» Die in den sechs Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebauten, freundschaftlichen Beziehungen seien massivst gestört worden.

swissinfo und Agenturen

Die Abkommen der Bilateralen II werden im Parlament einzeln debattiert.
Die Debatte findet in der kommenden Wintersession statt.
Die SVP hat gegen das Abkommen von Schengen und Dublin das Referendum angekündigt.

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