Kein neues Gesetz zur Bekämpfung der Cyberkriminalität
Die Schweizer Regierung lehnt neue Strafrechtsnormen zur Bekämpfung der Internet-Kriminalität ab. Das geltende Recht genüge.
Der Bundesrat will aber terroristische Internetseiten besser überwachen und der Europaratskonvention über Cybercrime beitreten.
Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) unterstützt den wirksamen Kampf gegen die Internet-Kriminalität. Wie Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf erklärte, will der Bundesrat gegen die Netzwerkkriminalität wirksamer vorgehen.
Nach Abschluss einer Vernehmlassung über mögliche Anpassungen des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes sei er jedoch am Mittwoch zum Schluss gekommen, dass die geltende allgemeine Regelung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Provider genüge, um die Netzwerkkriminialität im gewünschten Mass bekämpfen zu können.
Rasch überholter «Provider-Paragraph»
Eine neue, ausdrückliche Regelung würde nicht die Wirksamkeit der Strafverfolgung erhöhen, sondern lediglich den Interessen von Vertretern der Providerbranche dienen, sagte Widmer-Schlumpf. Denn diese würden von ihrer strafrechtlichen Verantwortlichkeit weitgehend entlastet.
Zudem würde ein ausdrücklicher «Provider-Paragraph» von der technologischen Entwicklung rasch wieder überholt werden und neue Auslegungsprobleme stellen.
Der Bundesrat empfiehlt deshalb dem eidgenössischen Parlament, eine Motion des ehemaligen freisinnigen Aargauer Ständerats Thomas Pfisterer zur Anpassung der Rechtsbestimmungen im Bereich der Netzwerkkriminalität abzuschreiben.
Geltendes Recht ermöglicht Ahndung
Damit würde das Parlament auf eine neue Regelung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Internet-Providern verzichten.
Das geltende Recht ermögliche es bereits, Delikte erfolgreich zu ahnden, die mittels elektronischer Kommunikationsnetze wie Internet oder Mobiltelefonie begangen würden. Dies erfolgt auf der Grundlage des Strafgesetzbuches, des Medienstrafrechts und der allgemeinen Grundsätze über Täterschaft und Teilnahme.
Mit der Beibehaltung dieser allgemeinen Regelungen verfüge die Schweiz zudem laut Widmer-Schlumpf auch weiterhin über eine mit zahlreichen anderen europäischen Ländern vergleichbare Rechtslage.
Schweizerische Strafprozessordnung
Da die Schweizerische Strafprozessordnung (StPO) voraussichtlich bereits im Jahr 2010 in Kraft tritt, erübrigt sich für den Bundesrat auch eine separate Vorlage, um die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen bei der Bekämpfung der Netzwerkkriminalität zu verbessern.
Die StPO sieht eine Ermittlungskompetenz des Bundes bei allen Straftaten vor, bei denen die Zuständigkeit des Bundes oder eines Kantons nicht von Anfang an feststeht. Diese Bestimmung ermögliche es Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalpolizei, in der Netzwerkkriminalität erste, dringende Ermittlungen vorzunehmen.
Da der Bundesrat Handlungsbedarf verneint, lehnt er auch mehrere Parlamentsmotionen ab. Unterstützen will er hingegen eine Motion des christlichdemokratischen Parlamentariers Jakob Büchler aus St. Gallen. Diese wünscht einen Ausbau der Ressourcen zur Überwachung und Auswertung dschihadistischer und gewaltextremistischer Internetseiten.
Überwachung muss systematisch sein
Nur eine systematische Überwachung derartiger Seiten ermögliche es, rechtzeitig die nötigen präventiven und repressiven Schritte in die Wege zu leiten, um terroristische Anschläge gegen die Schweiz oder gegen Schweizer Bürger im Ausland zu verhindern, so das EJPD.
Die Ratifikation der Cybercrime-Konvention des Europarats, die vom Bundesrat ebenfalls begrüsst wird, war ebenfalls mit einem Vorstoss aus den Reihen der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) verlangt worden.
swissinfo und Agenturen
Strafrechtlich relevante Internet-Inhalte:
harte Pornografie (sexuelle Handlungen mit Kindern, Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten)
Gewaltdarstellungen/
Extremismus / Rassismus
unbefugtes Eindringen in Computersysteme
Verbreitung von Computerviren
Datenbeschädigung
Kreditkartenmissbrauch
Urheberrechtsverletzungen
illegaler Waffenhandel
Die vom Bund initiierte Melde- und Analysestelle Informationssicherung (MELANI) ist seit 2004 aktiv.
Sie ist dem Justizdepartement (EJPD) angegliedert und wird vom Bundesamt für Polizei (fedpol) und vom Swiss Education & Research Network (SWITCH) geführt.
MELANI informiert Öffentlichkeit und Unternehmen über Risiken der Info- und Kommunikations-Theologien.
Der Bundesrat hat MELANI von der ETH Zürich evaluieren lassen. Dabei wurden Wirksamkeit und Zweckmässigkeit als «äusserst positiv» bewertet. Dieser Bescheid hat den Bundesrat 2007 bewogen, MELANI weiterzuführen.
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