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Keine Einbürgerungs-Entscheide an der Urne

Einbürgerungs-Entscheide an der Urne sind laut Bundsgericht verfassungswidrig. Keystone Archive

Einbürgerungs-Entscheide an der Urne sind gemäss Bundesgericht verfassungswidrig.

Deshalb hat es eine Volksinitiative der Stadtzürcher SVP für ungültig erklärt. Nun müssen auch die abgelehnten Gesuche von Emmen neu beurteilt werden.

Die Zürcher SVP-Volksinitiative «Einbürgerungen vors Volk!» wurde vom Zürcher Regierungsrat zu Recht für ungültig erklärt, wie die Lausanner Richter entschieden.

Urnenentscheide verletzten das Recht auf Begründung des Entscheids. Die im Oktober 1999 eingereichte SVP-Initiative verlangt, dass in Zürich über Einbürgerungen künftig an der Urne entschieden wird.

Einer der fünf Bundesrichter sprach bei der mündlichen Urteils-Verkündigung von einem «revolutionären Entscheid» des Gerichts.

Verfassungswidrig

Das Volksbegehren verstosse gegen die Bundesverfassung und führe zu einem Widerspruch zwischen dem Recht der Stimmbürger auf vollständige Information über den Abstimmungs-Gegenstand und dem Recht der Gesuchstellenden auf Schutz der Privatsphäre.

Mit dieser Begründung hatte der Zürcher Regierungsrat wie zuvor das Stadtparlament das Volksbegehren am 13. November 2002 für ungültig erklärt.

Die SVP der Stadt Zürich wandte sich in Folge mit einer Stimmrechts-Beschwerde an das Bundesgericht.

Einstimmig abgelehnt

In öffentlicher Beratung wiesen die fünf Richter der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts die Beschwerde der SVP einstimmig ab.

Sie befanden, dass die Initiative verfassungswidrig ist. Auch wenn kein Anspruch auf Einbürgerung bestehe, müssten bei den Gesuchen die verfassungsrechtliche Garantien respektiert werden, hiess es zur Begründung.

Dazu gehörten namentlich der Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs und auf eine Begründung des Entscheids.

Recht auf Anhörung

Eine den Anforderungen der Bundesverfassung genügende Begründung sei jedoch bei Volksabstimmungen an der Urne systembedingt nicht möglich, teilte das Bundesgericht mit.

Eine nachträgliche Begründung durch eine Gemeinde-Behörde könne diesen rechtsstaatlichen Mangel nicht ausgleichen.

Im mündlichen Urteil habe das Bundesgericht ausdrücklich festgehalten, dass dieses Urteil nur für Einbürgerungs-Entscheide an der Urne gelte.

Reaktionen

Die SVP der Stadt Zürich hat die Ungültig-Erklärung ihrer Volksinitiative als politischen Entscheid des Bundesgerichts bezeichnet.

Die Stadtpartei werde nun zusammen mit der SVP Schweiz entscheiden müssen, ob eine gesamtschweizerische Volksinitiative für eine entsprechende Änderung in der Bundesverfassung lanciert werden soll, sagte Parteisekretär Reinhard Wegel.

Die Stadtzürcher SVP sei auch sehr überrascht über das Urteil, weil es eine Änderung der bisherigen Praxis des Bundesgerichts bedeute und sozusagen ein Verfassungsentscheid sei.

In den Stadtzürcher Parteien findet man es hingegen richtig, dass in einer Grossstadt wie Zürich Einbürgerungs-Gesuche weiterhin nicht an der Urne entschieden werden.

Fälle von «Emmen» müssen neu beurteilt werden

Auch die fünf der 2000 im luzernischen Emmen abgelehnten Einbürgerungs-Gesuche müssen neu beurteilt werden.

Das Bundesgericht hat die Beschwerden von fünf Gesuchstellern am Mittwoch in Lausanne gutgeheissen.

Der Fall geht nun zurück an die Luzerner Behörden, die ein verfassungskonformes Einbürgerungs-Verfahren durchführen müssen.

swissinfo mit Agenturen

1999: Die Stadtzürcher SVP reicht die Initiative «Einbürgerungen vors Volk!» ein.

2001: Die Stadtzürcher Behörden erklären die Initiative für ungültig. Die Partei gibt nicht auf und wendet sich an den Kanton.

2002: Auch die Zürcher Kantonsregierung erklärt den SVP-Vorstoss für verfassungswidrig. Die SVP reicht beim Bundesgericht eine Stimmrechts-Beschwerde ein.

Die Beschwerde wurde von den Lausanner Richtern nun einstimmig abgewiesen.

Urnenentscheide über Einbürgerungen würden die aus Artikel 29 der Bundesverfassung abgeleitete Pflicht zur Begründung eines Entscheides verletzen.

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