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Keine Gefahr durch aktuelle Vogelgrippefälle

Ein Eichelhäher wird auf Vogelgrippe untersucht. Keystone

Die Bundesbehörden lassen sich von den befürchteten Vogelgrippefällen in Rumänien und der Türkei nicht zusätzlich beunruhigen.

Die Schweiz will weniger häufig warnen als die internationalen Organisationen. So könne sichergestellt werden, dass Warnungen bei realer Gefahr auch wirklich gehört werden.

Weder das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET) noch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) sehen Anlass für zusätzliche Massnahmen. Das Vogelgrippevirus sei in Rumänien noch gar nicht nachgewiesen worden, und in der Türkei sei der Virustyp noch unbekannt.

“Für die Menschen in der Schweiz besteht momentan keine Bedrohung”, sagte BAG-Vizedirektorin Flavia Schlegel. BVET-Direktor Hans Wyss ergänzte: “Sie hat zwar ein Gefahrenpotenzial für Menschen, aber sie ist eine Tierseuche.” Weltweit gibt es auch keinen bekannten Fall einer Übertragung von Mensch zu Mensch.

Wachsam sind die Behörden trotzdem. “Wir treffen Vorkehrungen, um Massenuntersuchungen vorzubereiten”, erklärte Wyss. Falls die Seuche in die Schweiz käme, könnten innerhalb kürzester Zeit mehrere tausend Tests gemacht werden. Das sei aber ein Standardvorgehen, wie es bei jeder anderen Seuche auch zur Anwendung käme.

Einschleppung verhindern

Es gehe primär darum, eine Einschleppung zu verhindern. Und wenn die Seuche wirklich käme, müsste verhindert werden, dass sie weiter geschleppt würde. “Wir sind überzeugt, dass wir die nötigen Schutzmassnahmen getroffen haben”, sagte Wyss.

Dazu gehören Importverbote, verschärfte Grenzkontrollen, eine Überwachung der Wildvogelpopulation, eine Notfallplanung für den Verdachtsfall, Empfehlungen für Tierhalter und Informationen für Reisende nach Asien. Diese sollten keine Hühnerfarmen oder Märkte mit lebenden Tieren besuchen, besonders nicht in China.

Käme das Virus H5N1 in die EU, wäre in der Schweiz eine “risikobasierte” Einschränkung der Freilandhaltung vorgesehen. Käme das Virus in die Schweiz, müsste die Freilandhaltung noch weiter eingeschränkt werden.

Dies jetzt zu tun, wäre zur gesamten Gefahrensituation aber unverhältnismässig, sagte Wyss. Die Fälle in der Türkei seien kein Grund, an dieser Einschätzung etwas zu ändern.

Kein Mundschutz und kein “Tamiflu”

“Im Moment ist die Vogelgrippe für die Schweiz keine Bedrohung”, sagte Flavia Schlegel. “Man braucht keinen Mundschutz zu tragen und man braucht kein ‘Tamiflu’-Lager.”

Das Grippemittel “Tamiflu” vorsorglich einzunehmen, sei sowieso nicht sinnvoll. Die Schutzwirkung dauere etwa fünf Wochen, die Nebenwirkungen seien ziemlich schwer und es könne sogar zu Resistenzen kommen.

Geforscht werde noch an einem Impfstoff. Die Resultate einer Ausschreibung würden bis Ende dieser Woche erwartet. Als neue Massnahme empfiehlt das BAG die Grippeimpfung für Leute, die beruflich mit Geflügel Kontakt haben.

Nicht zu häufig warnen

Es gehe darum, allfälligen Verdachtsfällen vorzubeugen, sagte Schlegel. “So muss man nicht bei jeder Grippe gleich an Vogelgrippe denken.”

Christian Griot, Chef des Instituts für Viruskrankheiten und Immunprophylaxe (IVI) im BVET, ergänzte gegenüber swissinfo: “Unsere Strategie ist eine Limitierung der Warnungen vor der asiatischen Vogelgrippe. Wir wollen, dass die Leute uns noch zuhören, wenn eine echte Gefahr besteht.”

Dies im Unterscheid zur Weltgesundheits-Organisation (WHO), die fast jeden Monat eine neue Warnung herausgebe. “Das Risiko ist gross, dass die Leute nicht mehr zuhören, wenn zuviel gewarnt wird.”

WHO im Dilemma

Die WHO verteidigte gegenüber swissinfo ihr Vorgehen. “Wir müssen über diese Bedrohung informieren”, sagte Pressesprecher Dick Thompson. “Und es ist eine realistische Bedrohung.” Er hoffe, dass die WHO keine Panik auslöse, doch die Bedrohung dürfe auch nicht heruntergespielt werden.

“Dies ist ein echtes Dilemma für die WHO”, so Thompson weiter. “Es ist möglich, dass eine Pandemie nicht in den nächsten 30 Jahren ausbricht oder nächstes Jahr so mild sein wird, dass man sie kaum feststellt.” Doch: “Wir haben die Verantwortung, die Länder dazu zu bringen, bereit zu ihrem eigenen Schutz zu sein. Keine einfache Aufgabe, das ist klar.”

swissinfo und Agenturen

1997 wurde die Vogelgrippe erstmals in Hongkong entdeckt.
Nachdem sie 2003 in Korea wieder aufgetaucht ist, hat sie sich auf Vögel in 12 asiatischen Ländern, Russland, Kasachstan, der Türkei und möglicherweise Rumänien verbreitet.
Sie wird von 2 der 15 Untertypen bekannter Vogelviren hervorgerufen, davon sind H5 und H7 die gefährlichsten.
Seit Ende 2003 sind in Asien 65 Personen gestorben; die meisten hatten Kontakt mit Vögeln.
Die Weltgesundheits-Organisation (WHO) rechnet im Falle einer Pandemie mit 2 bis 7,4 Millionen Toten.

Bis Ende Jahr will der Bundesrat festlegen, wie er bei einer Pandemie die Versorgung mit Medikamenten gewährleisten will. Diskutiert wird auch über die Finanzierung eines Pflichtlagers.

Experten rechnen mit Kosten von 14 Millionen Franken. Bezahlt werden Pflichtlager aus Fonds. Der Pandemie-Fonds wurde mit 2,7 Millionen geäufnet.

Das Geld stammt aus dem Pflichtlager für Schmieröl, das im Zuge der Pflichtlagerpolitik 2004 bis 2007 aufgelöst wurde.

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