Kinder und ihre Rechte
Kinderrechte sind keine Selbstverständlichkeit. Weder in der Schweiz noch weltweit. Nun befasst sich eine UNO-Sondersession mit dem schwierigen Thema.
Kinder am Verhandlungstisch
Zum ersten Mal sitzen auch Kinder als Delegierte am Verhandlungs-Tisch. Im Vorfeld der Sondersession hatten rund 375 Kinder aus aller Welt, darunter zwei aus der Schweiz, an einem Kinderforum in New York ihre Ideen und Anliegen diskutiert und einen Forderungs-Katalog an die Konferenz ausgearbeitet.
Unter anderem verlangten die Kinder ein Ende von Ausbeutung, Missbrauch und Gewalt, Schluss mit Kriegen und der Aids-Bedrohung sowie Schutz für die Umwelt, einen Ausweg aus dem Teufelskreis der Armut und gleiche Chancen für Bildung.
Die Schweiz hat die Kinderrechte-Konvention 1997 ratifiziert. Und in der neuen Bundesverfassung vom Jahr 2000 steht geschrieben: «Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung.» Das Strafgesetz wurde zu Gunsten minderjähriger Opfer sexueller Übergriffe geändert; das Opferhilfegesetz wurde verbessert.
Die UNO-Kinderrechte-Konvention (KRK) ist seit 13 Jahren in Kraft. Bis Freitag wird an der Sondersession der UNO-Generalversammlung in New York Bilanz gezogen und ein Aktionsplan fürs nächste Jahrzehnt verabschiedet.
UNO-Generalsekretär Kofi Annan erklärte zur Eröffnung der Debatte: «Dies ist nicht einfach nur eine Sondersitzung über die Lage der Kinder. Dies ist ein Treffen über die Zukunft der Menschheit.»
Kinderbetreuungsdienste fehlen in der Schweiz
Laut der Generalsekretärin des Schweizer Innenministeriums, Claudia Kaufmann, muss sich die Schweiz bewusst werden, «die Kinderrechte als Querschnittsaufgabe wahrzunehmen». Das bedeute, in allen Fragen die Situation der Kinder zu berücksichtigen – vermehrt zu koordinieren und zu vernetzen.
Handlungsbedarf besteht laut einem Bericht der Schweizer Regierung in Sachen Kinder-Betreuungsdienste, in bezug auf die Drogen, sexuellen Missbrauch und Suizid. Doch hält sie auch fest, dass die Situation der Kinder in der Schweiz im Allgemeinen sehr gut ist.
Viele Staaten haben unterzeichnet
Doch die Anzahl der «working poor» in der Schweiz steigt. In den letzten zehn Jahren hat sich die Armutsgefährdung von einem Viertel auf ein Drittel der Bevölkerung ausgeweitet. Betroffen sind vor allem alleinerziehende Frauen – und mit ihnen ihre Kinder. Auch weltweit bleibt zwar die Anzahl Kindersoldaten in der Welt – doch jedem Kind mit einer Waffe in der Hand droht ein zerstörtes Leben. Eines zu viel.
Die KRK schützt in 54 Artikeln die physische und psychische Integrität der Kinder. Sie basiert auf vier Prinzipien: Recht auf Überleben und Entwicklung, Kindeswohl, Nichtdiskriminierung und Anhörung des Kindes. Der UNO-Weltkindergipfel von 1990 hatte immerhin erreicht, dass sich viele Staaten der Konvention angeschlossen haben. Mehr als jedem anderen Menschenrechts-Vertrag.
Nicht nur schöne Worte
Trotz schönen Worten in der Konvention besteht Handlungsbedarf. «Kindersoldaten, Minensituation, gesundheitliche Vorsorge – diese haben für mich absolute Priorität», erklärt Claudia Kaufmann. Auch Armut und Hunger müssten bekämpft werden.
Doch es gehe noch um mehr als die vielen Missstände: «Es geht auch darum zu sehen: Kinder und Jugendliche haben ihre eigenen Rechte, sind eigene Persönlichkeiten, die wir ernst zu nehmen haben.» Sie dürften nicht als «Anhängsel» der Familie betrachtet werden. Wenn diese Gedanken in das politische Handeln einfliessen würden, «dann haben wir sehr viel erreicht», sagt Kaufmann.
Die Kinder wirklich anhören
Dennoch haben Schweizer Kinder konkrete Anliegen – und dies nach einer Kinderkonferenz der Delegation mitgegeben: Gewalt soll bekämpft, Krieg abgeschafft werden. Kinderhandel und -arbeit wie auch Rassismus müssten angeprangert und aktiv bekämpft und bei Kindsmisshandlungen soll den Kindern geglaubt werden.
Kinder sollen über ihre Rechte aufgeklärt werden, und sie wollen Mitbestimmungsrecht in der Schule und bei Bauprojekten, welche Kinder betreffen.
Die Schweiz an der Sondersession
Da die Schweiz noch nicht UNO-Mitglied ist, wird sie an der Konferenz den ihr bekannten Beobachterstatus einnehmen. Weil sie aber eine der grossen Donatorinnen der UNICEF ist, erhält ihre Stimme in Arbeitsgruppen grosses Gewicht und der Delegationsleiter Jean-François Giovannini wird an der Versammlung das Wort ergreifen.
Die Schweiz will sich in New York für die Bekämpfung der Gewalt und gegen jegliche Art von Ausbeutung von Kindern einsetzen. Wichtig sei dabei die internationale Zusammenarbeit, betont Giovannini.
Zuoberst auf der Agenda der Schweiz stünden zusätzlich die Integration ausländischer Kinder. Zur Umsetzung der Rechte der Kinder gelte es in der Schweiz vor allem, die Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und dem Staat aufzubauen.
Wichtig sei jedoch auch, dass Gross und Klein über die Rechte der Kinder informiert und aufgeklärt werden.
Rebecca Vermot
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